Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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nicht verkneifen.

      „Wie Sie bereits festgestellt haben, bin ich Engländer.“

      Üzürgül faßte es als schmeichelhaft auf, denn er lächelte ebenfalls.

      „Meine Beobachtungsposten, Sir, sind durchaus in der Lage, ein fremdes Schiff zu identifizieren. Ich meine allerdings gehört zu haben, daß es zur englischen Höflichkeit gehört, auch seinen Namen zu nennen.“

      „Durchaus richtig gehört“, erwiderte der Seewolf. „Sie haben zwar nur die Hälfte gehört, denn die englische Höflichkeit ist nur unter normalen Umständen anzuwenden. Ich will Sie aber trotzdem nicht enttäuschen. Mein Name ist Killigrew. Philip Hasard Killigrew.“

      Üzürgül zog abermals die Brauen hoch. Diesmal bildeten sie spitze Winkel.

      „Einer von den Killigrews“, rief er, und seine erfreute Überraschung war echt.

      „Nein“, entgegnete Hasard, „von denen nicht. Es erstaunt mich nicht, daß Sie von den Strandräubern und Küstenhaien aus Cornwall gehört haben. Der traurige Ruf dieser Halunken kennt offenbar keine Grenzen. Mit solchen Leuten habe ich nur den Namen gemein.“

      „Schade“, sagte Üzürgül. „Und ich hatte schon gedacht, ich brauche Sie nicht mehr als Gefangenen zu betrachten. Ihre Ehrlichkeit weiß ich zu schätzen.“

      Der Seewolf zog es vor, zu schweigen. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, den Türken mit Worten herauszufordern und anzugreifen. Aber es würde sich kaum auszahlen, die unberechenbare Gefährlichkeit dieses Mannes wachzukitzeln. So etwas minderte in jedem Fall mögliche Fluchtchancen.

      Üzürgül nickte, als hätte er die Gedanken seines Gefangenen gelesen.

      „Sie sind klug, Mister Killigrew, sehr klug, das erkenne ich ohne Mühe. Seien Sie auch weiterhin so klug, und wir werden keinen Verdruß miteinander haben. Ich lasse Sie jetzt in Ihre Unterkunft bringen. Betrachten Sie sich als unser Gast. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Nur die eine kleine Einschränkung gibt es: Sie dürfen Ihr Zelt nicht verlassen, ohne den Wachtposten um Erlaubnis zu fragen. Außerhalb des Zelts bewegen Sie sich nur unter Bewachung.“

      „Sehr einleuchtend“, sagte Hasard. „Nichts davon erscheint mir unlogisch.“

      „Ich wußte es!“ Üzürgül lachte leise. „Ich wußte, daß wir uns prächtig verstehen würden. Hoffen wir, daß die weiteren Verhandlungen bezüglich Ihrer Person und des Gegenwerts ebenso positiv verlaufen.“ Mit einer Handbewegung erklärte er das Gespräch für beendet und wandte sich ab. Die vier jungen Frauen in den Seidengewändern folgten ihm in respektvollem Abstand.

      Üzürgül blieb noch einmal stehen und bedeutete einem der Graugekleideten aus dem Boot, sich nach der Einquartierung des Gefangenen bei ihm zu melden. Die Entführer strahlten. Sie wußten nun, Ahmet Üzürgül würde nicht vergessen, sie für ihre besondere Leistung zu belohnen.

      Sie brachten den Seewolf in eins der Rundzelte unmittelbar am Rand des Platzes.

      Die Rinderhaut, die zum Abdecken des Eingangs diente, war zurückgeschlagen. Ein schmaler Streifen blassen Tageslichts fiel herein. Hasard blieb in der Mitte des Zelts stehen. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt. Ein paar Kissen und ein Stapel Decken lagen sorgfältig geordnet neben dem Eingang. Weitere Einrichtungsgegenstände gab es nicht. Nichts, was man als Waffe hätte benutzen können.

      Sie ließen ihn allein.

      Hasard hörte jedoch, daß der von Üzürgül angekündigte Posten vor dem Zelt aufzog. Wenige Minuten später näherten sich Frauenstimmen.

      Der Seewolf wandte sich um. Nach einem kurzen Wortwechsel mit dem Wächter traten die Frauen ein. Sie waren zu viert. Keine trug einen Schleier, und sie waren mit ähnlichen Seidengewändern bekleidet wie jene in Üzürgüls Gefolge. Mit großen dunklen Augen sahen sie ihn an.

