Jesus findet Muslime. Christiane Ratz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christiane Ratz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783961400102
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sie suchte, desto mehr zweifelte sie. Und das am meisten an Gott, weil er nicht so antwortete, dass sie seine Antworten hörte und verstand. Sie warf innerlich alles über Bord, was mit Gott zu tun hatte. Naid tat das ebenso, doch viel leichter und rigoroser. Bitter enttäuscht von Religion und von dem, was passiert, wenn sie als Knute angewendet wird, um ein Land zu regieren, erklärten sie Gott für nicht existent. Bis zu dem Tag, als er ihnen persönlich begegnete.

       Wie es dazu kam, davon berichteten sie uns an einem warmen Sommerabend auf unserer Terrasse.

      Und Jesus sprach:

      Was willst du, dass ich dir tun soll?

      Der Blinde aber sprach zu ihm:

      Rabbuni, dass ich sehend werde.

      Und Jesus sprach zu ihm:

      Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen.

      Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege.

       Markus 10,51-52

      Im Vorbeigehen hörte Naid, wie Reza sich mit einem Kunden in seinem Büro über Gott unterhielt. Sie redeten genauso wie seine Mutter und seine Schwester. Naid spürte Wut in sich aufsteigen, nur mit Mühe konnte er an sich halten. Forsch betrat er den Raum und blickte seinen Cousin durchdringend an.

      „Seid ihr etwa Christen?“

      Reza versuchte erst gar nicht, seinen neuen Glauben zu verbergen: „Durch deine Mutter habe ich Jesus gefunden. Er ist der Sohn Gottes, und durch ihn können wir direkt zu Gott kommen. Er spricht zu mir …“

      „Gott spricht zu dir? Soll das ein Witz sein?“

      Naids Augen waren schmal geworden. Er ließ Reza gar nicht erst ausreden, sondern bugsierte die Männer aus dem Büro. Er hasste die Christen. Gott …! So ein Quatsch! Es gab ihn nicht, und folglich sprach er auch nicht.

      Naid setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, sein Blick fiel auf den Kalender. Es war Dienstag – nie würde er diesen Tag vergessen. Auch wenn er das damals natürlich noch nicht wusste.

      Es klopfte, und wieder wurde er bei seiner Arbeit unterbrochen. Der Kunde von eben steckte den Kopf zur Tür herein. Naid mochte es gar nicht, gestört zu werden. Er sprang auf und schob den Mann zurück zum Ausgang. War er nicht Pastor? Er glaubte, sich vage an so etwas erinnern zu können.

      „Ihr Besuch ist hier nicht erwünscht.“

      Musste er noch unhöflicher werden, um diesem Kerl klar zu machen, was er von ihm hielt?

      „Ich habe eine Botschaft von Gott für dich.“

      Eine Botschaft von Gott? Das konnte unmöglich sein! Naid packte den Mann an den Schultern und drückte ihn mit Gewalt auf den Flur zurück. „Willst du mich für dumm verkaufen? Gott spricht nicht mit den Menschen! Erzähl’ deine Märchen einem anderen!“

      Er sah nur noch rot, doch der Mann ließ sich nicht beirren. Mit einem Fuß im Büro und dem anderen im Flur, richtete er Naid die angeblich göttliche Botschaft aus: „Gott lässt dir sagen: ‚Ich möchte, dass du dich entscheidest. Deinen gesamten Besitz, deinen Erfolg, dein Büro – all das habe ich dir gegeben. Bis heute habe ich meine Hand über dich gehalten und dich beschützt. Du hast drei Tage Zeit, um dich zu entscheiden. Möchtest du meine Hilfe oder nicht?‘“

      „Raus! Raus! Sofort!“

      Naids Schreie hallten durch das Treppenhaus und wurden unterstrichen vom lauten Knall seiner Bürotür, die er dem Mann buchstäblich ins Gesicht warf. Warum konnten ihn diese Christen nicht in Ruhe lassen? Zuerst hatte seine Schwester begonnen, ihn mit diesem Jesus zu nerven. Dann hatte auch noch seine Mutter angefangen, in dasselbe Horn zu blasen. Er solle Jesus für seinen Erfolg danken. Immer wieder fingen sie damit an. Und nun auch noch Reza und der Pastor mit seiner angeblich göttlichen Nachricht! Diese Christen waren allesamt verrückt.

