Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660178
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will er sagen, seiner Menschenfreundlichkeit würdig gehandelt, da er den Eingebornen vor Allen auszeichnete und ihn als wackeren Kämpfer, der die Anderen übertrifft, den Übrigen als Muster hinstellte. „Den Urheber ihres Heiles“ heißt soviel als: die Ursache ihres Heiles. Siehst du, welch ein Abstand? Jener ist Sohn, auch wir sind Söhne; er aber schaffet das Heil, wir empfangen es. Siehst du, wie er uns zusammenstellt und dann wieder trennt? „Da er viele Kinder,“ sagt er, „zur Herrlichkeit führen wollte;“ hier stellt er den Urheber ihres Heiles (mit ihnen) zusammen und unterscheidet ihn wieder (von ihnen). „Daß er durch Leiden zur Vollendung brächte.“ Die Leiden sind also die Vollendung und die Ursache des Heiles. Siehst du, wie die Leiden durchaus nicht beweisen, daß man verlassen sei? Wenn aber Gott den Sohn zuerst dadurch geehrt hat, daß er ihn durch Leiden hindurchführte, so erscheint dieser durch seine Menschwerdung und seine Leiden viel größer als durch die Erschaffung der Welt, die er aus Nichts in’s Dasein berufen. Dieses ist zwar ein Werk seiner Menschenfreundlichkeit, Jenes aber noch viel mehr. Eben Dieses zeigt er auch selbst mit den Worten: „Um in den folgenden Zeiten den überschwenglichen Reichthum seiner Gnade zu zeigen, hat er uns mitauferweckt und mitversetzt in den Himmel in Christus Jesus.“71 „Denn es ziemte sich, daß Der, um dessen willen alle Dinge und durch welchen alle Dinge sind, da er viele Kinder zur Herrlichkeit führen wollte, den Urheber ihres Heiles durch Leiden zur Vollendung brächte.“ Denn es ziemte sich, will er sagen, für ihn, der da für Alles besorgt ist und Alles in’s Dasein gerufen hat, daß er den Sohn hingebe für das Heil der Übrigen, den Einen für Viele. Aber so sagt er nicht, sondern: „daß er ihn durch Leiden zur Vollendung brächte,“ wodurch er anzeigt, daß Derjenige, welcher für Jemanden leidet, nicht Diesem allein Nutzen verschafft, sondern auch selbst glänzender und herrlicher wird. Und diese Worte sind zu Gläubigen gesprochen, um sie im Glauben zu stärken; denn Christus war zur Zeit, als er litt, schon mit Ehre gekrönt. Wenn ich aber sage, daß er mit Ehre gekrönt war, so geschieht Dieß, damit du nicht wähnest, er habe noch einen Zuwachs von Ehre empfangen; denn jene seiner Natur entsprechende Ehre hat er ja immer, ohne sie zu vermehren.

       11. Denn Der heiliget und Die geheiliget werden, sind alle von Einem. Aus diesem Grunde schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen.

      Siehe, wie er sie wieder zusammenstellt, wie er sie ehret und tröstet, indem er sie zu Christi Brüdern macht, da sie ja von Einem seien. Dann fügt er, um seiner Rede Gewißheit zu geben und zu zeigen, daß er über ihn dem Fleische nach rede, die Worte hinzu: „Denn Der heiliget und Die geheiliget werden.“ Siehst du, wie groß der Unterschied ist? Er heiliget, wir aber werden geheiliget. Oben nannte er ihn den Urheber ihres Heiles; denn es ist nur ein Gott, von dem Alles ist. „Aus diesem Grunde schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen.“ Siehst du, wie er nochmals seine Erhabenheit klar macht? Denn durch die Worte: „Er schämt sich nicht“ zeigt er an, daß das Ganze nicht in der Natur der Sache liege, sondern dem Wohlwollen und der großen Demuth Dessen entstamme, der sich nicht schämt. Denn wenn auch Alle von Einem sind, so ist er der Heiligende, wir aber empfangen die Heiligung. Das ist ein großer Unterschied. Er stammt aus dem Vater als gezeugter, d. h. wesensgleicher Sohn; wir aber sind von demselben aus Nichts erschaffen worden. Also ein großer Unterschied! Daher sagt er: „Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen, indem er spricht:“

       12. Ich will deinen Namen den Brüdern verkünden.

      Denn da er Fleisch annahm, wurde er auch unser Bruder, und mit seiner Menschwerdung trat er seine Bruderschaft an. Und diese Worte gebraucht er mit Recht. Was soll aber Das heissen:

       13. Ich will auf ihn vertrauen?

      Denn auch das Folgende sagt er ganz angemessen: „Siehe, ich und meine Kinder, die mir Gott gegeben hat.“ Wie er sich nämlich dort als Vater zeigt, so hier als Bruder. Denn „ich will,“ sagt er, „deinen Namen meinen Brüdern verkünden.“ Und wieder hebt er seine Erhabenheit und große Verschiedenheit durch die folgenden Worte hervor:

       14. Da nun die Kinder des Fleisches und Blutes theilhaftig geworden sind.

       IV.

