Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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Brighton und Don Juan de Alcazar, auf dem Achterdeck, setzten sofort die Spektive ans Auge und spähten in die angegebene Richtung. Doch es war wie immer. Sie vermochten nichts zu erkennen. Noch viel weniger waren dazu die Männer auf dem Hauptdeck und auf der Back in der Lage. So sehr sie auch die Hälse reckten, es änderte nichts.

      Zur Küste hin, die sich außer Sichtweite befand, erstreckte sich nichts als blanke See. Nun, da die Sonne längst auf der absteigenden Bahn war, nahmen die Fluten bereits einen leicht rötlichen Schimmer an.

      „Eine arabische Dhau!“ rief Dan O’Flynn aus dem Großmars.

      Erst jetzt konnten Brighton und de Alcazar die Mastspitzen und einen kleinen Teil des Lateinersegels erkennen. Dans Sehkraft war phänomenal, das mußten seine Gefährten immer wieder anerkennen.

      „Was ist jetzt, Sir?“ rief Carberry von der Kuhl her. „Fieren oder nicht fieren?“

      Ben Brighton ließ das Spektiv sinken. Er sah den Spanier an.

      „Sollen wir abwarten?“

      „Nur wegen einer x-beliebigen Dhau?“ Don Juan schüttelte den Kopf. „Das halte ich für übertrieben.“

      Ben preßte die Lippen aufeinander. Er gab dem Profos ein Zeichen, zu warten. Abermals setzte er das Spektiv an.

      Die Dhau kreuzte gegen den Ostwind. Ihr Generalkurs wies jedoch eindeutig auf die „Santa Barbara“. Ein Zufall?

      Ben Brighton traf seine Entscheidung. Ein Instinkt entwickelte sich in ihm. An einen Zufall mochte er nicht mehr glauben.

      „Beiboot fieren!“ rief er, zur Kuhl gewandt. „Mit Besatzung an Steuerbord in Bereitstellung gehen!“

      „Aye, aye, Sir!“ brüllte Carberry. Er und die anderen hatten die Absicht des Ersten Offiziers verstanden. Die Steuerbordseite der „Santa Barbara“ war die landabgewandte Seite. Wer auch immer da an Bord des arabischen Schiffes heransegelte, er kriegte nicht mit, daß auf der Galeone eine Jolle abgefiert wurde. Dazu war die Dhau noch zu weit entfernt.

      Wenn die Kerle viel sehen konnten, waren es die Mastspitzen der „Santa Barbara“. Einen Scharfäugigen, der sich mit Dan O’Flynn hätte messen können, hatten sie bestimmt nicht an Bord.

      Über die Großrahnock ließen die Männer die mit Proviant, Trinkwasser, Waffen und Munition beladene Jolle zu Wasser. Edwin Carberry, Ferris Tucker, Batuti, Big Old Shane, Stenmark, Luke Morgan und Paddy Rogers enterten über die Jakobsleiter ab, um ihre Plätze auf den Duchten einzunehmen.

      Dan O’Flynn verließ seinen Platz im Großmars. Die Dhau war mittlerweile schon mit bloßem Auge zu erkennen. Und sie hielt ihren Generalkurs.

      Der Erste Offizier der „Santa Barbara“ verständigte sich durch einen Blick mit dem Navigator. Dan stieg ebenfalls in die Jolle. Er war der Führer des Suchtrupps.

      Noch etwa eine halbe Stunde verging, bis endgültig feststand, daß die Dhau auf die Galeone zuhielt. Die rötliche Färbung des Wassers hatte sich ein wenig verstärkt, doch die Sonne stand noch über der Kimm. Bis zum Sonnenuntergang verblieb noch eine gute Stunde.

      Ben Brighton beorderte den Rest der Crew an die Backbord-Verschanzung. Es mußte nach möglichst vielen Neugierigen aussehen. Die Herannahenden mußten das Gefühl haben, daß sie von der gesamten Mannschaft beäugt wurden, wie es in der Situation nur natürlich war.

      Brighton und Don Juan de Alcazar beobachteten die auf vier Kabellängen herangenahte Dhau mit ihren Spektiven. An Bord des wendigen arabischen Einmasters befanden sich zwanzig Mann. Der Kleidung nach handelte es sich um Türken. Keiner von ihnen hatte Feuerwaffen, jedenfalls nicht offen erkennbar. Nur Krummdolche trugen sie an den Hüftgurten.

      Ein untersetzter Mann auf dem Achterdeck der Dhau preite die „Santa Barbara“ an.

