Seewölfe Paket 11. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395002
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Riesenschar der Menschen, die am Palmenwald ausgeharrt hatten, war vor Entsetzen wie gelähmt.

      Nur Kapitän Einauge und seine portugiesischen Landsleute bildeten eine Ausnahme. An ihrer Spitze stapfte Laurindo de Carvalho dem Brahmanen mit unverkennbarer Wut entgegen.

      In fliegender Hast zerrten die sechs Indonesier unterdessen den gefesselten Profos vom Boot und schleiften ihn den Strand herauf.

      „Halt!“ brüllte de Carvalho schon von weitem. „Bleibt stehen! Verdammt noch mal, wollt ihr wohl stehenbleiben!“

      Aber die Inselbewohner schienen ihn nicht zu verstehen, obwohl er ihre Sprache benutzte. Sie beachteten die Portugiesen nicht einmal, während sie den Profos zum Palmenwald schleppten und ihn dort eilends von seinen Fesseln befreiten.

      Jetzt stand er aufrecht, nur noch mit den Ketten an Hals und Handgelenken.

      Laurindo de Carvalho hatte dem Brahmanen den Weg versperrt. Fassungslos beobachtete der Einäugige, was sich dort oben am Palmenwald abspielte. Dann wandte er sich mit einer ruckhaften Bewegung dem Hindu-Priester zu.

      „Was ist in dich gefahren, Mann? Du verstößt gegen unsere Abmachung! Der Engländer sollte hingerichtet werden. Was fällt dir ein, dich einfach darüber hinwegzusetzen und …“

      Der Brahmane unterbrach ihn mit einer energischen Handbewegung. Seine Augen waren schmal und furchtlos, während er den Portugiesen ansah.

      „Geh mir aus dem Weg, Einauge. Dies ist etwas, was du niemals begreifen würdest.“

      Das Grollen des Vulkans war mittlerweile fast verstummt.

      „Ich verlange eine Erklärung!“ schnaubte de Carvalho, und seine Landsleute, die hinter ihm einen Halbkreis bildeten, nahmen eine drohende Haltung ein. „Ich persönlich habe mit dem Raja die Entscheidung getroffen. Der Engländer sollte hingerichtet werden, damit wir die verdammten Kerle endlich dazu bewegen, ihr Schiff herauszurücken!“

      Ayia Padang Mantra schüttelte bedächtig den Kopf.

      „Du wirst es nie begreifen, Einauge, weil du es nicht begreifen kannst. Selbst wenn du den Rest deines Lebens auf unserer Insel verbringst, wirst du den Göttern niemals so nahe sein wie wir.“

      „Götter! Blödsinn!“ schrie der Portugiese zornrot. „Ich habe bislang eine Menge Verständnis dafür gehabt, aber jetzt reicht es! Bei so einem Schwachsinn hört meine Geduld auf. Kein Wunder, daß ihr nie zu einer vernünftigen Kriegsführung fähig wart. Ich denke nicht daran, mir das gefallen zu lassen. Wenn ich meine Fähigkeiten in der Seekriegsführung für euch einsetze, dann erwarte ich auch …“

      Wieder unterbrach ihn der Brahmane.

      „Deine Entscheidung und auch die Entscheidung des Raja sind gegen den Willen der Götter unbedeutend. Und die Götter haben gesprochen. Ihr Zeichen war unmißverständlich.“ Er deutete mit ausgestrecktem Arm zu dem Vulkankegel. „Ich selbst habe falsch gehandelt und werde in einer Zwiesprache mit den Göttern zu Rate gehen müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, die von ihnen gebilligt wird.“

      „Aber …“ setzte de Carvalho an.

      Der Brahmane ließ ihn einfach stehen und ging mit würdevoller Haltung weiter. Er schloß sich dem Raja und dessen Gefolge an. Die Indonesier bewegten sich bereits auf den Pfad im Palmenwald zu.

      Edwin Carberry lief kettenklirrend in ihrer Mitte.

      Bebend vor Wut stand Laurindo de Carvalho mit seinen Landsleuten noch immer am Strand. Er wagte nicht, zu der englischen Galeone zu blicken, denn er glaubte schon jetzt das überlegene Lachen jenes Sir Hasard zu sehen.

      „Es hat keinen Zweck, Laurindo“, sagte Luiz Cardona leise, „es hat keinen Zweck, wenn wir uns jetzt auf die Hinterbeine stellen. Du weißt, wie halsstarrig die Inselbewohner sind, sobald es um ihre Götter geht. Also sollten wir gute Miene zum bösen Spiel machen und uns auf sie einstellen.“

      De Carvalho starrte ihn an.

