Planetenmonster : 9 Science Fiction Abenteuer Sammelband. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783956179761
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hakte ich nach. "Na los, raus damit! Dass Sie nicht mit Roller-Skates auf der Brooklyn Bridge unterwegs waren, um Brieftaschen einzusammeln oder einen Angehörigen der Rezzolotti-Familie umzubringen, ist mir schon klar..."

      Tylo beugte sich zu ihm über den Tresen. "Geben Sie uns einen Tipp, wir marschieren dann hier raus und unternehmen erst einmal gar nichts."

      Der Mann schluckte.

      Wenn wir ihn in Gewahrsam nahmen, dann würden alle in der Gegend denken, dass er ausgesagt hatte. Auch diejenigen, denen seine Angst galt. Das war es, was Morton im Moment fürchtete. Er schloss einen Augenblick lang die Augen. "Okay", brachte er schließlich heraus. "Sie suchen ein paar Oger, die gerne auf Roller-Skates über den Asphalt rasen..."

      "Ich sehe, wir verstehen uns!"

      "Es gibt hier einen Typ namens Kid Dalbán. Ein Puertoricaner. Keine Ahnung, ob das sein richtiger Name ist. Er dürfte kaum über zwanzig sein, aber die ganze Gegend hier bezahlt an ihn Schutzgeld. Ich auch. Dies ist sein Gebiet... Hier passiert nichts, was nicht seinen Segen hätte!" Morton atmete tief durch.

      "Wo finden wir Dalbán?", fragte ich.

      Morton lachte heiser. "Er wird Sie finden, wenn Sie sich länger als eine halbe Stunde in dieser Gegend aufhalten."

      "Darauf möchte ich nicht unbedingt warten."

      "Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt! Was glauben Sie, was die mit Leuten machen, die sie für Verräter halten?" Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Morton schien wirklich große Angst zu haben. In gedämpftem Tonfall fuhr er fort: "Es gibt zwei Straßen weiter ein Parkhaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Da treffen sich des Öfteren junge Leute.”

      “Oger?”

      “Auch.”

      “Ah, ja...”

      “Sie benutzen die Rampen, um halsbrecherische Rennen abzuhalten."

      "Auf Roller-Skates!", schloss ich.

      "Ja. Es wird natürlich gewettet. Man kann viel Geld dabei gewinnen."

      "Und Dálban veranstaltet das Ganze."

      Er nickte zögernd. "Genau. Ein Teil dieser verrückten Typen, die da ihren Hals riskieren, sind Dalbáns Leute. Und der Rest träumt wahrscheinlich davon, in seine Gang aufgenommen zu werden. 'Los Santos' nennen die sich - die Heiligen. Wer dazugehört, hat nichts zu befürchten und genug Geld. Die tragen häufig so ein protziges Goldkreuz um den Hals. Im Gegensatz zur katholischen Version hängt allerdings nicht Jesus Christus, sondern ein gehörntes Gerippe daran."

      "War Dalbán persönlich hier, um sich Ihren Wagen auszuborgen?", fragte ich.

      Er schüttelte den Kopf und lachte rau. "Nein, das wäre unter seiner Würde. Es waren ein paar junge Typen. Ich kenne sie nicht namentlich. "

      "Das glaube ich Ihnen nicht. Die Typen stammen doch hier aus der Gegend."

      "Verdammt, ich sage Ihnen die Wahrheit!"

      "Haben Sie die Jungs nicht gefragt, wer sie schickt?"

      "Sollte ich dafür meine Zahnkronen riskieren? Die hätten sich doch sowieso genommen, was sie wollten! Sie sagten einfach: Morgen brauchen wir deinen Wagen, sieh zu, dass er vollgetankt ist oder du ernährst dich die nächsten Monate aus der Schnabeltasse!"

      "Verstehe."

      Morton schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich kaum. Und wenn Sie glauben, dass ich irgendetwas von dem, was ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht wiederhole, dann sind Sie schief gewickelt. Da lasse ich mich lieber wegen Beihilfe an diesem Anschlag auf der Brooklyn Bridge verknacken."

