Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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durchsucht werden.

      In den Achterdeckskammern gab es jedenfalls keine Spur von Hasard, keinen Hinweis, wohin er verschwunden sein konnte.

      Nach einer knappen Viertelstunde meldete sich Carberry mit dem Ergebnis der von der Crew angestellten Suche.

      „Auf diesem Eimer gibt’s keinen Seewolf mehr“, sagte der Profos, und daraus klang eine Betroffenheit, wie man sie in zehn Jahren vielleicht einmal an ihm erlebte. „Wenn er sich nicht in Luft aufgelöst hat, muß er über Bord sein.“

      „Freiwillig?“ entgegnete Dan. „Du spinnst, Mister Carberry!“

      „So kommt’s mir selber vor“, sagte der Profos grollend. „Weiß verdammt nicht, was ich von so einer Geschichte halten soll. Dein Alter, Mister O’Flynn, hätte natürlich die passende Erklärung auf Lager – etwas, was unsereins sich nicht erklären kann. Mit unserem beschränkten Horizont können wir gewisse Sachen zwischen Himmel und Erde ja auch nicht …“

      „Hör auf“, unterbrach ihn Ben Brighton. „Statt über ungefangene Fische zu reden, müssen wir etwas tun. Wie lamentierende Waschweiber brauchen wir uns nicht aufzuführen.“

      „Ich – ein Waschweib?“ rief Carberry dröhnend. „Das ist ja wohl …“

      Diesmal war es Don Juan de Alcazar, der den Wortwechsel in die richtigen Bahnen lenkte. Er hatte sich an den Tisch mit dem aufgeschlagenen Logbuch und den Schreibutensilien begeben.

      „Seht her“, sagte er. „Es gibt zwar keine deutlichen Spuren eines Kampfes. Aber ich bin sicher, daß Hasard von jemandem überrascht, überwältigt und verschleppt wurde.“

      Die anderen starrten ihn entgeistert an.

      „Wie willst du denn das herausgefunden haben?“ sagte Ben Brighton kopfschüttelnd.

      Don Juan wies auf den Tisch.

      „Das Logbuch ist aufgeschlagen. Hasard hat seine Eintragungen anscheinend beendet, denn das Tintenfaß ist verschlossen. Aber er hat das Geschriebene nicht abgelöscht. Der Federkiel ist nicht gereinigt, und überhaupt hat er die Sachen nicht wieder an ihren Platz gebracht. Das ist nicht seine Art.“

      „Klingt trotzdem nicht logisch“, entgegnete Dan O’Flynn. „Hasard kann einen plötzlichen Gedanken gehabt haben, und da ist er aus der Kammer geeilt, ohne den Kram wegzuräumen.“

      „Erstens müßten wir ihn dann gefunden haben“, widersprach Don Juan, „und zweitens gibt es noch weitere Spuren, die für mich eine klare Sprache sprechen.“ Er deutete auf die Schemel am Tisch. „Hasard muß plötzlich aufgesprungen sein, und er hat keine Zeit mehr gehabt, seine Sitzgelegenheit wieder zurechtzurücken. Dann der andere Schemel.“ De Alcazar deutete auf die Längsseite des Tisches. „Entweder hat Hasard ihn zur Seite gestoßen, oder jemand anders hat es getan.“

      Sekundenlang herrschte nach diesen Worten des Spaniers Stille in der Kapitänskammer. Ungläubig betrachteten die Männer jenen zweiten Schemel, der zwar nicht umgekippt war, aber derart schief neben dem Tisch stand, daß es einfach kein Zufall sein konnte.

      Ben Brighton räusperte sich. Er blickte de Alcazar an.

      „Also gut, Juan. Nehmen wir mal an, es hätte ein Kampf stattgefunden. Abgesehen davon, daß zwei Schemel von ihrer normalen Position gerückt worden sind, gibt es doch keinerlei weitere Spuren, nicht wahr? Verdammt merkwürdig, meine ich. Wenn sich der Kapitän gegen einen Angreifer wehrt, dann fliegen die Fetzen. Erstens hätten wir den Radau hören müssen, und zweitens müßte die halbe Einrichtung zu Bruch gegangen sein.“

      „Der Meinung bin ich auch“, sagte Dan O’Flynn. „Aber wir haben den springenden Punkt noch nicht am Wickel. Wie soll irgendeiner an Bord gelangt sein, ohne daß die Wachen es mitgekriegt hätten?“

      „Hasard muß es nicht mal mitgekriegt haben“, fügte Ben Brighton hinzu. „Andernfalls hätte er sich nicht so überraschen lassen, wie Juan meint.“

      De Alcazar lächelte.

