Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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      „Und was ist mit der Narbe?“

      Der Hafenkommandant zuckte mit den Schultern. „Die hat eben nie jemand richtig bemerkt.“

      „Das glaubst du doch selbst nicht, Selim. Eine Narbe, die von der Stirn bis zur Wange reicht, die sieht man, die fällt auf. Du hast sie doch auch bemerkt!“

      „Ich bin eben ein scharfer Beobachter.“

      Der Dicke stieß zischend die Luft aus. „Mann, Mann, wenn wir bloß nicht die Falschen erwischt haben! Der Blonde mit den hellen Augen, der mit dem Hakenmann erschien, war sowieso schon ziemlich empört.“

      „Sie haben zwei Hakenmänner“, sagte der Hafenkommandant triumphierend. „Wo gibt’s denn so was! Doch nur bei einer Horde wüster Piraten! Und da ist noch ein Alter mit einem Holzbein – ein ganz wilder Kerl! Der hat so helle Augen wie der Blonde und mich angestarrt, als wolle er mir die Kehle durchschneiden!“

      Es nutzte nichts, Mehmed Kymet drang nicht durch, der Hafenkommandant blieb unbeirrbar.

      „Dann tue mir wenigstens einen Gefallen“, sagte der Dicke. „Laß ein schnelles Pferd satteln und einen deiner Soldaten nach Varna reiten. Er soll sich beim Hafenkapitän erkundigen, ob die Geschichte stimmt, die uns der Blonde erzählt hat. Es muß dort ein Kampf stattgefunden haben – vorausgesetzt, daß er nicht gelogen hat. Darüber muß der Hafenkapitän Bescheid wissen. Wenn wir die Kerle vor Gericht bringen, will ich sicher sein, daß es sich um die Samoilowbande handelt.“

      „Du mit deinen Zweifeln“, sagte Selim Güngör unwillig.

      „Willst du, daß Unschuldige geköpft werden?“ sagte der Dicke scharf.

      „Nein, natürlich nicht.“

      „Na also.“

      „Gut, gut, ich schicke einen Mann los, wenn es dich beruhigt.“

      „Sofort!“

      „Ja, sofort. Sei nicht so ungeduldig!“

      „Selim“, sagte der dicke Kymet, „du scheinst nicht richtig zu begreifen. Was meinst du wohl, was los ist, wenn die Männer an Bord der Dubas allmählich Verdacht schöpfen – was ich ihnen nicht verdenken kann – und nun ihrerseits vom Leder ziehen? Na? Was meinst du? Glaubst du, die lassen sich das bieten? Die nicht! Das sind Kämpfer. Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob deine Miliz dem etwas entgegenzusetzen hat. Wenn diese Männer mit der Samoilowbande aufgeräumt haben, was bisher noch keiner geschafft hat, dann solltest du jetzt um dich und deine Miliz zittern. Verstehst du mich?“

      „Ja“, sagte der Hafenkommandant und hatte es plötzlich sehr eilig, zu seiner Kommandantur zu gelangen.

      Mehmed Kymet starrte ihm nach, hatte feuchte Handflächen und das unbestimmte Gefühl, auf einem Pulverfaß zu sitzen. Und Selim Güngörs Plan, die Männer der Dubas in seinen Gewölben zu vereinnahmen, fand er gar nicht mehr so genial wie anfangs, als sie alles abgestimmt hatten.

      Daß es bisher geklappt hatte, besagte gar nichts. Nein, falsch, es besagte doch etwas! Sie hatten die Männer nur überrumpeln können, weil sie völlig arglos gewesen waren. Und seit wann kaufte ein Samoilow Proviant ein! Der kaufte nicht, der plünderte und raubte!

      Ja, bisher hatte Güngörs Plan geklappt. Doch das würde sich ändern. Das Verschwinden von elf Männern seiner Crew, das nahm kein Kapitän hin.

      Jetzt stand dem Dicken der Schweiß auch auf der Stirn.

      Er ließ das Hoftor verrammeln. Befehlsgemäß zog dort eine Wache der Miliz auf.

       7.

      „Der Hafenkapitän hat gerade seine Kommandantur betreten!“ meldete Gary Andrews, der als Posten auf dem Steg aufgezogen war.

