Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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vier Punkte mehr, aber er spielte eine Weile mit dem Gedanken, ob sie ihn vielleicht in einem großen Bogen umritten und sich ihm dann ganz überraschend in den Weg stellen würden.

      Diesen Gedanken verwarf er gleich darauf wieder. Er war ziemlich scharf geritten, hatte die Pferde gewechselt und einen riesigen Vorsprung. Das konnten die anderen nicht schaffen, ohne die Pferde restlos zuschanden zu reiten.

      Etwas beruhigt nach dieser Überlegung, ritt er quer ins Land hinein. Vor ihm lagen Wiesen, unbebaute Felder, immer noch gab es kein Haus weit und breit.

      Es war, als befände er sich allein auf der Welt.

      Nach kurzem Ritt entdeckte er einen Tümpel und eine Wiese, auf der das Gras um diese Jahreszeit schon ziemlich hoch stand. Auch erster Löwenzahn wuchs dort bereits.

      Die Pferde stürmten an den Tümpel, tauchten die Nüstern ein und soffen gierig. Danach ließ er sie grasen, während er selbst sich in die Nähe eines mit Erlen bewachsenen Knicks hockte und seine zweite Mahlzeit begann.

      Es war die Nacht zum vierten April. Der Wind wehte von See her immer noch kühl und scharf. Der Himmel war jetzt verhangen, und der Dreiviertelmond lugte nur noch selten durch die schnell dahinjagenden Wolkenbänke.

      Ein bißchen müde war er jetzt schon, doch eine längere Schlafpause durfte er sich nicht gönnen. Nicht mal eine kurze, denn wenn er erst einmal schlief, wachte er vielleicht erst etliche Stunden später wieder auf oder dann, wenn die Verfolger ihn endlich hatten.

      Fast zwei Stunden gönnte er sich Ruhe, legte sich am Knick auf den Boden, starrte in den Himmel, wo die Heerscharen wild dahinjagten, und hielt die Augen krampfhaft geöffnet, damit er ja nicht einschlief.

      Die Pferde standen ganz in seiner Nähe, als er sich wieder erhob, den Proviant verstaute und die Satteltaschen zurechtrückte. Da einige der Feldflaschen leer waren, füllte er sie an dem Tümpel wieder auf. Er wußte nicht, wann und ob er unterwegs noch einmal einen Teich mit Süßwasser fand. In Strandnähe war das Wasser meist salzig, zumindest aber sauer vom Torf und schmeckte nicht.

      Als er sich in den Sattel schwang – diesmal nahm er wieder einen anderen Gaul –, hielt er lange Ausschau, während er langsam zum Strand hinunterritt.

      Er nahm sich auch noch die Zeit, zu warten, bis der Mond einmal kurz den Strand beschien.

      Nichts war zu sehen. Im Osten ließ sich keine Bewegung erkennen, keiner der Punkte zeigte sich. Entweder hatten die Reiter aufgegeben, was er nicht glauben wollte, oder ihre Tiere waren so ausgelaugt, daß sie fast zusammenbrachen und sich ein Weiterreiten von selbst verbot.

      Ihm konnte das nur recht sein.

      Diesmal ritt er im Schritt weiter, um auf dem Rücken des Pferdes ein wenig vor sich hin zu dösen. Immer wieder nickte er kurz ein, erwachte aber schon meist eine halbe Minute später und schrak dann hoch in der Annahme, er hätte mindestens eine Stunde oder länger geschlafen.

      Der Strand zog sich endlos in die Länge. Manchmal schnurgerade, dann wieder durch kleine Buchten unterbrochen. Hin und wieder erblickte er landeinwärts große Seen, und einmal bewegte er sich auf einem schmalen Streifen Land zwischen Ostsee und einem, riesigen Gewässer entlang und verlor fast die Orientierung.

      Sein Blick ging auch immer wieder suchend über die See, als könnte er die „Isabella“ entdecken. Doch auf dem Wasser war kein Segel zu sehen. Er hörte nur schwach die Brandung rauschen, wenn Wellen an den Strand liefen.

      Was mochten sie an Bord jetzt wohl denken? Das hatte er sich schon ständig gefragt und beschäftigte sich mit dieser Frage auch jetzt noch.

      Sie hatten ihn gesucht, das nahm er mit Sicherheit an. Sie waren umgekehrt, als sie sein Verschwinden bemerkten. Sie hatten Boote ausgesetzt, Suchstreifen gebildet. Die „Wappen von Kolberg“ hatte sich höchstwahrscheinlich ebenfalls an der Suche beteiligt.

      Und dann hatten sie es aufgegeben, irgendwann, als sie merkten, daß alles Suchen nutzlos und er vermutlich irgendwo ertrunken war.

