Ferris Tucker, der rothaarige Riese, erklärte, das ginge ihm genauso wie seinem lieben Freund Ed. Und Smoky verkündete gar, er kriege bei dem Geballere von Pistolen immer Kopf sausen und sei danach noch drei Stunden schwerhörig.
Carberry bestätigte das, erhöhte Smokys Schwerhörigkeit jedoch auf sechs Stunden, die ihm ein wahres Kreuz seien, weil er in dieser Zeit seinem lieben Freund Smoky alles ins Ohr brüllen müsse, und doch verstehe er dann davon nur die Hälfte oder gar nichts.
„Und nach den sechs Stunden bin ich immer ganz heiser“, versicherte der Profos, „so heiser, daß ich was trinken muß, um meine Stimme wieder zu ölen.“
„Vornehmlich mit Milch und Honig, nicht wahr?“ sagte Hasard.
„So ist es, Sir“, erwiderte der Profos mit biederer Miene.
Das war alles mal wieder mehr Dichtung als Wahrheit – vor allem, was die Handhabung von Pistolen betraf, mit denen sie jedes Duell als Sieger bestehen würden. Und daß die Dinger knallten, hatte sie noch nie gekratzt. Nur wollten sie – etwas großspurig – kundtun, daß sie Manns genug seien, die Hölle auch ohne Wasser und Feuerpatsche anzugreifen.
Als sie von Bord gehen wollten, tauchte Old Donegal wieder mittschiffs auf und teilte ganz allgemein mit, daß er nachgedacht habe. Und er rate ihnen in aller Dringlichkeit, Waffen mitzunehmen.
„Wir möchten die Leute von Burgas nicht provozieren, Donegal“, sagte Don Juan.
Der Alte kniff die Augen zusammen und entgegnete: „Dann denke mal darüber nach, was passierte, bevor wir hier einliefen. Hatten wir die Fischer da draußen im Golf etwa provoziert? Doch wohl nicht, wenn ich das richtig sehe. Aber was taten die Kerle? Sie nannten uns stinkende Ratten und Abschaum der Menschheit und wünschten uns die Pest an den Hals. Und einer hätte dem Profos beinahe ein Loch in den Kopf geschossen. Stimmt das, oder stimmt das nicht?“
„Stimmt“, sagte Don Juan. „Und ich schätze, diese Fischer hielten uns für Piraten oder Schnapphähne.“
„Sehr gut!“ lobte Old Donegal. „Und was ist, wenn uns die Leute von Burgas für das gleiche halten, he?“
„Tun sie aber nicht“, sagte Don Juan, „denn Hasard hat dem Hafenkommandanten erklärt, wer wir seien. Es war eine insgesamt freundliche Unterhaltung ohne jeden Mißklang, und der Hafenkommandant empfahl uns sogar den Kaufmann Kymet und schickte uns den kleinen Achmed als Führer.“
„Und wo sind, bitte sehr, unsere Leute?“ fauchte Old Donegal.
Don Juan lächelte. „Um eben das zu ergründen, gehen wir jetzt an Land, Donegal.“
„Ja, unbewaffnet, ihr Idioten!“
„Donegalchen“, säuselte der Profos, „brauchst du ein bißchen Klopferchen auf dein Popöchen?“
„Beklopf dein Affenärschchen doch selbst, du Dummbärtchen!“ polterte Old Donegal. „Am besten mit deinem Hämmerchen!“ Wütend ruckte Old Donegal herum und marschierte wieder zum Vorschiff.
„Jetzt ist er in Braßchen“, sagte Carberry ein bißchen verdattert – dies jedoch hauptsächlich deswegen, weil Old Donegal den Profos-Hammer arg verniedlicht hatte. Dagegen waren „Affenärschchen“ und „Dummbärtchen“ wirklich harmlose Koseworte.
Na, da würde er dem alten Zausel später wohl mal den beachtlichen Unterschied zwischen Hammer und „Hämmerchen“ verklaren müssen.
Daß dieser jedoch mit seiner Einschätzung der Situation – was das Verhalten der Fischer im Golf von Burgas betraf – genau ins Schwarze getroffen hatte, das wurde keinem der Arwenacks klar. Ihnen ging nicht auf, daß man sie für Igor Samoilows Halsabschneider halten mußte, denn sie segelten auf deren Dubas, die an diesen Küsten „bekannt wie ein bunter Hund“ war.
Selim Güngör, der türkische Hafenkommandant von Burgas, war kein ausgesprochen kriegerischer, aber ein sehr listiger Mann. Er hatte sich mit eher weichen Knien und unter Milizbewachung auf den Steg begeben, um irgendwie zu erreichen, daß die russischen Schlagetots nicht über Burgas herfielen.
