„Was hast du erwartet?“ sagte Nhamo. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest dich selbst in die Schule schicken?“
An dem Sonntag, nachdem mein Mais zu verschwinden begonnen hatte, beschloss ich, zur Kirche zu gehen. Sonntag war für uns fast nie ein Ruhetag und noch seltener ein Tag des Gebets. Oft arbeitete meine Mutter, die üble Sünde der Feldarbeit scheuend, am Sonntag trotzdem in ihrem Garten. Und selbst wenn es nicht viel Arbeit gab und sie zu Hause blieb, war sie zu müde, sich herzurichten und die zweieinhalb Meilen zur Kirche zu gehen. Während meines ersten Schuljahres fand ich mich immer häufiger in der Kirche wieder, denn Kinder, die die Sonntagsschule nicht besuchten, erhielten am Montag Prügel oder sie mussten in den Gärten der Lehrer arbeiten. Ohne die Androhung von Prügelstrafe ging ich, seit ich die Schule verlassen hatte, kaum zur Kirche. Aber an diesem besagten Sonntag, dem Sonntag, nachdem mein Mais zu verschwinden begonnen hatte, sehnte ich mich nach den Spielen in der Sonntagsschule. Dringend brauchte ich das Lachen, den Leichtsinn und die Kameradschaft. Ich ging zum Fluss, wusch mich sorgfältig und zog mein gutes Kleid an, das nur unter den Achseln Löcher hatte, und dort auch nur, weil ich ihm entwachsen war. Ich schmierte mir eine Menge Vaseline auf Beine, Arme, Gesicht und Haar. Dann tat es mir um die Verschwendung leid, denn ich würde nur desto schneller schmutzig werden. Als ich meine alte Schule, Rutivi School, wo die Gottesdienste stattfanden, erreichte, hatten die Spiele schon begonnen. Die Mädchen spielten schon auf der Straße, wo man mit einem Stock Kästen in den Sand kratzen konnte, während die Jungen energisch einem Fußball aus Plastik und Zeitungen auf dem kaum begrasten Fußballfeld hinterherrannten. Die Mädchen freuten sich, mich zu sehen, mich wieder bei sich zu haben. Es war wie in alten Zeiten. Ich kam sofort an die Reihe.
„Wir denken an dich“, sagte Nyari, die meine beste Freundin gewesen war, während ich meinen Stein warf. „Besonders wenn Nhamo uns Mais gibt“, sagte sie mit einem Seufzer. „Es macht Spaß, ihn nach der Schule zu rösten. Wenn du nur hier wärst.“
Das Blut kribbelte unter meiner Haut. Verwirrt hüpfte ich in das Feld Nummer acht.
„Du bist raus“, sagte Chitsva. „Du hast nicht getroffen.“
„Nhamo hat dir Mais gegeben?“ fragte ich, mit einem Bein im Feld Nummer acht.
„Sehr oft“, bestätigte Nyari.
Später sagten sie mir, ich sei von dem pada-Spiel weggezischt wie ein Hund, der einem Bock hinterher ist. Ich erinnere mich noch, dass ich in einem Augenblick pada spielte, im nächsten mich schon mit Nhamo durch den Staub des Fußballfeldes wälzte, von einer Gruppe Gleichaltriger angefeuert. Sie sagten, ich sei direkt auf meinen Bruder losgegangen und hätte ihn zu Boden geworfen. Das Überraschungselement war auf meiner Seite. Ich saß auf ihm, schlug seinen Kopf auf den Boden, schrie und spuckte und fluchte. Nhamo richtete sich auf. Ich fiel von ihm ab. Er drückte mich zu Boden, ohne zu schlagen, hielt mich nur so, wieder ein boshaftes Funkeln im Auge. „Was ist mit dir los?“ sagte er lässig. „Bist du verrückt geworden?“ Die Menge lachte.
„Wieso quatschen?“ rief ein Fußballer. „Einfach hauen. Das begreifen sie.“
Ich zischte und spuckte und schrie und fluchte weiter, befreite mich tretend und wich in die Menge zurück, die sich spaltete, um mich durchzulassen. Ich ging wieder auf ihn los, diesmal mit der Absicht zu töten, und zappelte plötzlich am Ende des Armes eines Erwachsenen in der Luft.
Mr. Matimba war über alle sehr verärgert. „Ich schäme mich für euch“, rief er über meine Schreie hinweg, „für euch alle. Nhamo, wenn du mit deiner Schwester raufst, wer wird sich um sie kümmern? Und du, Tambudzai, du musst dich besser benehmen. Ihr anderen, ihr steht herum und klatscht, als sei das ein Fußballspiel. Was ist mit euch los?“
„Sie hat angefangen“, sagte Nhamo träge und vorsichtig.
„Ja“, riefen die anderen im Einklang. „Sie hat angegriffen. Wir haben’s gesehen. Sie griff einfach so an.“
Ich schrie meine Gründe heraus, aus voller Lunge.
