Seewölfe Paket 10. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394999
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Tod bedeutet.

      „Keinen Schritt weiter!“ schrie Charangu mit sich überschlagender Stimme. Sein Gesicht war in ohnmächtiger Wut verzerrt. Das fahle Mondlicht verursachte häßliche Schatten unter seinen funkelnden Augen und in den Mundwinkeln.

      Die Spitze des Krummdolches erreichte Moanas Brust unter dem dünnen Stoff, mit dem sie bekleidet war.

      Das Mädchen stieß einen gurgelnden Laut aus. Unter dem harten Griff des Inders wurde ihre Atemluft knapp.

      Hasard verharrte.

      „Tut, was er sagt“, befahl er seinen Begleitern laut und vernehmlich. „Rührt euch nicht vom Fleck!“ Er verfluchte die Tatsache, daß er seinen Drehling nicht gezogen hatte. Mit einem gezielten Schuß hätte er es schaffen können, Charangu außer Gefecht zu setzen, bevor er das Mädchen verletzen konnte.

      „So ist es gut!“ schrie der Inder höhnisch. „Und jetzt werdet ihr eure Waffen fallen lassen. Einer nach dem anderen. Und dann …“

      „Charangu“, unterbrach der Seewolf ihn beinahe beschwörend, „können Sie nicht begreifen, daß es keinen Sinn mehr hat? Haben Sie nicht gehört, was sich da unten vor der Insel abgespielt hat?“

      „Ich bin nicht taub!“ schrie der Inder mit sich überschlagender Stimme. „Aber ihr werdet mir freies Geleit verschaffen. Wenn nicht, muß das Mädchen sterben.“

      „Freies Geleit – wohin?“ entgegnete Hasard ruhig.

      Charangu lachte unnatürlich und schrill.

      „Das möchtest du gern wissen, Engländer, stimmt’s? Aber ich werde es dir nicht verraten, weil ich genug habe von deinen widerwärtigen Tricks. Und nun Schluß mit dem Gerede! Die Waffen weg!“

      Der Seewolf nickte, und es sah fast gelassen aus. Daß er innerlich bis zum Zerreißen angespannt war, konnte man ihm nicht ansehen.

      „Batuti“, sagte er, „du machst den Anfang. Tritt vor, damit es unser Freund Charangu deutlich sehen kann.“

      „Aye, aye, Sir.“ Batuti war im Begriff, der Anordnung zu folgen.

      „Halt!“ schrie der Inder. „So nicht! Ich habe nicht gesagt, daß …“

      Was er noch sagen wollte, blieb ihm im Hals stecken.

      Hasard nutzte die momentane Verwirrung.

      Mit einem pantherhaften Satz schnellte er auf den Inder los.

      Und Charangu überwand seine Schrecksekunde nicht schnell genug.

      Der Seewolf brauchte nur einen Sekundenbruchteil, um Charangu zu erreichen. Zielsicher packte er das Handgelenk mit dem Krummdolch und riß es mit eisenhartem Ruck zur Seite.

      Moana schrie gellend auf.

      Charangu brüllte vor Schreck und Schmerz zugleich. Unter dem Anprall des Seewolfs geriet er ins Taumeln und lockerte ungewollt den Griff um Moanas Hals.

      Mit versiegendem Schrei sank das Mädchen zu Boden.

      Hinter ihr schlugen Charangu und der Seewolf der Länge nach hin.

      Blitzartig war Dan O’Flynn zur Stelle, packte Moana, zog sie auf die Beine und hastete mit ihr aus der Gefahrenzone.

      Für einen Moment hatte Hasard den Inder unter sich begraben. Hasards Rechte hielt noch immer den Messerarm. Charangu versuchte, sich aus dem Griff zu entwinden. Der Klingenstahl des Krummdolchs schabte über den felsigen Untergrund.

      Mit jähem Ruck richtete sich Hasard halb auf, riß Charangus Arm hoch und drehte ihn nach hinten.

      Der Inder stieß einen markerschütternden Schmerzensschrei aus.

      Klirrend fiel der Krummdolch zu Boden.

      Hasard stieß sich von dem Turbanmann ab und richtete sich auf. Nur zwei Schritte wich er zurück.