      In der Vorfreude, die Kerle bald wiederzusehen, grinste er vor sich hin. O ja, und die verrückten Pfannkuchen mit Sirup hatte er auch noch nicht vergessen. Er spürte einen so extremen Heißhunger darauf, daß er über sich selbst lachte. Seit er in der See gepaddelt war, ohne Hoffnung auf Rettung, da hatten sich ihm diese albernen Dinger fest und unauslöschlich in die Seele gebrannt und so eingeprägt, daß er ständig daran dachte.

      Weiter ging der Ritt durch eine monotone Küstenlandschaft.

      Er schlief wieder ein paar Minuten, träumte wirres Zeug, wurde weitergeschaukelt und erwachte aufschreckend.

      Nichts hatte sich verändert, wie er feststellte, gar nichts. Ruhig, wie von aller Welt verlassen, lagen linker Hand die Dünen, und auf der rechten Seite murmelte das Meer. Die Pferde trabten mit gesenkten Köpfen dahin.

      Nach einer Ewigkeit begann es zu dämmern. Gary fühlte sich zwar noch ein wenig übermüdet, und er fröstelte auch, doch das verging nach einer Weile wieder, und er begrüßte freudig den Sonnenaufgang und die leichte Brise, die die Wolken zum größten Teil weggewischt hatte.

      Verdammt, wie lang zieht sich denn diese Strecke bis Rügenwalde eigentlich hin? dachte er immer wieder. Einmal muß sie doch wohl ein Ende haben.

      Er drehte sich um und suchte den Strand nach dunklen Punkten ab. Es gab nur zwei, und das waren vermutlich Steinadler, die sich dicht über der See bewegten.

      Keine Spur mehr von den Soldaten. Er war sich sicher, daß sie es jetzt auch nicht mehr schafften, nicht, wenn sie dieselben Pferde ritten, denn die brauchten unbedingt Ruhe. Und wo sollten sie an diesen einsamen, langgezogenen Stränden Pferde herkriegen? Das war ganz ausgeschlossen.

      Ein paar Stunden später erreichte er eine Ortschaft. Daß sie Stolpmünde hieß, wußte er nicht, aber er sah schon aus der Ferne, daß dort ein Fluß ins Meer rauschte und man nur mit einer Fähre hinübergelangte.

      Etwa zwei Stunden vor Mittag mußte es sein, schätzte er. Bald darauf entdeckte er auch die Fähre und den Mann, der am Ufer auf einem Poller hockte und ebenfalls den Sonnenschein genoß.

      Als der Fährmann das Klappern der Hufe hörte, schreckte er hoch und blickte dem seltsamen, fast wie eine Vogelscheuche gekleideten Mann mißtrauisch entgegen.

      „Ich möchte dort hinüber“, sagte Gary, obwohl er wußte, daß der Fährmann kein Wort verstand.

      Seine Worte unterstrich er mit Gesten, und nach einer Weile nickte der Fährmann, als er sah, daß von dem merkwürdig gekleideten Kerl offenbar nichts zu befürchten war.

      Linker Hand sah Gary ein paar kleine Häuser, ein paar Schafe auf der Wiese, einige Ziegen, Hühner, Gänse und eine Entenschar.

      Außer dem Fährmann war jedoch kein menschliches Wesen zu sehen. Die paar Leute waren vermutlich auf den Feldern bei der Arbeit. Weiter zum Landesinnern entdeckte Gary noch mehr Häuser und einen winzigen Kirchturm.

      Er zeigte dem Fährmann eine Silbermünze. Der starrte sie zwar an, zuckte dann aber mit den Schultern. Mit dem Geld konnte er offenbar nichts anfangen. Nach einem mißglückten Grinsen lehnte er das Geld ab.

      „Verdammt, womit soll ich denn bezahlen?“ knurrte Gary. Er nahm die Münze, die ihm der Fährmann kopfschüttelnd zurückgab, und steckte sie wieder in die Tasche zurück.

      Inzwischen setzte sich die Fähre langsam vom Ufer ab und überquerte den Fluß Stolpe. Auch drüben waren wieder ein paar kleine Häuser zu sehen.

      Gary gab dem Fährmann als Bezahlung eins der Pferde. Damit hatte er immer noch vier, und das Pferd war dem Mann lieber als alle unbekannten Silbermünzen, nach deren Herkunft man sicher unangenehme Fragen stellen würde. Nach einem Gaul fragte jedoch kein Mensch.

      Der Fährmann bedankte sich auf polnisch überschwenglich, bis Gary lachend abwinkte.

      „Rügenwalde“, erklärte er und deutete dabei auf sich, die Pferde und weiter voraus. „Rügenwalde“, sagte er klar und deutlich.

      Der Fährmann