„Was sagt sie?“ fragte Nyari, die sehr ernsthaft blickte. „Möchte sie Mais haben?“
„Wenn ich noch einmal so etwas sehe“, fuhr Mr. Matimba fort, „werde ich euch schlagen, jeden einzelnen von euch. Der Stock wird euch allen die Beine brechen. Geht jetzt, alle. Die Sonntagsschule ist aus.“ Sie verzogen sich; Mr. Matimba war bekannt dafür, keine leeren Drohungen auszusprechen. „Und du, Kind“, sagte er streng, „was hat dich bewogen, so eine Szene zu verursachen?“
Eine warme Flüssigkeit rann mir das Bein hinab. Es wäre möglich gewesen, dass ich in die Hose gemacht hatte, aber es war rot und klebrig an der Außenseite des Beins und nicht farblos und wässrig an der Innenseite. Ich fühlte die Schnittwunde nicht. Tränen ohnmächtiger Wut drohten hervorzubrechen. Ich blinzelte sie weg und erklärte Mr. Matimba, dass Nhamo meinen Mais gestohlen hatte.
„Was für einen Mais denn?“ fragte Mr. Matimba geduldig, wenn auch etwas verwirrt. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte; dass ich im folgenden Jahr zur Schule zurückkehren wollte, dass ich das Geld mit dem Verkauf meiner Ernte verdienen wollte. Mr. Matimba hörte aufmerksam zu. An einem Punkt während meiner Rede, die lang und unzusammenhängend war und Mr. Matimba ständig zu Fragen zwang, fingen wir an, um das Fußballfeld herumzugehen. Mr. Matimba hörte angestrengt zu, neigte sich mir mit seinem ganzen Wesen zu; und ich sprach zu ihm wie zu einem anderen Menschen und nicht wie zu einem Erwachsenen oder einem Lehrer. Ich spürte meine Kräfte wiederkehren.
„Du würdest besser fahren, wenn du sie grün verkaufst“, schlug Mr. Matimba vor, als ich fertig war. „Es würde dir mehr einbringen.“
„Aber es hat doch jeder grünen Mais zu essen“, widersprach ich. „Was! Sie meinen, ich sollte zur Bushaltestelle gehen?“
„Das ist eine Möglichkeit“, antwortete Mr. Matimba, „aber ich dachte, du solltest sie an die Weißen verkaufen. Wenn die Kolben dick sind, zahlen sie bis zu Sixpence das Stück.“
Ich glaubte ihm nicht. Niemand hatte soviel Geld, nicht einmal Babamukuru.
„Wenn du deine grünen Maiskolben in die Stadt bringst“, fuhr Mr. Matimba fort, „könntest du vielleicht genug Geld für die Gebühren mehrerer Trimester zusammenkriegen. Danach müssen wir weitersehen.“
„Aber wie soll ich in die Stadt kommen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde meinen Mais zur magrosa tragen.“
„Vielleicht musst du das nicht“, sagte Mr. Matimba mit einem verschwörerischen Lächeln. „Dienstags fahre ich mit dem Schulbus in die Stadt, um Schulangelegenheiten zu erledigen. Wenn du am Dienstag um elf Uhr zu meinem Haus kommen könntest, bringe ich dich hin, und wir werden sehen, was sich machen lässt. Aber vergiss nicht, deinen Vater um Erlaubnis zu fragen.“
Mein Vater sagte, Mr. Matimba mische sich in Angelegenheiten ein, die ihn nichts angingen. „Glaubt er denn, er ist dein Vater?“ brauste er auf. „Nur weil er mehr Buchstaben als ich gefressen hat, glaubt er, er kann über meine Kinder bestimmen. Und du, du glaubst, er ist besser als ich. Er braucht jemanden, der in seinem Garten arbeitet – das will er. Ich verbiete dir hinzugehen.“
„Aber ich muss den Mais verkaufen“, beharrte ich.
„Hattest du etwa die ganze Zeit vor, ihn in der Stadt zu verkaufen, he? Ist es so?“ fragte mein Vater verletzend sarkastisch. „Ma’Shingayi“, befahl er meiner Mutter, „sag diesem deinem Kind, es kann nicht in die Stadt mit diesem Mann.“
„Und wieso sollte ich so was sagen?“ fragte meine Mutter. „Das Mädchen muss eine Chance haben, etwas für sich zu tun, allein zu scheitern. Meinst du, ich hätte ihr nicht gesagt, dass ihre Bemühungen nichts fruchten werden? Du kennst deine Tochter. Sie ist eigensinnig und dickköpfig. Sie will nicht auf mich hören. Ich bin es satt, ihr Sachen zu sagen, auf die sie nicht hört“, jammerte sie. „Sie muss diese Dinge selbst einsehen. Wenn du es ihr verbietest, wird sie immer glauben, du hast sie davon abgehalten, sich selbst zu helfen“, fuhr sie fort, mit wiedergewonnener Orientierung.