      Bevor er eine Erklärung abgeben konnte, meldete sich Carberry zu Wort.

      „Wenn die Gentlemen meine unmaßgebliche Meinung hören wollen …“

      Sie wandten sich zu ihm um, und er grinste, als ihm bewußt wurde, daß sie ihn nicht ernst nehmen wollten. Oft hatte er mit seiner lospolternden Art völlig daneben gelegen, wenn es darum gegangen war, eine verzwickte Angelegenheit in den Griff zu kriegen. Diesmal aber würden sie sich von ihm belehren lassen müssen. Das stand fest.

      „Ich denke, auch unmaßgebliche Meinungen sollte man gelten lassen“, sagte Don Juan.

      Ben Brighton und Dan O’Flynn grinsten nun ebenfalls.

      „Wir sollten mal an uns selber denken“, sagte Carberry mit vorgeschobenem Rammkinn. „Wie oft haben wir schon irgendwelche Eimer geentert, ohne daß einer von den Kerlen an Bord was mitgekriegt hat! Und wenn’s nur darum ging, die Ruderanlage ein bißchen zu demolieren. Ich Will damit sagen: Was wir können, können andere sicherlich auch. Und wenn’s der Teufel will, haben wir es hier mit ein paar ganz ausgefuchsten Halunken zu tun.“

      „So sehe ich das auch“, sagte Don Juan und ging quer durch den Raum bis zum Schott zur Heckgalerie. „Ist es Hasards Gewohnheit, dieses Schott zu verriegeln?“

      „Nein“, erwiderte Ben Brighton. „So eine ängstliche Natur ist er nie gewesen.“

      „Eben drum“, sagte de Alcazar mit hintergründigem Lächeln. „Wenn die Gentlemen mir freundlicherweise folgen wollen …“ Er öffnete das Schott und trat auf die Heckgalerie hinaus.

      Der Erste Offizier, der Navigator und der Profos folgten ihm. Die Sonne war mittlerweile durchgebrochen, und eine aufkommende Brise kräuselte jetzt das Wasser. Unter anderen Umständen hätten sie diese letztere Tatsache als das Erfreulichste von allem gewertet. Doch es zählte nicht.

      Wenn Don Juans Theorie stimmte und der Seewolf verschleppt worden war, würde die „Santa Barbara“ um keinen Yard von ihrer Position weichen, solange ihr Kapitän nicht wieder gesund und unversehrt an Bord war.

      Don Juan zeigte auf die nur schwach durchhängende Ankertrosse.

      „Das muß der Weg gewesen sein, den sie genommen haben. Und ich behaupte, daß es mehrere Männer waren. So viele, daß Hasard keine Chance gegen sie hatte.“

      „Ich halte es trotzdem noch immer für unwahrscheinlich“, sagte Ben Brighton.

      „Aber es ist die einzig denkbare Erklärung“, räumte Dan O’Flynn ein. „Hasard kann sich wirklich nicht in Luft aufgelöst haben. Ich bin dafür, daß wir von einer Entführung ausgehen. Das heißt, daß wir sofort Suchtrupps in Marsch setzen müssen.“

      Alle Blicke richteten sich auf Ben Brighton. Über seine Befehlsgewalt in Abwesenheit des Seewolfs war keine Diskussion nötig. Er hatte die Entscheidungen zu treffen, doch er wußte auch, daß er dabei die Standpunkte seiner Gefährten berücksichtigen mußte.

      „In Ordnung“, sagte Ben ohne langes Nachdenken. „Es ist ohnehin die einzige Möglichkeit, die wir haben. Wir setzen beide Jollen aus und bilden je einen Suchradius seewärts und landeinwärts. Dan, du übernimmst die Suche zur See hin, Don Juan, du leitest den Trupp, der in die andere Richtung segelt.“

      Die beiden Männer nickten zustimmend.

      „Hoffen wir, daß aus dem lauen Lüftchen ein richtiger Wind wird“, sagte Carberry.

      Seine Hoffnung ging in Erfüllung.

      Als die beiden Jollen eine Viertelstunde später mit vollständiger Ausrüstung für drei Tage abgefiert wurden, hatte sich die Brise zu einem handigen Ostenwind ausgewachsen.

      Don Juan de Alcazar, der die kleine Jolle für den westlichen Bereich übernommen hatte, suchte zunächst die Küste ab. Zu seiner Mannschaft gehörten Smoky, Blacky, Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy und Sam Roskill. Sie verfügten über Musketen und Pistolen und natürlich über ihre Blankwaffen.