Vom Angsthasen zum Liebesküken. Luna Lavesis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Luna Lavesis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783906212876
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ZAUBERWOLF

       UNTER DEM DECKMANTEL DER EISESKÄLTE

       CRAZY

       TEIL 4: GLAUBE VERSETZT BERGE

       SPAZIERGANG MIT JESUS

       VON DER TIEFKÜHLTRUHE IN DIE SAUNA

       MEINE WELT SIND DIE BERGE

       VORAUSSICHTLICHE WUNDER-LIEFERUNG: 14:50 UHR

       VERTRAUE!

       TAGESAUSFLUG MIT ENGEL IM GEPÄCK

       TRAUM-MANN ZUM SELBERBACKEN

       CODEWORTE: PIZZA MIT SARDELLEN

       ENTWICKLE DEINE MEDIALITÄT!

       DANKSAGUNG

      PROLOG

      DAS SCHAF IN DER HERDE

      Ich stamme aus einer ganz normalen Familie. Einer Bilderbuchfamilie. So haben mir es mir meine Freunde und Bekannten oft rückgemeldet. „Für mich seid Ihr der Innbegriff der perfekten Familie“, sagte einmal mein bester Freund Alim zu mir. Und er hatte recht: Es war und ist die perfekte Familie für mich. Ich habe sie mir ausgesucht. Wie recht er hatte, wird mir erst jetzt bewusst, nachdem ich aus dem Schlaf erwacht und aus dem Dasein des angepassten Schafes ausgebrochen bin, den rebellischen Löwen in mir entdeckt habe und allmählich wieder zum Kind werde.

      Ich liebe mein Leben. Ich liebe das neue Bewusstsein, mit dem ich die zahlreichen Wunder beobachte, die tagtäglich in meinem Leben geschehen. Es ist dasselbe Bewusstsein, mit dem ich mir meine Traurigkeit und meine Wut anschaue, die ich nach wie vor fühlen darf, aber nicht mehr wegdrücke, als gäbe es sie nicht. Die Wellen kommen und gehen nach wie vor, aber die Wogen werden sanfter und ich genieße die Parade des Lebens jeden Tag – ob im Tal oder auf dem Gipfel.

      Ich möchte meine Geschichte teilen. Es ist eine Geschichte, die in Millionen Menschen auf der Welt Resonanz finden müsste – nicht, weil ich eine solch geniale Autorin wäre, sondern weil ich kein Einzelfall bin. Laut Statistik teile ich mein Schicksal mit jeder fünften Frau – von der Dunkelziffer und den betroffenen Männern einmal ganz abgesehen. Wenn ich meinen Blick innerlich durch das Kollegium schweifen lasse, in dem ich zuletzt als Lehrerin tätig war, müssten hier mindestens noch fünf weitere Frauen Ähnliches erlebt haben. Vielleicht wissen sie es. Vielleicht haben sie ihre traumatischen Erfahrungen aber auch in das limbische Gehirn verbannt, um zu überleben, um nie wieder mit den schmerzlichen Erinnerungen konfrontiert zu werden und um im Alltag funktionieren zu können. So wie ich, die ich mit dieser inneren Abspaltung als angepasstes, braves und zielorientiertes Mädchen die Grundschul- und Gymnasialzeit durchlaufen, das Abitur bestanden und ein Studium als Grund- und Hauptschullehrerin in der Regelstudienzeit absolviert habe. Im selben Modus schloss ich ein Magisterstudium in Englischer Fachdidaktik an (für den Fall, dass ich später einmal lieber in der Hochschule dozieren statt mit Kindern arbeiten wollen würde), brachte mein Erstes und Zweites Staatsexamen mit einer Eins vorm Komma zum Abschluss und genoss vier Jahre als frischgebackene Lehrerin an einer ländlichen Dorfgrundschule großes Ansehen bei Schülern, Eltern und Kollegen. Im selben Modus pflegte ich langjährige Partnerschaften, aus der letzten ging sogar eine neu erbaute Doppelhaushälfte hervor. Der Maler hatte sogar schon das zukünftige Kinderzimmer mit einer grünen Wiese versehen, auf die ich nur noch die Schäfchen hätte aufkleben müssen, vorausgesetzt ich hätte selbst das Leben des angepassten Schafes in der Herde weitergeführt.