      Hasard glaubte einen Hauch von Furcht in diesen vier Augenpaaren zu lesen. Doch es war nicht die Furcht, wie sie etwa aus unerfahrener Weiblichkeit entstand. Es war eine Art von Respekt, die nur den Orientalinnen eigen war.

      Eine von ihnen, schlank und mit ebenmäßigen Gesichtszügen, bewegte sich einen Schritt weiter auf den Gefangenen zu.

      „Ich heiße Günel“, sagte sie mit samtener Stimme. „Wir haben den Auftrag, Sie zu versorgen, Mister Killigrew. Es soll Ihnen möglichst an nichts fehlen. Haben Sie besondere Wünsche für das Mittagessen?“

      Hasard antwortete nicht sofort. Minutenlang konnte er sie nur staunend ansehen. Ihr Englisch war nahezu akzentfrei. Sie mußte aus einer guten Familie stammen und den Luxus genossen haben, nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch noch fremde Sprachen zu lernen. Nichts Ungewöhnliches in Adelskreisen und in reichen Kaufmannsfamilien.

      Wie aber gelangte eine solche junge Frau in den Schlupfwinkel eines türkischen Küstenhaies? Hasard zwang sich, die Frage, die ihm auf der Zunge lag, nicht zu stellen.

      Noch nicht.

      „Keine besonderen Wünsche“, sagte er und wich ihrem Blick dabei nicht aus. „Ich habe andere Gedanken als an Essen und Trinken.“

      „Das verstehe ich sehr gut“, erwiderte Günel und senkte für einen Moment den Kopf.

      Sie hob den Kopf wieder, und der Seewolf glaubte einen Hauch von Tränen in diesen großen dunklen Augen zu erkennen. Etwas wie das Feuer der Erkenntnis traf sein Innerstes. Er spürte es mit allen Fasern seiner Sinne. Denn er konnte es in ihren Augen lesen.

      Sie hatte auf ihn gewartet.

      Sie hatte auf ihn gewartet, obwohl sie bis zu dieser Minute nichts von seiner Existenz geahnt hatte. Aber nun erkannte sie ihn als den Mann, der ihrem Traumbild entsprach. Hasard hatte solche Blicke schon früher erlebt. Er wußte, welche Konsequenzen daraus erwuchsen. Nach allem, was in seinem Leben geschehen war, wollte er niemals wieder eine Frau an sich binden, geschweige denn, sie auf etwas hoffen zu lassen.

      „Verstehen deine Gefährtinnen meine Sprache?“ fragte er.

      „Nein, Mister Killigrew.“

      „Ich heiße Hasard.“

      Sie lächelte. In ihre Augen trat ein anderer Ausdruck, der etwas von einer gelösten Heiterkeit spiegelte.

      „Ich freue mich. Aber ich darf dich nicht beim Vornamen nennen – solange andere in der Nähe sind. Verstehst du, Mister Killigrew?“ Sie lachte jetzt, denn das, immerhin, konnten ihre Gefährtinnen nicht sehen.

      Abermals mußte sich der Seewolf anstrengen, sein Erstaunen nicht zu zeigen. Günel, diese gebildete junge Frau, offenbarte ihm ohne Umschweife, daß sie Heimlichkeiten gegenüber anderen im Schlupfwinkel hatte. Das konnte nur eins bedeuten: Sie war gegen ihren Willen hier. Aber sie hatte sich in ihr Schicksal ergeben.

      „Ich verstehe“, sagte er und räusperte sich. „Darf ich einen anderen Wunsch äußern?“

      „Natürlich.“

      „Werde ich meine Fesseln los?“

      „Aber natürlich. Deshalb sind wir hier.“ Günel trat zur Seite und gab ihren Begleiterinnen einen Wink.

      Hasard trug nur noch die Handfesseln.

      Die Frauen befreiten ihn davon. Sie brauchten kein Messer. Mit geschickten Fingern lösten sie die Knoten der straffsitzenden Lederschnüre. Anschließend massierten sie ihm die Handgelenke, und das Stechen und Kribbeln der wieder einsetzenden Blutzirkulation ließ rasch nach.

      „Es wundert mich, daß ihr so furchtlos seid“, sagte der Seewolf. „Ich nehme an, ihr tragt keine Waffen bei euch. Ich könnte euch überwältigen und hätte danach auch mit dem Wachtposten leichtes Spiel.“

      Die Frauen beendeten die Massage und traten zurück.

      „Du irrst, Mister Killigrew“, entgegnete Günel lächelnd. Sie griff unter ihr Seidengewand. Durch die rasche Bewegung verursachte der kostbare Stoff ein Funkeln. Und aus diesem Funkeln löste sich das Blitzen einer Klinge. Es war ein schlanker