Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660178
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zu erlösen vermag. Um nun ein zu unserer Reinigung wirksames Opfer zu bringen, wurde er Mensch. Darum fügt er die Worte hinzu: „vor Gott,“ d. h. in Beziehung auf Gott. Wir waren, sagt er, Feinde Gottes, schuldbeladen, mit Schmach bedeckt: es war Niemand, der für uns ein Opfer dargebracht hätte. In diesem Zustande gewahrte er uns und erbarmte sich, indem er nicht einen Hohenpriester bestellte, sondern selbst ein treuer Hoherpriester wurde. Um nun zu zeigen, wie treu er sei, fügt er bei: „Um zu versöhnen die Sünden des Volkes.“

       18. Denn darin, worin er selbst versuchtworden und gelitten hat, kann er auch Denen, die versucht werden, helfen.

       II.

      Das ist sehr niedrig und gering und Gottes unwürdig. „Denn worin er selbst,“ heißt es, „gelitten hat.“ Hier spricht er aber von dem Menschgewordenen; vielleicht sind diese Worte auch gesagt, um die Zuhörer recht zu überzeugen und um ihrer Schwäche willen. Was er aber sagt, hat diesen Sinn: durch selbsteigene Erfahrung kennt er unsere Leiden, und diese sind ihm durchaus nicht unbekannt; denn er weiß sie nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch kennt er sie durch selbstgemachte Erfahrung. Vieles hat er gelitten, darum weiß er auch Mitleid zu haben. Wohl ist Gott leidensunfähig; allein hier ist die Rede von der Menschheit, wie wenn er sagte: Die menschliche Natur Christi hat viele Leiden erduldet. Er weiß, was Trübsal ist; er weiß, was Versuchung ist, nicht weniger als wir, die wir leiden; denn er selbst hat gelitten. Was will also Das sagen: „Er kann Denen, die versucht werden, helfen“? So viel, als wenn man sagte: Mit vieler Bereitwilligkeit wird er seine helfende Hand ausstrecken; er ist voll Mitleid. Da die Juden etwas Großes sein wollten und mehr als die Heidenchristen beanspruchten, so zeigt er, ohne Die aus dem Heidenthum zu verletzen, daß sie einen Vorzug besäßen. Worin bestand denn derselbe? Darin, daß aus ihrer Mitte das Heil stammt, daß er ihnen zuerst zu Hilfe gekommen, daß er von ihnen Fleisch angenommen. „Denn nicht Engeln,“ heißt es, „kommt er zu Hilfe, sondern dem Samen Abrahams kommt er zu Hilfe.“ Dadurch ehrt er auch den Patriarchen und zeigt, was es heisst „Samen Abrahams“. Er ruft ihnen die demselben gemachte Verheissung: „Dir und deinem Samen will ich dieses Land geben“91 in’s Gedächtniß zurück und zeigt auf die kürzeste Weise die durch gemeinsame Abstammung nahe Verwandtschaft. Weil aber diese Verwandtschaft nicht von großer Wichtigkeit war, kommt er wieder weitläufiger auf die durch die Menschwerdung vollbrachte Erlösung zu sprechen und sagt: „Um zu versöhnen die Sünden des Volkes.“ Denn daß er Mensch werden wollte, war schon ein Zeichen großer Fürsorge und Liebe; - nun ist es aber nicht Dieß allein, sondern es sind auch die unsterblichen Güter, welche uns durch ihn bereitet werden. - „Um zu versöhnen die Sünden des Volkes.“ Warum sagt er nicht: des Erdkreises, sondern: „des Volkes“? Hat er ja doch unser aller Sünden getragen. Weil er bis dahin von ihnen gesprochen. So sagte ja auch der Engel zu Joseph: „Dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk erlösen.“92 Denn Das sollte zuerst geschehen; darum kam er, um Diese (die Juden) selig zu machen, und durch Diese dann Jene (die Heiden), obgleich das Gegentheil stattfand. Dieß sagten auch die Apostel vom Anfang: „Euch zuvörderst hat Gott seinen Sohn, den er erweckt hat, gesandt, daß er euch segne;“93 und wieder: „Euch ist das Wort des Heiles gesandt.“94 Hier zeigt er den Vorzug des jüdischen Stammes, indem er sagt: „Um zu versöhnen die Sünden des *Volkes.“95 Einstweilen spricht er sich so aus. Daß aber der Heiland (Jesus) wirklich es ist, der die Sünden nachläßt, zeigte er bei dem Gichtbrüchigen durch die Worte: „Deine Sünden sind dir vergeben“96 und bei der Taufe; denn er sagt ja zu seinen Jüngern: „Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes!“97 Da er aber Fleisch angenommen, bespricht Paulus im Verlaufe der Rede ohne befürchtende Rücksicht das Unerhabene in ihm; denn siehe, was er nun sagt!

       Kap. III

       1.2. Weßhalb, heilige Brüder, Mitgenossen des himmlischen Berufes, sehet auf Jesum, den Gesandten und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, welcher treu ist Dem, der ihn gemacht hat, wie auch Moses in dem ganzen Hause desselben.

