Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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herüber.

      Der Hafenkapitän starrte entgeistert.

      „Mit bloßen Fäusten“, murmelte er, „o Allah, wenn das nur gutgeht! Was für tapfere Männer!“

      Und er rückte mit dreißig bis an die Zähne bewaffneten Milizsoldaten langsam und vorsichtig hinter den „tapferen Männern“ her.

      Der Totenkopfmann Broz hatte sich doch um seinen Kapitän gekümmert, allerdings auf seine Art. Jene, von denen er einmal wegen seiner abgeschnittenen Nase verhöhnt und beleidigt worden war, hatten das nur fünf Sekunden überlebt. Seinem Kapitän ließ er etwas mehr Zeit. Er mußte sich auch Mut ansaufen, und das tat er ausgiebig. Und dabei dachte er an den Kerzenstummel, den er sich in das Nasenloch stecken sollte.

      Stecken schon, aber was anderes einem anderen!

      Und so war er wieder an Deck erschienen, hatte sich hinter seinen Kapitän geschlichen und ihm das Stilett in den Rücken gerammt. Dort ließ er es stecken und hüpfte kichernd um den Toten herum, der verkrümmt auf dem Bauch lag, das Stilett aus dem Rücken ragend.

      Er fand das sehr hübsch, dieser Broz. Er fand, daß es so aussah, als habe sein Kapitän die Nase auf dem Rücken. Eine lange Nase aus einem Hirschhorngriff. Und dann torkelte Broz wieder hinunter in den Proviantraum.

      So fanden die Arwenacks zuerst den toten Igor Samoilow, den Schrecken der Küste, mit einem Stilett im Kreuz, und sie wunderten sich.

      Sonst war alles fast wie beim erstenmal, als sie die Dubas in Varna geentert und die total bezechten Rabauken aus den Unterdecksräumen geholt hatten. Sie hätten sie gern wieder ins Wasser geworfen, aber besser war, daß die Kerle hinter Schloß und Riegel gebracht wurden, bevor sie neue Untaten begingen.

      Die Arwenacks bildeten eine Kette, deren Anfang – wie konnte es anders sein! – der Profos Edwin Carberry übernahm. Ihm zur Seite stand Ferris Tucker. Sie bauten sich an dem Schott zum Proviantraum auf und langten sich die Kerle einzeln, wie sie gerade in ihre Nähe gerieten.

      „Nur nicht drängeln“, sagte der Profos freundlich, zog einen taumelnden und schielenden Kerl zu sich heran und schlug ihm die Faust aufs Haupt. Das stauchte dem Kerl den Kopf zwischen die Schulterblätter, und er schielte noch mehr.

      „Flasche“, murmelte der Profos und reichte den Schieler weiter. Batuti nahm ihn in Empfang, dann Smoky, Stenmark und so fort.

      Und jeder der Arwenacks stupste ein bißchen an dem Schieler und seinen Nachfolgern herum. Nicht daß sie die Kerle etwa mißhandelten – bewahre! Nein, nein, das war nicht ihre Art. Aber besonders zärtlich waren sie zu den Rabauken auch nicht. Das hätten die wohlmöglich als Verbrüderung aufgefaßt.

      Also, sie stutzten sie auf ein vernünftiges Maß zurecht, soweit das bei diesen bezechten Lümmeln überhaupt möglich war.

      Natürlich, wer frech wurde, kriegte was aufs Maul, und das nicht zu knapp.

      Da war einer, der den Profos mit dem Messer pieken wollte und ihn dumm anlaberte. Zwar verstand der Profos nicht, was der Kerl zu ihm sagte, aber nach „Süüßer, gib Küüßchen!“ klang das nicht.

      „Du kannst mich mal“, sagte der Profos, schlug ihm die Handkante aufs Gelenk der Messerhand, kickte das entfallene Messer weg und schob dem Lümmel die Faust unters Kinn. Der flog gleich bis zu Stenmark, so daß Batuti und Smoky Arbeitspause hatten.

      Ferris war nicht minder in Aktion, natürlich ohne Zimmermannsaxt, aber seine Fäuste waren auch nicht ohne. Allmählich leerte sich der Proviantraum – und oben auf dem Steg stapelten sich die Rabauken. Die Milizsoldaten und ihr Kommandant staunten Bauklötzer und glaubten zu träumen.

      Carberry und Ferris Tucker betraten den Proviantraum und schauten sich kopfschüttelnd um.