      Ich wechselte mit Tylo einen kurzen Blick. Er nickte knapp und sagte: "Wir kommen vielleicht noch einmal wieder, Mister Morton."

      "Wenn Sie mich ruinieren wollen: Nur zu!"

      "Ein Kollege von uns wird dann mit Ihnen zusammen ein Phantombild dieser Männer erstellen."

      "Sie trugen Spiegelbrillen und Mützen. Ich glaube nicht, dass das viel bringt!"

      "Abwarten."

      Er wollte offenbar ganz einfach nicht mehr sagen. Und das Phantombild würde vermutlich so konkret wie ein abstraktes Kunstwerk ausfallen. Die Mühe konnte man sich wohl sparen.

      Wir verließen den Drugstore. Ich war mir noch nicht ganz schlüssig darüber, ob Morton uns mit seiner Aussage wirklich einen guten Tipp gegeben oder uns nur schnell abgespeist hatte. Auf jeden Fall wollten wir uns das Parkhaus mal vornehmen...

      "Hey, ich glaube, ich spinne", murmelte Tylo.

      An unserem Chevy machte sich ein Typ mit Spiegelbrille und Helm zu schaffen. Als er uns sah, glitt er auf seinen Roller-Skates davon. Nach wenigen kraftvollen Bewegungen bekam er ein halsbrecherisches Tempo drauf.

      Wir rissen die SIGS heraus.

      "Stehen bleiben!", rief Tylo.

      Aber da war der Kerl schon um die nächste Ecke gebogen.

      "Na los, den kaufen wir uns!", meinte Tylo. Per Fernbedienung deaktivierte ich die Zentralverriegelung des Chevy. Tylo riss die Beifahrertür auf. Ich umrundete die Motorhaube, die Hand glitt zum Türgriff. Tylo saß schon im Wagen. Ich zögerte.

      "Jesse, bist du festgewachsen oder was ist los?", hörte ich Tylos Stimme.

      Aber da war noch etwas anderes.

      Ein ganz leises Ticken.

      Es kam von unten.

      "Verdammt raus, Tylo! Sofort raus!"

      Tylo starrte mich an.

      Im nächsten Moment zerriss eine Detonation den Wagen. Blechteile wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Druckwelle ließ die Scheiben von Mortons Drugstore zerbersten.

      *

      Menschen haben sich immer schon gefragt, was nach dem Tod kommt. Gibt es da noch etwas? Ein Paradies? Eine religiöse Traumwelt? Ein Nirwana?

      Androiden mit einem AKIS einer gewissen Komplexitätsstufe fragen sich dasselbe.

      Was passiert, wenn ich zerstört werde?

      Was, wenn man mich deaktiviert?

      Was, wenn mich eine Bombe zerreißt, ohne dass es vorher möglich war, mein Autonomes KI-System per Datensignal irgendwohin zu retten?

      Ich war wieder auf Neptun.

      Ich fing Diamanten. Wieder hatte ich einen in meinen Greifarmen und das Belohnungssystem meines AKIS wurde daraufhin aktiviert. Das war die algorithmische Entsprechung der Endorphin-Ausschüttung in organischen Gehirnen. Das Resultat war dasselbe. Man wollte das immer wieder haben und konnte nicht genug davon bekommen. Insofern ist es egal, ob man ein Mensch oder ein AKIS oder irgendetwas dazwischen ist. Es sind dieselben Dinge, die einen vorantreiben und dazu bringen, die Dinge zu tun, von denenen man glaubt, dass sie wichtig sind. Die Dinge, die höchste Priorität besitzen.

      Ich begann den Aufstieg in der dichten Neptun-Atmosphäre. Es würde noch etwas dauern, bis das Signal des Triton-Raumtransporters durchdringen konnte.

      Vielleicht war ja nun alles gut.

      Vielleicht war ich ja doch ein Diamantenfänger auf Neptun, der ab und zu geträumt hatte, ein Cop in New York zu sein. Aber dieser Albtraum schien nun zu Ende zu sein.

      Ich war in die Wirklichkeit zurückgekehrt.

      Der Albtraum war in einer Explosion zerplatzt.

      Dachte ich.


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