Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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die Neunschwänzige sauste auf einen Rücken nieder. Der Kerl jaulte auf, bog das Kreuz durch und riß heftiger an dem Schwengel.

      Broz lachte höhnisch. „Na also! Du wolltest mogeln, du stinkende Laus! Du tust nur so, als ob du pumpst, in Wirklichkeit ruhst du dich aus und läßt die anderen schuften, du Schweinehund!“

      „Nein!“ schrie der Kerl. „Das stimmt nicht …“

      Ein neuer Peitschenhieb ließ ihn aufstöhnend verstummen.

      „Wolltest du Widerreden führen, Brüderchen?“ fragte Broz gefährlich leise und mit einem Lauern in den verschlagenen Augen. „Wolltest du Väterchen Broz Lügen strafen?“

      „Nein“, quetschte der Kerl heraus und pumpte noch hastiger, womit er seinen Nebenmann am selben Querholm des Pumpenschwengels zwang, sein Tempo mitzuhalten.

      Der hielt aber nicht mit, und so fand der Schinder ein neues Opfer für seine Neunschwänzige. Der Kerl hieß Pjotr. Er hatte einen Stiernacken, war untersetzt und konnte sich mit seinen langen Armen die Kniekehlen kratzen. Im Gegensatz zu seinem Nebenmann jaulte er nicht, sondern stierte Broz nur tückisch aus blutunterlaufenen Augen an.

      „Wirst du wohl!“ fauchte Broz ihn an und hob die Neunschwänzige zum zweiten Hieb.

      Mit einem dumpfen Knurren sprang ihn der Stiernackige an, entriß ihm die Peitsche, holte aus und zog ihm die Riemen quer über die Totenkopfvisage. Broz schrie gellend auf und taumelte zurück, die Hände vorm Gesicht.

      Der Stiernackige setzte nach.

      Ein Schuß krachte. Der Stiernackige bäumte sich auf, stand ein paar Sekunden in fast tänzerischer Pose da und brach dann wie vom Blitz getroffen zusammen. Auf seinem Rücken breitete sich ein Blutfleck aus.

      Igor Samoilow pustete den Pulverrauch von der Mündung seiner Pistole – die hatte er sich in Varna noch besorgt – und sagte roh: „Schmeißt ihn über Bord!“

      Zwei von den momentanen Freiwächtern beeilten sich, diesen Befehl auszuführen. Ein dritter sprang auf den Wink Samoilows hin zur Pumpe und übernahm den Platz von Pjotr. Den kippten die beiden Freiwächter übers Schanzkleid, als handhabten sie einen Abfallkübel. Er klatschte ins Wasser. Ob er unterging oder achteraus trieb, das interessierte niemanden in dieser Horde abgestumpfter Strolche. Die beiden Freiwächter hatten noch nicht einmal untersucht, ob der Schuß in den Rücken tödlich gewesen war.

      „Broz, du bist ein blöder Hund“, sagte Igor Samoilow träge. „Wiederhole das!“

      Die Totenkopfvisage glühte, aber das hing mit den aufgequollenen Striemen zusammen, die quer über das Gesicht des Steuermanns verliefen.

      „Ich – ich bin ein blöder Hund“, murmelte Broz.

      „Du bist ein selten blöder Hund“, korrigierte Igor Samoilow seine erste Feststellung.

      Es klappte auch ohne Aufforderung.

      „Ich bin ein selten blöder Hund“, wiederholte Broz.

      „Sehr schön, du selten blöder Hund“, sagte Igor Samoilow. „Und jetzt kümmere dich um deine Arbeit, die Scheißkerle faulenzen schon wieder. Denken wohl, das sei ’ne Lustfahrt bei Mondenschein.“

      „Jawohl, Kapitän“, sagte Broz und hob hastig seine Neunschwänzige auf.

      „Vergiß nicht, Broz“, sagte Igor Samoilow in seiner trägen Art, die aber trügerisch war, „vergiß nicht, daß es deine Schuld war, wenn ich den Dummkopf erschießen mußte. Wessen Schuld war es?“

      „Meine Schuld, Kapitän.“

      „Eigentlich hast du ihn erschossen, nicht wahr?“

      „Ja, ich habe ihn erschossen.“

      Igor Samoilow musterte seinen Steuermann aus kalten Augen. „Sage mir, Broz, wie kommst du dazu, einfach einen von diesen stinkenden Kerlen zu erschießen? Was hast du dir gedacht? Meinst du, daß wir zu viele stinkende Kerle an Bord haben, Broz? Meinst du das?“

      „N-nein, Kapitän“, stammelte Broz.