      „Danke, Gary!“ rief Hasard. „Sonst was Auffälliges?“

      „Nein, Sir, alles ruhig.“

      „Alles ruhig, alles ruhig“, murmelte Hasard. Er marschierte auf dem Achterdeck hin und her und blieb vor Ben Brighton und Big Old Shane stehen, die am Schanzkleid lehnten. „Jetzt fehlen elf Mann! Seit der Kutscher mit seinem Trupp losgezogen ist, sind über fünf Stunden vergangen. Fünf Stunden, um Proviant einzukaufen! Das gibt’s doch gar nicht.“

      „War das vor einer halben Stunde ein Pistolenschuß, oder war das keiner?“ fragte Ben Brighton.

      „Und danach flatterte Sir John an Bord und führte sich ziemlich verrückt auf“, sagte Big Old Shane.

      „Beides kann einen Zusammenhang haben, muß aber nicht“, sagte Hasard. „Und was den Schuß betrifft – der klang ziemlich verzerrt und undeutlich. Vielleicht war’s gar kein Schuß.“

      „Sondern?“ fragte Ben Brighton.

      „Da kann irgendwo ein Kistendeckel zugekracht sein.“ Hasard nahm seinen Marsch wieder auf.

      „Wenn aber kein Kistendeckel zugekracht ist, dann war’s ein Schuß“, sagte Big Old Shane hinter ihm her.

      Hasard drehte sich um und rammte die Fäuste in die Hosentaschen. Dann schaukelte er auf den Fußballen.

      „Gut, dann war’s ein Schuß“, sagte er. „Und weiter? Hat der Schuß was zu bedeuten?“

      „Du stellst Fragen, die keiner von uns beantworten kann“, sagte Ben Brighton: „Du auch nicht.“

      „Soll das ein Vorwurf sein?“

      „Nein, aber allmählich werde ich nervös.“

      „Ausgerechnet du“, sagte Hasard.

      Er wandte den Kopf, denn das Holzbein pochte über die Planken. Old Donegal erschien. Hasard schaute ihn kurz an, zog die Hände aus den Hosentaschen und nahm erneut seine Wanderung auf, das heißt, er kehrte seinem Schwiegervater schlicht den Rücken zu.

      Old Donegal verzog keine Miene. Als Hasard zurückkehrte, sagte der Alte gelassen: „Vielleicht sollten wir Plymmie mit zwei, drei Mann an Land schicken.“

      Hasard hatte an ihm vorbeigehen wollen, blieb jetzt aber stehen, blickte ihn an und sagte knapp: „Nein!“

      „Und warum nicht?“

      „Weil ich jetzt zum Hafenkapitän gehe“, erwiderte Hasard, „darum.“

      „Davon rate ich dir ab“, sagte Old Donegal.

      „Ach ja? Hast du wieder deinen schwarzen Rappen gesehen?“

      „Daß Rappen schwarz sind, habe ich inzwischen kapiert“, erwiderte Old Donegal mit stoischer Ruhe, „und daß Ochsen stur sein sollen, hat sich auch herumgesprochen. Stur wie ein Ochse, sagt man dazu.“

      Hasards Augen waren schmal geworden. „Zu was sagt man das?“

      Old Donegal zuckte mit keiner Wimper. „Es soll Kapitäne geben, die stur wie Ochsen sind.“

      „Danke!“ schnappte Hasard.

      „Keine Ursache“, sagte Old Donegal. „Ich bin nur der Ansicht, daß das Verschwinden von elf Männern dieser Crew allmählich reicht. Daß diese elf Männer nicht irgendwo spazierengehen oder ihren Auftrag, Proviant einzukaufen, vergessen haben oder in einem Bums mit Weibern herumturteln, das dürfte inzwischen ja wohl klar sein. Was dann? Wer zwei und zwei zusammenzählen kann, der weiß, daß etwas passiert sein muß. Wenn sich jetzt der Kapitän dieser Crew zu jenem Mann begibt, der aller Wahrscheinlichkeit nach für das Verschwinden der elf Männer verantwortlich ist, dann kann man diesen Kapitän nur als sturen Ochsen bezeichnen, Mister Killigrew, Sir!“

      Das war starker Tabak.

      Hasard starrte auf die Planken. Dann drehte er sich um und sagte zu Ben Brighton: „Übernimm das Kommando, Ben. Ich gehe zu Güngör und nehme ihn ins Gebet.“

      Hinter ihm höhnte Old Donegal: „Klar, du sprichst