      „Wie denn das? Diese hirnverbrannten Dummköpfe bringen es doch glatt fertig, die Engländer freizulassen! Und wie stehen wir dann da? Dann haben wir überhaupt kein Schiff mehr!“

      Cardona nickte.

      „Eben drum. Wenn wir hier herumstehen, erreichen wir überhaupt nichts. Ich schlage vor, daß wir uns vor allem erst einmal um die Gefangenen kümmern. Wenn der Brahmane wirklich auf die Idee verfallen sollte, sie freizulassen, können wir das wenigstens verhindern.“

      Laurindo de Carvalho holte tief Luft und blies den Atem schnaufend aus.

      „Dieser Tag“, sagte er erbittert, „ist der unglückseligste meines Lebens.“

      Er konnte nicht wissen, um wieviel mehr sich diese Feststellung noch bewahrheiten sollte.

      8.

      „Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr“, meinte Old Donegal Daniel O’Flynn kopfschüttelnd. Wie alle anderen an Bord der „Isabella“ hatte er das Geschehen fassungslos beobachtet.

      Doch es gab einen Mann auf der Galeone, für den eine Erklärung auf der Hand lag.

      Der Kutscher, dessen Namen niemand kannte, verließ seinen Platz in der Nähe des Kombüsenschotts und steuerte auf den Seewolf zu.

      „Sir, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf …“

      Hasard drehte sich um.

      „Ja?“

      „Ich glaube, Edwin Carberry und die anderen haben im Moment nichts zu befürchten. Wenigstens von den Indonesiern nicht.“

      Hasard runzelte die Stirn.

      „Das mußt du schon ein bißchen näher erklären.“ Er wußte, daß sich der Kutscher während seiner Dienstzeit bei Doc Freemont eine Reihe von Kenntnissen angeeignet hatte, die man getrost als außergewöhnlich bezeichnen konnte. Doc Freemont war ein gebildeter Mann, und an vielen langen Abenden vor dem Kamin hatte er mit seinem Kutscher Gespräche geführt, die beiden über die Einsamkeit hinweggeholfen hatten.

      Seit vielen Jahren leistete der Kutscher nun schon seine Arbeit in der Kombüse der „Isabella“, und auch als Feldscher hatte er sich bestens bewährt – war es ihm doch gelungen, auch in dieser Beziehung einiges von Doc Freemont zu lernen.

      „Ich habe einiges über den Hinduismus gehört und gelesen, Sir. Was sich soeben ereignete, hat unmittelbar mit der schwachen Vulkantätigkeit zu tun. Dem Hindu-Glauben entsprechend, wird dieser Vulkan vermutlich als irdischer Wohnsitz der Götter betrachtet. Und die Eruption erfolgte haargenau in dem Moment, in dem unser Profos geopfert werden sollte.“

      „Geopfert?“ fragten die umstehenden Männer verblüfft. „Dieser portugiesische Schweinehund wollte uns doch nur unter Druck setzen, damit er sich unser Schiff unter den Nagel reißen kann!“ Es war Ferris Tucker, der grollend diese Feststellung traf.

      „Laßt den Kutscher reden“, entschied Hasard.

      „Danke, Sir.“ Der schmale, dunkelblonde Mann lächelte kaum merklich. „Natürlich wollte der Portugiese seinen persönlichen Zweck mit dem Menschenopfer verbinden. Aber für die Indonesier ist es in erster Linie ein kultischer Akt. Das, was sie dadurch erreichen wollen, geschieht nach ihrem Glauben nur dann, wenn die Götter ihre Zustimmung geben.“

      „Genau so ist es!“ rief der alte O’Flynn aufgeregt. „Haargenau so!“ Jeder an Bord wußte, daß er allem Übersinnlichen besonders zugetan war.

      „Ich frage mich nur, wie so was funktionieren soll“, knurrte Ferris Tucker.

      „Eine wichtige Rolle spielen für Hindus die Dämonen“, fuhr der Kutscher fort, „wenn sie dem Meer ein Menschen- oder Tieropfer bringen, hat es den Zweck, die Meeresdämonen in ihre Schranken zu weisen. Das geschieht natürlich dadurch, daß ihnen die Götter nach dem Opfer wohlgesonnen sind und die Dämonen aus dem Feld schlagen. In unserem Fall glaubten die Indonesier