      Naid schloss die Tür hinter sich, es hatte etwas Endgültiges. Der 19-Jährige stürmte die Treppe hinunter und sprang in seinen Mercedes. Doch die Worte seiner Schwester verfolgten ihn. „Hast du dich eigentlich schon einmal bei Gott dafür bedankt, dass dein Geschäft so gut läuft?“

      Er war aufgebracht. Gott gedankt? Wieso sollte er? Pausenlos hatte er für die Schule gebüffelt und in einem Jahr den Stoff von Zweien gemeistert. Anschließend hatte er seine ganze Zeit und Energie in sein Studium investiert und nebenher sogar noch Webseiten für Firmen entworfen. Er hatte einfach ein Händchen für Computer, und dadurch waren jede Menge lukrativer Kontakte zustande gekommen. Den Erfolg verdankte er seinem eigenen Fleiß und Grips – und ganz bestimmt nicht Gott! Davon war Naid ganz fest überzeugt.

      Es gab Leute, die brauchten Gott für alles. Und die Allerschlimmsten waren diejenigen, die mit der Religion anderen auf die Nerven gingen oder sie unter Druck setzten. Er hatte genug von dieser Sorte kennengelernt.

      Seiner Familie hatte Religion bislang eigentlich nie sonderlich viel bedeutet. Klar, sie hatten die üblichen Traditionen praktiziert. Das tat doch schließlich jeder. Aber darüber hinaus machte Religion alles nur kompliziert und verursachte Ärger.

      Er beschleunigte seinen Wagen und setzte zum Überholen an.

      Seit einigen Monaten war der Streit um den rechten Glauben bei ihnen zu Hause zum Dauerthema geworden. Ständig redeten die anderen von Jesus. Seine Schwester bekam gar nicht genug davon. Sie und Mutter behaupteten, Jesus würde leben und hätte ihnen ihre Schuld vergeben. Und jetzt wollten sie auch Naid davon überzeugen.

      Das war doch alles Irrsinn. Er wollte nichts mehr davon hören.

      „Es tut uns leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber wir können nur diese vier Gemälde von Ihnen ausstellen.“ Maraya verstand die Welt nicht mehr. Wie bitte, ihre Bilder würden die Menschen auf unsittliche Gedanken bringen?! Dabei war ihr Lehrer so begeistert von ihren Arbeiten gewesen! Ja, Maraya malte auch Frauen, die nicht vollständig verschleiert waren. Aber das offene Haar war doch nur Zeichen ihrer Schönheit und Würde. Neuerdings waren die religiösen Gesetze wirklich schlimm geworden. Maraya fand das inakzeptabel.

      Die junge Frau war traurig und verletzt. Dass das ausgerechnet ihr passierte … Ihr Glaube war ihr lange Zeit wichtig gewesen. Während ihre Mitstudentinnen regelmäßig feiern gegangen waren und das Leben genossen hatten, war sie brav in die Moschee gelaufen. Seit sie Kind war, hatte sie sich bemüht, Gott gefällig zu leben. Hatte regelmäßig gebetet, viele Texte des Korans auswendig gelernt. Auch wenn sie die Sprache gar nicht verstanden hatte, in der er geschrieben war.

      Doch inzwischen hielt auch sie nicht mehr viel von der Sache. Vor Kurzem hatte sie den Koran in ihrer Muttersprache gelesen. Was sie dabei entdeckt hatte, hatte sie zutiefst schockiert. Sie empfand ihn an vielen Stellen als unglaublich frauenfeindlich. Er sprach über Frauen, als wären sie reine Objekte zur Lustbefriedigung. Und müssten als solche kontrolliert werden. Der Himmel schien einem Bordell nicht unähnlich. Für sie hatte nach dieser Lektüre festgestanden: „Dieser Gott ist krank, und damit möchte ich auf keinen Fall mehr etwas zu tun haben.“

      Maraya versuchte sich mühsam loszureißen von ihren trüben Gedanken. Sie war auf dem Weg zur Musikschule. Seit vier Jahren schon wollte sie hier Unterricht nehmen, doch nie hatte sie die ausgemachten Termine wahrgenommen. Heute, nach diesem Desaster an der Kunsthochschule, war es endlich an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.

      Schon immer hatte sie Sängerin werden wollen, und der armenische Musiklehrer war ihr wärmstens empfohlen worden. Dass er sich bereit erklärt hatte, sie zu unterrichten, obwohl sie ihn vier Jahre lang ständig versetzt hatte, wunderte sie insgeheim. Endlich würde sie den ersten Schritt in ein neues emanzipiertes Leben gehen. Ohne Gott.

      Naid war in Feierlaune. Für ihn stimmte an diesem Abend einfach alles: die Frau in seinem Arm, die Aussicht über das Lichtermeer der Stadt, seine Freunde und die Drinks. Er ließ eine vergoldete Kirsche in den perlenden Champagner fallen und warf grinsend in die Runde: „Wer hätte gedacht, dass 5000 Euro so lecker schmecken?“

      Alle lachten und schlugen Naid auf die Schulter! Während die Kirsche in seinem