      Mein Leben entsprach dem märchenhaften Dasein der grimm’schen Prinzessin, bevor ihr die goldene Kugel aus der Hand und in den Brunnen fällt. Doch meine Friede-Freude-Eierkuchen-Welt geriet ins Wanken, als ich mich entschied, nach dem Einzug in das Haus meines Froschkönigs nach einer neuen Schule Ausschau zu halten, um die Kilometerzahl meines täglichen Fahrtweges zu reduzieren. Nachdem ich einen Versetzungsantrag gestellt hatte, telefonierte ich eine Liste von Schulen in der Umgebung ab, stellte mich hier und dort vor und freute mich, als sich die Leitung einer Grundschule, in der das Gespräch besonders sympathisch verlaufen war, dafür einsetzte, das Oberschulamt von dem Bedarf an meiner Person im kommenden Schuljahr zu überzeugen. Es war die Grundschule einer 10.000 Einwohner starken Gemeinde, die mir aus meiner Kindheit wohlvertraut war: der Wohnort meiner Großeltern und eines Teils meiner Verwandtschaft, in dem ich mit drei meiner zweieinhalb Jahre jüngeren Vierlingsgeschwister viel Zeit verbracht hatte. Alles schien wie am Schnürchen zu laufen, doch mit dem Umzug und dem Schulwechsel begann mein Leben aus unerfindlichen Gründen plötzlich anstrengend zu werden …

      Ich saß immer häufiger in unserem noch spärlich eingerichteten Esszimmer über den Aufsätzen meiner dreißig Schüler und fragte mich, warum mir die Korrekturen nicht mehr so leicht von der Hand gingen wie zuvor. Tests und Klassenarbeiten in den Haupt- und Nebenfächern fielen permanent an und nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass die Unterrichtsvorbereitungen immer häufiger in die späten Abendstunden verschoben werden mussten, die ich doch viel lieber mit dem Mann verbracht hätte, mit dem ich meine neue Residenz teilte. Ich begann mich allmählich nach mehr Freizeit und Erholung zu sehnen, doch bald schon lösten wiederkehrende Heulkrämpfe und Nervenzusammenbrüche über Stapeln von Reizwortgeschichten meine frühere Leidenschaft und Freude an meinem Beruf ab. Meine ausgebrannten Körperzellen reagierten heftig darauf, über keinerlei Energie mehr zu verfügen, wie es schien. Ich ließ mich von einem Arzt krankschreiben, überzeugt davon, dass eine kleine Atempause für die nötige Regeneration sorgen würde.

      Die gewonnene Zeit nutzte ich für Waldspaziergänge, geführte Audio-Meditationen für ein schöneres Leben und das Sammeln von Ideen für die Tischdekoration meiner bevorstehenden Hochzeit. Auf meinen regelmäßigen Fußmärschen lächelte ich bewusst schon von Weitem entgegenkommende Wanderer an und freute mich wie ein Schneekönig, wenn sie zurücklächelten. In unserer Doppelhaushälfte klebten auf dem Badspiegel, an der Kaffeemaschine und auch sonst in allen Räumen verteilt gelbe Punkte, die mich an schöne Erlebnisse aus meiner Vergangenheit erinnern und in eine positive Stimmung versetzen sollten. Diese und andere Tipps hatte ich aus einem Selbsthilfe-Ratgeber mit Praxis-CD entnommen, welcher mir auf dem Verkaufstisch einer Buchhandlung in der Nähe meiner Therapeutin förmlich entgegengesprungen war, weil der Titel versprach, die Leser glücklich zu machen.

      Wenn ich nicht gerade mit einer der Aktivitäten beschäftigt war, die auf meiner Liste für mehr Lebensfreude standen – die Liste war eine Hausaufgabe aus meiner ersten Therapiesitzung gewesen –, unterzog ich mich angeleiteten Hypnose-Übungen, um mein Unterbewusstsein umzuprogrammieren. Hätte ich damals gewusst, dass meine „Reise ins Glück“ unter anderem einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik bedeuten würde, hätte ich das Buch inclusive CD wahrscheinlich links liegen lassen. Heute weiß ich, dass die radikale Richtungsänderung, die ab diesem Tiefpunkt einsetzte, ein großer Segen war und mich aus einem langen Schlaf erwachen ließ. Schritt für Schritt wurde mir bewusst, dass meine gesamte Weltanschauung von Familie, Schule und Gesellschaft geprägt worden war. Ich erkannte, dass das Bild, das ich von mir selbst hatte, nicht meiner eigenen Erfahrung entsprungen, sondern durch die Meinung anderer entstanden