      Siehst du, sagt er, inwieferne Ähnlichkeit ist? Nach dem Fleische. „So hat er auch gleichfalls sich derselben theilhaftig gemacht.“ Erröthen sollen alle die Häretiker und sich gar nicht mehr sehen lassen, die da sagen, er sei nur scheinbar in die Welt gekommen, nicht aber wirklich. Denn er sagt nicht einfach, daß er an diesen72 Theil nahm, und schweigt (obwohl auch dieser Ausdruck hingereicht hätte), sondern läßt noch etwas Anderes, Wichtigeres aufleuchten (ἐνέϕηνε), indem er das Wort „gleichfalls“ beifügt; - nicht unter dem Scheine noch unter dem Bilde, sagt er, sondern in Wahrheit; denn sonst wäre der Ausdruck „gleichfalls“ wohl nicht am Platze.

      Nachdem er nun die Bruderschaft nachgewiesen, zeigt er auch die Ursache der Menschwerdung an. „Damit er durch den Tod Dem die Macht nähme, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel.“ Hier zeigt er das Wunderbare, daß der Teufel durch Das überwunden worden, wodurch er geherrscht, und daß Christus durch den Tod, der in jenes Hand eine so gewaltige Waffe gegen die Welt war, ihn selbst schlug, was die große Macht des Siegers anzeigt. Siehst du, welch herrliches Gut der Tod bewirkt hat?

       15. Und Diejenigen erlöste, welche in der Furcht des Todes durch das ganze Leben der Knechtschaft unterwarfen waren.

      Warum, sagt er, bebt ihr? Was fürchtet ihr den (Tod), der sein Ende gefunden? Denn er ist nicht mehr furchtbar, sondern niedergetreten und verachtet, geringfügig und ohne alle Bedeutung. Was heißt aber Das: „Welche in der Furcht des Todes durch das ganze Leben der Knechtschaft unterworfen waren“? Was will er damit sagen? Entweder daß Derjenige, der den Tod fürchtet, ein Sklave ist und Alles ertragen möchte, um nur nicht zu sterben; oder daß Alle Sklaven des Todes waren und, weil derselbe noch nicht vernichtet gewesen, von ihm beherrscht wurden; oder daß die Menschen in unaufhörlicher Furcht lebten; oder daß Denjenigen, welche immer in ängstlicher Erwartung des kommenden Todes waren und Angst vor ihm hatten, jeglicher Freudengenuß unmöglich gemacht war, da sie die Todesfurcht nicht verließ. Denn Das deutet er an mit den Worten: „durch das ganze Leben“. Er zeigt hier, daß Diejenigen, welche in Trübsal schmachten, vertrieben oder verfolgt ihres Vaterlandes und ihrer sämmtlichen Habe beraubt werden, vergnügter und freier leben als Jene, die von jeher im Überfluß prassen, die von solchen Leiden Nichts verkostet, derben Glück in schönster Blüthe prangt. Denn da Diese durch das ganze Leben von dieser Furcht verzehrt werden und Sklaven sind, verbleiben Jene von solcher frei und können über Das lachen, wovor die Andern erbeben. Mit dem Tode hatte es ehemals ein ähnliches Verhältniß, wie wenn Jemand einen Gefangenen, der zum Tode geführt werden soll und stets mit Entsetzen darauf hinschaut, in üppiger Nahrungsfülle schwelgen ließe. Jetzt aber hat sich die Sache also gestellt, wie wenn Jemand, jene Furcht verbannend, mit dem sinnlichen Wohlleben zu streiten ermunterte und mit der Aufforderung zum Kampfe ankünden würde, daß dieser nicht zum Tode, sondern zur Herrschaft führen werde. Zu welchen wirst du nun gehören wollen? Zu Denen, welche im Kerker in fettem Überfluß leben, aber jeden Tag der Todesankündigung entgegensehen müssen, oder zu Denen, welche in vielen Kämpfen und in freudiger Anstrengung ausdauern, um sich das Diadem der Herrschaft auf’s Haupt zu setzen? Siehst du, wie er ihren Muth hebt, und wie er sie in Spannung versetzt? Er zeigt aber, daß nicht nur der Tod aufgehört habe, sondern durch diesen auch Jener, welcher gegen uns stets einen unversöhnlichen Krieg unternommen hat und fortführt, nämlich der Teufel, der niedergeschlagen sei; denn wer den Tod nicht fürchtet, ist frei von der Tyrannei des Teufels. Denn wenn „Haut um Haut, und der Mensch Alles, was er hat, um sein Leben gibt,“73 und wenn sich Jemand entschlösse, selbst dieses gering zu achten: wessen Sklave wär’ er dann noch? Keinen fürchtet er, vor Niemandem erschreckt er, er ist über Alle erhaben und freier als Alle. Denn wer sein eigenes Leben verachtet, wird Dies noch viel mehr in Bezug auf alles Andere thun. Findet aber der Teufel eine solche Seele, dann wird er für seine Zwecke Nichts auszurichten vermögen. Was denn? sag’ an! Droht er mit Geldverlust oder Beschimpfung oder mit Verbannung