Zwar hatte ihn deren Freundlichkeit überrascht und wie wüste Strolche hatten sie auch nicht ausgesehen, aber das war Tarnung gewesen. Genauso hatte er ihnen nicht abgenommen, daß sie Proviant einkaufen wollten. Nein, das war ein Trick: sie wollten erfahren, wo es etwas zu erbeuten gab. Natürlich bei einem Kaufmann, wo denn sonst! Da schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn außer den Sachwerten pflegte ein Kaufmann auch über Barmittel zu verfügen.
Und so hatte der listige Güngör blitzschnell die Idee gefaßt, den Spieß umzudrehen – nämlich die Gelegenheit beim Schopf zu packen, wenn die Kerle beim Kaufmann Kymet sondierten. Dort würde man sie geschickt überrumpeln und festsetzen, je mehr, desto besser, denn je weniger sich auf der Dubas befanden, desto eher würden sie zur Kapitulation bereit sein. Notfalls konnte man die bereits gefangenen Kerle als Geiseln benutzen, um Samoilow zur Übergabe zu zwingen.
Mehmet Kymet war sofort einverstanden gewesen, die Hauptrolle in diesem Coup zu übernehmen. Er hatte auch allen Grund dazu, denn er sollte ja ausgeplündert werden. Und er war schon ausgeplündert worden – von der Bande des Igor Samoilow! Darum hatte er seinen Küstenhandel einstellen müssen. Die Kerle hatten nämlich seine Handelssegler überfallen und ausgeraubt bis auf den letzten Nagel.
Nach diesen Überfällen waren die Kapitäne und Mannschaften nicht mehr bereit gewesen, für Kymet Handelsfahrten nach Norden durchzuführen. Das Risiko war zu hoch geworden. Kymet hatte sich zähneknirschend auf den viel teueren Landtransport umstellen müssen.
Daß er jetzt selbst Gelegenheit erhielt, diese Räuberhorde ein für allemal auszuschalten, war ihm Bedürfnis und Genugtuung zugleich. Endlich konnte er es den Kerlen heimzahlen und sie dem Henker überliefern.
Tatsächlich kannte er den Russen Samoilow nicht persönlich, sondern nur aus den Beschreibungen jener, die das seltene Glück gehabt hatten, den Überfall dieser gewalttätigen Horde zu überleben. Daß Dan O’Flynn den russischen Piratenhäuptling ziemlich genau beschrieben hatte, war ein Fehler gewesen, aber das hatte Dan nicht ahnen können. Gerade wegen dieser Beschreibung stand für Kymet unverrückbar fest, daß die Gefangenen zu Samoilowbande gehörten.
Bisher war alles bestens nach Plan gelaufen. Bereits sieben Kerle waren kampflos vereinnahmt worden. Und nun befanden sich vier weitere im Anmarsch, wie die heimlichen Späher gemeldet hatten …
Don Juan ging nach dem gleichen Schema vor wie Dan O’Flynn. Er fragte nach dem Kaufmann Kymet, und man erklärte ihm gestenreich den Weg zum Hof des Kaufmanns. So argwöhnisch die vier Arwenacks auch waren, sie konnten nichts Verdächtiges entdecken. Teilweise stießen sie auf scheue oder gar ängstliche Blicke, aber sie waren ja schließlich Fremde, und das noch dazu in einem Land, das ein bißchen hinter dem Mond zu liegen schien.
Nein, diese Blicke waren nichts Außergewöhnliches. In Spanien oder in England würden die Leute genauso schauen, wenn dort Chinesen durch die Gassen schlenderten.
„Alles ziemlich friedlich“, meinte Ferris Tucker, der neben Don Juan ging. Carberry und Smoky hielten sich seitlich hinter ihnen.
„Hm“, äußerte sich Don Juan, „aber trotzdem wachsam bleiben.“
„Das sowieso“, sagte Ferris, „man kann ja nie wissen.“ Er blickte zu einem Hauseingang, in dem zwei Frauen standen und sich unterhielten.
Als die beiden Frauen die vier Männer entdeckten, stürzten sie fluchtartig ins Haus und schlugen die Tür zu.
Ferris drehte sich zu Carberry um, der am Grinsen war.
„Hast du die Ladys erschreckt, Ed?“ fragte er.
„Erschreckt nicht, aber angelächelt“, sagte Carberry.
„Ach so, das erklärt natürlich alles.“
„Wieso?“
„Wenn