      „Was heißt das?“

      „W-wir haben nicht zu viele stinkende Kerle a-an Bord, Kapitän.“

      „Und warum erschießt du dann einen?“ brüllte Igor Samoilow. „Soll ich dich auspeitschen, du Hurensohn? Komm her und putz meine Stiefel!“

      Zitternd näherte sich Broz seinem Kapitän, wissend, daß dessen Launen und Reaktionen so unberechenbar waren wie Blitz aus heiterem Himmel.

      „Zieh dein Hemd aus, Broz“, sagte Igor Samoilow. „Oder womit willst du meine Stiefel putzen?“

      „Na-natürlich mit meinem Hemd, Kapitän“, sagte Broz und zog es schleunigst aus.

      Und dann kniete er nieder und putzte seinem Kapitän die Stiefel.

      Igor Samoilow schaute mit einem zynischen Grinsen auf ihn hinunter und sagte: „Weil du einen meiner besten Leute erschossen hast, wirst du jeden Abend meine Stiefel putzen, Broz. Ferner wirst du dem englischen Kapitän, diesem Bastard, die Kehle durchschneiden, wenn wir unsere Dubas zurückerobern. Hast du verstanden, du blöder Hund?“

      „Jawohl, Kapitän, ich soll jeden Abend deine Stiefel putzen und dem englischen Kapitän, diesem Bastard, die Kehle durchschneiden, wenn wir unsere Dubas zurückerobern.“

      „Sehr gut. Wann schaffst du dir eine neue Nase an, Broz? Du siehst ohne beschissen aus.“

      Broz war zusammengezuckt. Kein Mensch – außer Igor Samoilow – hätte diese Beleidigung länger als fünf Sekunden überlebt. Igor Samoilow wußte das. Er erinnerte sich an mindestens sieben Kerle, die sich über die fehlende Nase mokiert hatten. Danach waren sie tot gewesen. Broz benutzte ein Stilett, und er traf mit tödlicher Präzision.

      „Man kann sich keine neuen Nasen anschaffen, Kapitän“, sagte Broz gepreßt.

      „Man muß nur wollen, Broz“, sagte Igor Samoilow, „aber ich fürchte, du willst nicht. Du brauchtest dir zum Beispiel nur einen Kerzenstummel in das Loch zu stecken – und fertig ist die neue Nase. Wie findest du das?“

      „Ich werde es versuchen, Kapitän“, sagte Broz heiser.

      „Bedankst du dich gar nicht für meine gute Idee, Broz?“

      „Ich bedanke mich, Kapitän“, flüsterte Broz.

      „Ich mich auch für das Schuheputzen, Broz“, sagte Igor Samoilow. Und damit erhielt der Steuermann einen Tritt in den Hintern, der ihn bis zur ersten Pumpe beförderte.

      Die lecke Dubas lief zwei Stunden nach Mitternacht in den Hafen von Burgas ein, und die Kerle johlten wie die Irren, als sie ihre Dubas an dem Bohlensteg entdeckten. Von Strategie und Taktik konnte da keine Rede sein. Sie beherrschten eh nur die Holzhammermethode und knüppelten mit roher Gewalt drauflos. Die Prügel, die sie von den Seewölfen bezogen hatten, waren in ihren dumpfen Gehirnen bereits vergessen. In diesen Gehirnen hatte nur ein Gedanke Platz: Rache!

      Dieser Gedanke hatte in ihnen gebohrt und gefressen, seit sie hatten pumpen müssen. Allerdings hatte ihr genialer Kapitän dabei übersehen, daß ihnen die Pumperei das Mark aus den Knochen sog. Das Feuer der Rache, das in ihnen brannte, war ein Strohfeuer, das verpuffen würde, wenn’s zur Sache ging. Sie waren weiter nichts als Papiertiger. Sie konnten laut brüllen, aber ihre Prankenhiebe hatten keine Schärfe.

      Nach der Holzhammermethode handelte Igor Samoilow. Er nahm einen Nebensteg aufs Korn und jagte die Dubas mit voller Fahrt hinein. Pfähle brachen weg, Stegbretter barsten kreischend auseinander, Splitter wirbelten durch die Luft, der Fockmast krachte weg und erschlug einen Mann, und in einem Trümmerhaufen blieb der Zweimaster stecken.

      Die Kerle lachten sich halbtot über den Spaß. Sie wühlten sich durch die Trümmer und kletterten auf den Reststeg. Von dort stürmten sie grölend an Land und hinüber zu dem Steg, an dem ihre Dubas lag.

      Daß sie