      In einer Ecke schnarchten zwei Kerle. Unter einem Faß lag der Totenkopfmann und drehte den Zapfhahn auf und zu. Er lag mit dem Maul genau unter dem Hahn und brauchte nur zu schlucken.

      Carberry war zutiefst erschüttert.

      „Hast du so was schon mal gesehen, Ferris?“ fragte er ächzend.

      „Der fühlt sich wie im Schlaraffenland“, sagte der rothaarige Riese grinsend und schob das Faß weg.

      Broz drehte in der Luft weiter den Zapfhahn auf und zu – analog öffnete und schloß sich sein Maul wie bei einem Karpfen auf dem Trockenen. Na ja, trocken war’s, es kam nichts mehr. Broz hatte schadhafte Zähne und glasige Augen. Er sah so unerfreulich aus wie vergammelte Hafergrütze. Daß nichts mehr floß und der Zapfhahn verschwunden war, merkte er nicht.

      Sie zogen ihn an den Füßen aus dem Proviantraum. Stehen konnte er nicht mehr, gehen schon gar nicht. Er war abgefüllt bis unter die Schädeldecke, sozusagen besoffen wie hundert Russen. Daß sie den Kerl auch noch von Bord tragen mußten, ergrimmte die Arwenacks.

      Dafür wurden die beiden Schnarcher, inzwischen von Carberry und Ferris Tucker hochgepurrt, von Bord geprügelt.

      Philip Hasard Killigrew erhielt, was er wünschte. Die Dankbarkeit des Selim Güngör kannte keine Grenzen. Und sie empfingen mehr als nur vier Wodkafässer. Der ausgelüftete und gesäuberte Proviantraum füllte sich mit den köstlichsten Lebensmitteln und den entsprechenden Getränken. Die Arwenacks brauchten keinen Nickel zu bezahlen.

      Und Hasard erfuhr, daß es unten im Süden, an die hundert Seemeilen von Burgas entfernt, einen Meereskanal gab, Bosporus genannt, der ins Marmara-Meer führte – und von dort ins Mittelmeer.

      Am Nachmittag des neuen Tages warfen sie die Leinen los und gingen auf Südkurs …

      ENDE

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       1.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, war sofort hellwach, als eine Hand seine Schulter berührte. Er schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht von Ben Brighton, seinem Ersten Offizier und Bootsmann.

      „Sir“, sagte Ben. „Dan hat eben etwas Interessantes entdeckt. Das schaust du dir am besten selbst an.“

      „Kriegen wir Ärger?“ Hasard erhob sich und trat auf das Deck der zweimastigen Dubas. Es war noch früher Morgen. Das Licht war blaß, graue Schleier lagen über der See.

      Die meisten der Männer waren auf den Beinen. Sie begrüßten ihren Kapitän. Dan O’Flynn, der ganz vorn am Bug stand, wies mit dem Zeigefinger voraus. Hasard ging zu ihm und spähte mit zusammengekniffenen Augen voraus.

      „Ein Schiff, Dan?“ fragte er.

      „Nein. Fällt dir nichts auf?“

      Seit die Mannen Burgas verlassen hatten, waren sie mit dem Zweimaster meistens unter Land gesegelt – zunächst auf südöstlichem Kurs, dann auf Kurs Ostsüdost. Für den Seewolf war es folglich nichts Neues, jetzt die Küste vor Augen zu haben. Sie zeichnete sich als dunkelgrauer Streifen an der Kimm ab. Sein Blick wanderte an dem Streifen entlang – und mit einemmal fixierte er einen bestimmten Punkt.

      „Da ist ein Einschnitt“, sagte er.

      „Genau das ist auch mir aufgefallen“, erwiderte Dan grinsend.

      „Eine Bucht?“

      „Nach einer Bucht sieht mir das nicht aus.“

      „Vielleicht ist es die Einfahrt zu einer größeren Bucht“, sagte Ben Brighton, der sich zu ihnen gesellt hatte.

      „Auch das glaube ich nicht“, entgegnete Dan. „Wir haben da etwas ganz anderes vor uns, nämlich die Verbindung zum Marmarameer, die uns Selim Güngör, der Hafenkapitän von Burgas, beschrieben hat. Ich müßte mich schon sehr täuschen, wenn sie nicht von Norden nach Süden verläuft.“

      „Der Bosporus“, sagte der Seewolf. „Hoffentlich behältst du recht, Dan. Wenn wir ihn durchsegeln,