      Charangus Schrei ging in ein Stöhnen über. Mit der unversehrten Rechten hielt er sich den schmerzenden linken Arm. Er dachte nicht mehr an den Krummdolch und versuchte nicht, ihn aufzuheben. Mühevoll beugte er sich vor, stützte sich ab und gelangte torkelnd auf die Beine.

      Minutenlang stand er schwankend da. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er den Seewolf an. Nach und nach wurde die Körperhaltung des Inders ruhiger.

      Hasard wartete ab. Auch die Männer hinter ihm gaben keinen Ton von sich.

      Der Geschützdonner war endgültig verstummt. Die Stille, die über der Insel lastete, hatte etwas Unnatürliches.

      „Geben Sie auf, Charangu“, sagte der Seewolf ruhig, „es hat keinen Sinn mehr.“

      Jäh verzerrte sich das Gesicht des Inders wieder zu einer haßverzerrten Fratze. Sein linker Arm hing kraftlos nach unten.

      Er stieß einen wilden Wutschrei aus, riß die Rechte mit dem Eisenreif hoch und stürmte ohne erkennbaren Ansatz auf den Seewolf los.

      Für Hasard war der Angriff überraschend. Doch reaktionsschnell duckte er sich unter dem sausenden Hieb. Charangus Handgelenk mit dem Eisenreif zischte haarscharf an seinem Kopf vorbei.

      Aus der Bewegung heraus schnellte Hasard hoch und schmetterte die Fäuste vor den Brustkorb des Inders.

      Charangu schrie wieder auf und wurde zurückgeschleudert. Mit den Armen rudernd, versuchte er, sein Gleichgewicht zu halten. Er geriet ins Stolpern und wurde durch seinen eigenen Körperdrall zu immer kleineren Rückwärtsschritten gezwungen.

      Hasard erstarrte. Einen Atemzug lang glaubte er, sein Herzschlag setze aus.

      Dann schnellte er vorwärts und versuchte, den Inder zu packen.

      Zu spät.

      Die Fäuste des Seewolfs griffen ins Leere.

      Charangu kippte hintenüber. Aber es war kein Boden mehr unter ihm, der seinen Fall aufhielt.

      Weit hallend und schrill ertönte sein Todesschrei, als er über den Rand des Kraters stürzte.

      Der Schrei schien nicht enden zu wollen.

      Starr vor Entsetzen standen Hasard und seine Männer am Rand des Vulkantrichters. In der Tiefe verschmolz der Schatten des Inders mit der Dunkelheit. Weit unten loderte eine hellrote Glut, unerreichbar tief.

      Der Schrei versiegte.

      Erst jetzt sahen die Männer, wie groß der Krater war – mehr als zweihundert Yards im Durchmesser.

      Schweigend wandten sie sich ab. Dan O’Flynn hielt das zitternde Mädchen in seinen Armen.

      Keiner von ihnen sprach ein Wort, als sie sich schon auf dem Abstieg zur Ostseite der Insel befanden. Ihnen, den hartgesottenen Männern der „Isabella“, schnürte das Grauen noch immer die Kehle zu. Schon von weitem sahen sie, was vor der östlichen Lagune geschehen sein mußte.

      10.

      Das vulkanische Gestein reichte an dieser Seite der Insel bis an den Strand. Offensichtlich hatte die Lava bei Vulkanausbrüchen vor langen Jahren alle Vegetation unter sich erstickt und sich immer weiter auf den Strand zugeschoben.

      Hasard und seine kleine Gruppe erreichten den Strand im Laufschritt. Moana hatte sich rasch wieder erholt. Ihr Körper war äußerst widerstandsfähig, was sie zweifellos der anstrengenden Arbeit als Taucherin verdankte. Und die Bewegung half ihr, den Schock zu überwinden.

      Eine Gruppe von Männern erwartete den Seewolf und die anderen am Ufer. Ein Beiboot, das von der „Isabella“ stammte, war an Land gezogen worden. Ein kleineres Boot, das verwittert und verkommen aussah, lag noch im seichten Wasser, mit dem Kiel auf Grund.

      Hasard verlangsamte seine Schritte. Schon von weitem hatte er die Szenerie überblickt, die sich draußen, vor dem Riff, deutlich im Mondlicht abzeichnete.

      Ein Zweimaster, der als solcher nur noch durch zwei Stummel zu erkennen war, lag mit beträchtlicher