      Indem er ihn durch einen Vergleich über Moses stellen will, lenkt er die Rede auf das Gesetz des Hohenpriesterthums; denn von Moses hatten sie alle eine nicht geringe Meinung. Gleich schon streut er den Samen der Auszeichnung. Er beginnt von dem Fleische, steigt aber dann zur Gottheit empor, wo kein weiterer Vergleich mehr stattfinden konnte. Da er vom Fleische anfängt, stellt er eine Ähnlichkeit dar in den Worten: „wie auch Moses in dem ganzen Hause desselben“. Er zeigt aber nicht gleich im Anfang den Vorrang, damit der Zuhörer nicht zurückschrecke und rasch die Ohren verstopfe; denn obgleich sie gläubig waren, bewahrten sie dennoch dem Moses immer noch eine große Verehrung. - „Welcher treu ist,“ sagt er, „Dem, der ihn gemacht hat.“ Wozu hat er ihn gemacht? Zum Apostel und Hohenpriester. Hier redet er nicht von seiner göttlichen Wesenheit, sondern einstweilen nur von seiner menschlichen Würde. „Wie auch Moses in dem ganzen Hause desselben,“ d.h. im Volke oder im Tempel. Hier aber haben die Worte: „in dem Hause desselben“ den Sinn, als wenn man sagen würde: in Bezug auf Alles, was sich im Hause befindet; denn wie ein Aufseher und Hausverwalter stand Moses unter dem Volke. Daß das Wort „Haus“ hier die Bedeutung von Volk hat, beweisen die Worte: „Welches Haus wir sind,“98 d. i. in dessen Besitz wir sind. Dann der Vorzug:

       3. Denn um so größerer Herrlichkeit ist Jener würdig geachtet worden vor Moses - nun ist wieder die Rede vom Fleische: je größere Ehre vor dem Hause Dem gebührt, der es gebaut hat.

       III.

      Auch er, will er sagen, gehörte zum Hause. Er gebraucht aber nicht die Worte: Dieser war Knecht, Jener aber Herr, sondern läßt Dieß nur verdeckt durchleuchten. Wenn das Volk das Haus und er vom Volke war, so gehörte ja auch er zum Hause; denn so pflegen ja auch wir zu sagen: Dieser oder Jener ist aus diesem oder jenem Hause. Hier aber sagt er Haus und nicht Tempel; denn diesen hat nicht Gott erbaut, sondern die Menschen; der ihm aber, dem Moses nämlich, das Dasein gegeben, ist Gott. Betrachte, wie er verdeckt den Vorrang deutlich werden läßt. „Treu war er,“ heißt es, „in dem ganzen Hause desselben,“ und er selbst war vom Hause, d. h. vom Volke. In größerer Ehre steht der Künstler als seine Werke; aber auch der Baumeister (genießt höhere Ehre) als das Haus, das er gebaut hat.

       4. Der aber Alles erschaffen hat, ist Gott.

      Siehst du, daß er nicht vom Tempel, sondern vom ganzen Volke redet?

       5. Und Moses war zwar treu in dem ganzen Hause desselben als Diener zur Bezeugung Dessen, was verkündet werden sollte.

      Siehe, wie noch ein anderer Vorzug besteht, - aus dem Verhältniß von Sohn und Dienern. Siehst du, wie er die wahre Abstammung durch die Benennung „Sohn“ andeutet?

       6. Christus aber ist als Sohn in dem ihm eigenen Hause.

      Siehe, wie er Werk und Meister, Diener und Sohn unterscheidet; der eine tritt in die väterlichen Besitzungen als Herr ein, der andere aber als Knecht. - „Welches Haus wir sind, wenn wir anders das Vertrauen und die herrliche Hoffnung bis an’s Ende festhalten.“ Hier ermahnt er sie wieder, fest zu stehen und nicht zu fallen; denn das Haus Gottes, sagt er, werden wir sein, wie es Moses war, wenn wir andere das Vertrauen und die herrliche Hoffnung bis an’s Ende festhalten. Wer also durch die Prüfungen schmerzlich berührt wird und zu Fall kommt, kann sich nicht rühmen, und wer sich schämt und sich verbirgt, hat kein Vertrauen. Wer sich von Schmerz überwältigen läßt, bleibt ohne Ruhm. Dann aber spendet er ihnen auch wieder Lob mit den Worten: „Wenn wir anders das Vertrauen und die herrliche Hoffnung bis an’s Ende festhalten,“ wodurch er zeigt, daß sie bereits begonnen haben. Es ist also nothwendig, bis an’s Ende auszuharren und nicht bloß einfach zu stehen, sondern auch eine feste Hoffnung in der Überzeugung des Glaubens zu haben, ohne in den Prüfungen wankend zu werden. Auch darfst du dich nicht über die zu menschlich klingende Redeweise: „selbst versucht“99