Seewölfe Paket 11. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395002
Скачать книгу
geraten.

      Dies bestätigte auch Ben Brighton, der mit seiner Gruppe beim Palast eintraf. Niemand hatte sich ihnen in den Weg gestellt. Als das Krachen des chinesischen Feuers begonnen hatte, waren die Indonesier in heillosem Entsetzen geflohen.

      Es dauerte nur wenige Minuten, bis Ferris Tucker die Männer von ihren Ketten befreit hatte. Dann fielen sie sich alle vor Freude in die Arme. Aus dem Gewühl heraus tauchte der Profos vor Hasard auf.

      Hasard lachte und schlug ihm wortlos auf die Schulter.

      Edwin Carberry öffnete den Mund und wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort hervor. Im nächsten Moment wandte er sich rasch ab. Seine Augen waren feucht geworden, und so etwas sollte niemand beim Profos der „Isabella“ jemals sehen – auch der Seewolf nicht.

      Hasard rief zum Sammeln. Bis auf einige unbedeutende Kratzer hatten seine Männer keinen Schaden gelitten.

      Eilends durchsuchten sie den Palast des Raja. Die Vermutung des Seewolfs bestätigte sich sehr rasch. Keine Menschenseele hielt sich mehr in dem feuchten Gemäuer auf. Wie die übrigen Dorfbewohner waren auch der Raja und sein Gefolge geflohen.

      Sie spürten es, als sie aus dem Palast ins Freie traten und zum Abmarsch rüsteten.

      Der Boden unter ihren Füßen begann zu vibrieren.

      „Weg hier“, sagte Hasard knapp und übernahm die Führung.

      Im Eilschritt durchquerten sie das Dorf über jenen Hauptweg, von dem sie wußten, daß er zur Westseite der Insel führte.

      Der Boden schien jetzt zu schwanken, ein tiefes, noch verhaltenes Grollen war zu hören. Es schien tief aus dem Inneren der Erde zu dringen, war doch überall und umgab die Männer mit bedrohlich anschwellender Lautstärke.

      Sie begannen zu laufen, als sie den Tropenwald erreicht hatten. Auf ihrem Weg durch das stickige Dickicht wurde die Luft unerträglich. Ein beklemmender Druck legte sich auf die Atemwege.

      Keuchend drangen sie bis zu der plateau-ähnlichen Anhöhe vor, wo sie einen Moment verharrten.

      Jäh gab es einen Donnerschlag, der alles auszulöschen schien. Die Insel bebte, und der Donner wollte nicht enden.

      „Da!“ schrie Dan O’Flynn. „Seht!“

      Ihre Köpfe ruckten herum.

      Feurige Lohe stieß aus dem Krater des Vulkans, bis hoch in den Himmel hinauf. Eine finstere Rauchwolke begleitete diese Lohe, breitete sich rasend schnell aus und verdüsterte das Sonnenlicht.

      „Weiter!“ rief der Seewolf. „Beeilt euch!“

      Das Atmen fiel ihnen immer schwerer, als sie durch den Palmenwald stürmten. Ein schwefliger Geruch lag jetzt in der Luft.

      Wieder folgte ein urwelthafter Donnerschlag. Der Erdboden erzitterte heftiger als zuvor.

      Die Männer von der „Isabella“ blickten nicht mehr zurück. Als sie mit schmerzenden Lungen den Strand erreichten, herrschte fast völlige Finsternis.

      Ein Donnerschlag folgte jetzt dem anderen, und ein kurzer Blick zum Vulkan zeigte ihnen das Ausmaß der Naturkatastrophe.

      Aus dem Krater wälzte sich ein breiter Strom glühender Lava, hatte bereits den Fuß des Vulkankegels erreicht und fraß sich weiter in die grüne Vegetation vor. Weißliche Dämpfe stiegen auf, aus dem Krater zuckten in kurzen Abständen feurige Strahlen bis hoch in den verdüsterten Himmel.

      Böen kamen plötzlich auf und orgelten über die Palmen, deren Stämme sich ächzend bogen.

      In fliegender Hast erreichten die Männer das Beiboot und die große Jolle. Mit vereinten Kräften brachten sie die Boote zu Wasser, dann pullten sie mit peitschenden Schlägen. Wenigstens war die Luft über dem Wasser etwas klarer, und die Schmerzen in ihren Atemwegen ließen nach.

      Der Vulkan brüllte wie ein gigantisches Tier aus Urzeiten. Die Böen wehten den Gluthauch der Lava herüber, deren todbringende Masse sich zähflüssig und unaufhaltsam nach allen Seiten über die Insel fraß.