      „Ich bin Mehmet Gökhüyük! Wir sind in friedlicher Absicht hier! Ich bitte an Bord kommen zu dürfen, um eine Nachricht von Ihrem Kapitän zu überbringen!“

      Der Einschlag eines Vierundzwanzigpfünders hätte an Bord der „Santa Barbara“ nicht die Wirkung erzielt, die nach den Worten des Türken zu verzeichnen war.

      Die Arwenacks standen da und starrten fassungslos zu dem kleinen Segler, dessen Tuch geborgen wurde und dessen Besatzung ihre Arbeit wie selbstverständlich erledigte, als hätte sie es mit einer völlig normalen Begegnung auf See zu tun.

      Schlagartig herrschte an Bord der Galeone Totenstille. Nicht einmal Sir John, der Papagei, gab ein gekreischtes „Affenarsch!“ oder ein schrilles „Luv an, Gevatter!“ von sich. Selbst Ben Brighton und Don Juan de Alcazar waren im ersten Moment sprachlos.

      Dann brüllte der Erste Offizier seine Antwort.

      „Woher weiß ich, daß Sie wirklich von unserem Kapitän sprechen?“

      „Ist der Name Ihres Kapitäns Killigrew? Philip Hasard Killigrew?“

      Die Männer an Bord der „Santa Barbara“, zwangen sich, ihre Wut herunterzuschlucken. Sie ballten die Hände zu Fäusten, schafften es aber, ruhig zu bleiben. Sie wußten, es hatte keinen Sinn, sich jetzt zu etwas Unbedachtem hinreißen zu lassen. Das änderte jedoch nichts daran, daß sie jedem einzelnen der Kerle dort unten am liebsten auf der Stelle den Hals umgedreht hätten.

      Für Don Juan de Alcazar war nun immerhin klar, daß er sich mit seinen Rekonstruktionen nicht geirrt hatte. Eindeutig, daß die Entführung des Seewolfs so abgelaufen war, wie er es sich zusammengereimt hatte.

      Ein schwacher Trost.

      „Erlaubnis erteilt!“ rief Ben Brighton. „Sie entern allein auf! Allein und ohne Waffen!“

      „Aye, aye, Sir!“ antwortete Gökhüyük, dessen Englisch einen harten und rollenden Akzent hatte. Demonstrativ löste er seinen Krummdolch vom Gurt und ließ ihn auf die Achterdecksplanken sinken.

      Die Männer an Bord der „Santa Barbara“ brachten eine zweite Jakobsleiter an Backbord aus.

      „Ich bin mit allen Ihren Bedingungen einverstanden!“ fügte der Türke laut und vernehmlich hinzu. Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Ich weise aber darauf hin, daß meine Männer strikte Order haben – für den Fall, daß mir an Bord Ihres Schiffes auch nur ein Haar gekrümmt wird! Sie werden ohne Rücksicht auf mich auf Gegenkurs gehen, und Kapitän Killigrew wird die Konsequenzen tragen! Im übrigen befindet er sich nicht an Bord dieser Dhau, falls Sie das vermuten sollten.“

      Ben Brighton signalisierte dem Türken mit einem Handzeichen, daß er verstanden hätte.

      Die Dhau blieb eine halbe Kabellänge von der „Santa Barbara“ entfernt liegen. Ein kleines Beiboot wurde ausgesetzt, und Gökhüyük pullte allein auf die Galeone zu.

      Der untersetzte Türke vertäute das Boot an der Jakobsleiter und enterte zügig auf. Seine Bewegungen verdeutlichten, welche bullige Kraft in seinen Muskeln steckte. Selbst gegen eine Übermacht würde er ein ernstzunehmender Gegner sein, das mußten die Arwenacks zur Kenntnis nehmen.

      Aber sie hatten ihre Wut mittlerweile weitgehend bezwungen. Die Vernunft siegte. Keine Frage, daß die Türken ihren ganzen Haß an dem Seewolf auslassen würden, wenn dem Überbringer der Nachricht etwas geschah.

      Deshalb waren die Männer an Bord der „Santa Barbara“ bereits zurückgewichen, als der Türke durch die Pforte im Schanzkleid trat.

      Er bedankte sich mit einer angedeuteten Verbeugung, als empfingen sie ihn mit einer besonders höflichen Ehrbezeugung. Sein Gesicht war glatt und rund, ein Schnauzbart hing ihm sichelförmig über die Mundwinkel, das schwarze Haar bedeckte seinen kugelförmigen Kopf kurzgeschoren wie ein Borstenteppich.

      Ohne Zögern ging Gökhüyük auf den Backbordniedergang zum Achterdeck zu. Wieder strotzten seine Bewegungen vor verhalten federnder Kraft, als er aufenterte.

      Breitbeinig blieb er stehen – drei Schritte vor Ben Brighton und Don Juan de Alcazar.

      „Wer vertritt