Ökumene - wozu?. Jutta Koslowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jutta Koslowski
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865066558
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1948 parallel zur Entstehung des ÖRK in Kassel gegründet worden. Ihr gehörten zunächst die evangelischen Landeskirchen und Freikirchen an. Seit 1974 ist auch die katholische Kirche dort Mitglied. Elf von den sechzehn Mitgliedskirchen der ACK unterzeichneten 2007 im Magdeburger Dom eine »Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe«, so dass die Gläubigen im Fall eines Übertritts von einer Kirche zur anderen nicht neu getauft zu werden brauchen.

       5. Resümee

      Die ökumenische Bewegung war eine der prägenden Zeiterscheinungen des 20. Jahrhunderts. Vieles, was in den letzten hundert Jahren mühsam errungen wurde (z. B., dass eine Dispens durch den Pfarrer bei konfessionsverbindenden Ehen genügt), ist uns heute selbstverständlich. Und so soll es auch sein! Vielfältige Dialoge und Konsensdokumente sind entstanden als Ausdruck einer neuen Geschwisterlichkeit zwischen den Kirchen. Ihnen wäre mitunter breitere Rezeption zu wünschen. Wo Kirchenunionen geschlossen wurden, haben sie dauerhaft Bestand gehabt. Obwohl die Geschichte der ökumenischen Bewegung im Vergleich zur Geschichte der ökumenischen Spaltungen noch recht jung ist, kann sich die Bilanz der vergangenen hundert Jahre also durchaus sehen lassen. Es ist eine »Erfolgsgeschichte«!

      Allerdings befindet sich die Ökumene derzeit in einem Transformationsprozess und steht vor ganz neuen Herausforderungen – wie z. B. dem gemeinsamen Dialog aller christlicher Kirchen mit anderen Religionen. Außerdem erleichterte die Geschlossenheit der Konfessionsfamilien bisher die Arbeit. Weltweit ist die Mitgliederzahl der traditionellen Kirchen aber im Sinken begriffen, während charismatischevangelikale Freikirchen schnell wachsen. Da sie geistige statt sichtbare (institutionelle) Einheit bevorzugen, ist ihre Einbindung im Zeichen eines geistlichen Ökumenismus eine der größten Herausforderungen für die Zukunft.

      DEISSMANN, ADOLF: Die Stockholmer Weltkirchenkonferenz: Vorgeschichte, Dienst und Arbeit der Weltkonferenz für Praktisches Christentum 19. - 30. August 1925, Berlin 1926, S. 687 f.

      An die Kirchen Christi in der ganzen Welt. Patriarchal- und Synodenenzyklika des ökumenischen Patriarchats (Phanar 1920). In: ALTHAUS, HANS LUDWIG (Hg.): Ökumenische Dokumente. Quellenstücke über die Einheit der Kirche, Göttingen 1962, S. 139 – 142.

      SASSE, HERMANN (Hg.): Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung. Deutscher amtlicher Bericht über die Weltkirchenkonferenz zu Lausanne, 3. – 21. August 1927, Berlin 1929, S. 4.

      Nach diesem Modell kam es zur Gründung verschiedener Unionskirchen, die sich meist United Church of XY nannten, z. B. 1961 der Church of North India durch die Vereinigung von Anglikanern, Kongregationalisten, Presbyterianern, Baptisten, Methodisten, Brüder-Unität und Disciples of Christ.

      SÖDERBLOM, NATHAN: Einigung der Christenheit. Tatgemeinschaft der Kirchen aus dem Geist werktätiger Liebe, Halle 21925, S. 209.

      Unitatis redintegratio, Nr. 1. In: RAHNER, KARL/​VORGRIMLER, HERBERT (Hg.): Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg 271998, S. 229.

      Unitatis redintegratio, Nr. 2. In: Ebd., S. 231.

      Unitatis redintegratio, Nr. 5. In: Ebd., S. 236.

      Can. 755 § 1. In: Codex iuris canonici/​Codex des kanonischen Rechtes [von 1983], hg. im Auftrag der Deutschen und der Berliner Bischofskonferenz, Kevelaer 41994, S. 345.

      Unitatis redintegratio, Nr. 3. In: RAHNER/​VORGRIMLER: Kleines Konzilskompendium, S. 232.

      Unitatis redintegratio, Nr. 11. In: Ebd., S. 240.

      Vgl. FRIELING, REINHARD u. a. (Hg.): Konfessionskunde. Orientierung im Zeichen der Ökumene, Stuttgart/​Berlin/​Köln 1999, S. 108.

      KASPER, WALTER (Hg.): Harvesting the Fruits. Basic Aspects of Christian Faith in Ecumenical Dialogue, London/​New York 2009.

      Dasselbe gilt seit 2001 durch die Erklärung von Waterloo für Anglikaner und Lutheraner in Kanada. Eingeschränkte Kirchengemeinschaft brachten die Erklärungen von Meißen 1988 und Réuilly 1999.

I. Ökumene – wie? Oder: Was bedeutet die ökumenische Bewegung? A. Konfessionelle Perspektiven

       Michael Weinrich

      An hohen Feiertagen wird in vielen evangelischen Kirchen das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel aus dem Jahr 381 gesprochen. Es gilt als das ökumenische Glaubensbekenntnis, weil es die westliche Tradition mit der östlichen verbindet. Im dritten Artikel heißt es dort: »Wir glauben an den Heiligen Geist … und die eine, heilige, christliche und apostolische Kirche.« Im Original steht für das Wort »christlich« der Begriff »katholisch«, und das meint die allgemeine, die universale Kirche. Katholizität ist kein Spezifikum der römisch-katholischen Kirche, sondern gehört zu den Eigenschaften jeder recht verstandenen Kirche – eben deshalb sollte sie nicht allein der katholischen Kirche überlassen werden. Wenn dieses Bekenntnis gesprochen wird, ist mit »Kirche« nicht einfach die eigene Kirche gemeint, sondern die wahre universale Kirche, zu der wir uns auch mit der evangelischen Kirche rechnen. Das ist eine wichtige Pointe.

      Dies war auch die zentrale Substanz der Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1950 in Toronto, wo es heißt: »Die Mitgliedskirchen erkennen an, daß die Mitgliedschaft in der Kirche Christi umfassender ist als die Mitgliedschaft in ihrer eigenen Kirche.« Diese Einsicht qualifiziert den ÖRK als ein theologisch motiviertes Unternehmen, das von Kirchen vorangetrieben wird, obwohl sie untereinander auch fundamentale Vorbehalte haben. Die Tatsache, dass die verschiedenen Kirchen diesen Satz gemeinsam sagen können, ist allerdings noch kein Hinweis darauf, dass sie ihn auch in gleicher Weise verstehen. Vielmehr muss konstatiert werden, dass er sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Im Folgenden soll eine protestantische Lesart dieses Satzes skizziert werden.

      Wenn Kirche mehr ist als das jeweilige verfasste Kirchesein – dann kann umgekehrt das verfasste Kirchesein im Grunde nur weniger sein als Kirche im Vollsinn des Wortes. Und genau darum geht es, wenn nach der ökumenischen Zielperspektive gefragt wird: Was ist die wahre Kirche im Sinne des Glaubensbekenntnisses?