      Keuchend erreichten die Männer das Schiff. Die helfenden Hände der an Bord Zurückgebliebenen waren sofort zur Stelle, um die Boote hochzuhieven. Minuten später waren alle Mann an Deck, um den Anker zu lichten und die Segel zu setzen.

      Der Wind stand günstig. Unter Vollzeug nahm die „Isabella“ rasch Fahrt auf.

      Hasard ließ auf Nordwestkurs gehen. Dann legte er die Arme um die Schultern seiner Söhne, die sich zu ihm auf das Achterkastell geflüchtet hatten.

      Die Insel bestand nur noch aus glühender Lava. Unablässig spie der Vulkan Feuer und Rauch und schleuderte glühende Brocken aus seinem Krater fast eine Meile weit, als wollte er die Galeone jetzt noch vernichten. Doch die Lavabrocken versanken zischend in der See wie schlecht gezielte feurige Kanonenkugeln, die keinen Schaden mehr anrichteten.

      Erst jetzt sahen die Seewölfe den großen Pulk von Auslegerbooten, die von der Südostseite der Insel her der offenen See entgegenstrebten.

      Die Menschen von Seribu hatten rechtzeitig fliehen können. Auf dem nahen Java würden sie unter fremder Herrschaft leben müssen. Aber sie lebten. Das allein zählte.

      Erst in diesem Moment wurde dem Seewolf bewußt, daß Al Conroys chinesisches Feuer den Inselbewohnern das Leben gerettet hatte. Wären sie durch die Detonationen nicht aufgescheucht worden, hätte der Vulkanausbruch sie wahrscheinlich überrascht.

      Philip Hasard Killigrew strich seinen Söhnen sanft über das Haar. Der Wind sang in Wanten und Pardunen, und die Stille auf der „Isabella“ trug einen Hauch von Frieden in sich.

      Bald schmolz die Insel Seribu über der Kimm zu einem glühenden Punkt zusammen …

image

      1.

      Der polierte Spitzhelm und der Brustpanzer des spanischen Soldaten schimmerten nur noch für eine Weile im silbrigen Mondlicht, dann aber wurde auch dieser matte Glanz wie alle anderen optischen Wahrnehmungen ausgelöscht, denn der Wind, der zunehmend kräftig von der See in den Dschungel von Sumatra hinüberblies, schob Wolken vor die weiße Sichel und hüllte das Lager und die Festung von Airdikit mit tiefster Finsternis ein.

      Der Soldat hatte seine Inspektionsrunde im Inneren der Palisaden beendet und wandte sich zum Gehen. Morgan Young hörte, wie sich das Knirschen seiner Schritte auf dem sandigen Untergrund entfernte und der Mann sich zwischen den Sträflingen hindurch zum Tor bewegte.

      Knarrend öffnete sich das Tor in seinen eisernen Angeln, wenig später schloß es der Wachtposten von außen und schob den eisernen Riegel vor.

      Die Gefangenen waren wieder allein mit ihrem Schweigen und ihrer Verzweiflung, mit den dumpfen, bohrenden Fragen und den Ängsten, die die Dunkelheit und die unheimlichen Laute des Urwaldes immer wieder hervorriefen. Viele der gut vier Dutzend Spanier, Portugiesen, Engländer, Holländer und Franzosen, die hier festgekettet waren, fielen bald in einen Erschöpfungsschlaf, aber viele blieben auch wach, weil ihnen die Ausweglosigkeit ihres Schicksals zusetzte und an ihren Nerven zehrte.

      Niemand glaubte ernsthaft, daß ein Ausbruch aus den Palisaden und eine anschließende Flucht durch den Dschungel jemals gelingen konnten – niemand außer dem Engländer Morgan Young und Romero, dem jungen Spanier.

      Das Vorhaben allein mußte wie die reinste Ausgeburt des Wahnsinns erscheinen, aber die Chance war eben doch plötzlich da, und Morgan Young klammerte sich genau wie Romero mit jener Verbissenheit daran, die nur die Verzweiflung hervorzubringen vermochte.

      Sie wußten, daß nach Ablauf von einer Stunde – oder von zwei Glasen, wie man auf See sagen würde – die Wachablösung erschien und erneut einen Kontrollgang durch das Innere der Palisaden unternahm. Das ging die ganze Nacht über so, und ebenso, wie die Sträflinge hier in der Umzäunung scharf im Auge behalten