Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660178
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als er sie selber trug, nicht aus ihm, sondern aus dem heiligen Geiste stammte. Hättest du die Gnadengabe gehabt, wärest du vielleicht oft hochmüthig geworden und oft auf böse Wege gerathen. Fragen wir nicht: Wozu Das? Warum Dieses? Wenn Gott waltet, dürfen wir ihn nicht zur Rechenschaft ziehen; Das wäre der größte Frevel, der schrecklichste Wahnsinn. Wir sind Knechte, und zwar Knechte, die weit unter dem Herrn stehen, und die wir nicht einmal begreifen, was uns zunächst liegt. Grübeln wir also nicht über Gottes Rathschluß, sondern wir sollen, was er uns verliehen, treu bewahren, und wäre es auch eine geringe, ja die allergeringste Gabe, und wir werden gewiß glücklich sein, um so mehr, da keine der göttlichen Gaben gering ist. Schmerzt es dich, daß du nicht im Besitze der Lehrgabe bist? Sage mir aber: Was scheint dir größer zu sein, die Lehrgabe oder die Gabe der Heilungen? Sicherlich diese. Ist aber in deinen Augen die Macht, Blinde sehend zu machen und Todte zu erwecken, nicht noch höher als die Kraft, Krankheiten zu vertreiben? Aber sage mir nun: Ist es nicht noch mehr, Dieß durch Schatten und Schweißtücher als durch den Gebrauch des Wortes zu thun? Willst du nun, sprich es nur aus, durch Schatten und Schweißtücher Todte erwecken oder die Lehrgabe besitzen? Ich möchte, wirst du sicherlich sagen, durch Schatten und Schweißtücher Todte erwecken.

       VI.

      Wenn ich dir nun zeige, daß es noch eine andere, größere Gnadengabe gibt, und daß es dir gegönnt ist, dieselbe zu empfangen, und wenn du derselben nicht theilhaftig wirst, du mit Recht ihrer beraubt bist, was wirst du dazu sagen? Zudem ist diese Gnadengabe nicht für den Einen oder den Andern, sondern Alle können dieselbe erlangen. Ich weiß, daß ihr staunt und die Fassung verliert, wenn ihr hören sollt, daß ihr eine noch größere Gnadengabe haben könnt, als Todte zu erwecken und Blinde sehend zu machen, und daß es euch möglich ist, jene Dinge zu vollbringen, die zur Zeit der Apostel geschahen. Und vielleicht kommt euch Das unglaublich vor. Was ist denn das für eine Gnadengabe? Die Liebe. Glaubet mir nur; denn es ist nicht mein, sondern Christi Wort, der durch Paulus spricht. Was sagt er denn? „Strebet an die besseren Gnadengaben; und einen noch vortrefflicheren Weg zeige ich euch.“59 Was heißt Das: „einen noch vortrefflicheren Weg“? Es will Dieß sagen: Die Korinther waren stolz auf die damaligen Gnadengaben, und welche die Sprachengabe, die doch die geringste ist, besaßen, sahen hochmüthig auf die Andern herab. Er sagt nun: Wollt ihr überhaupt Gnadengaben? Ich zeig’ euch den Weg zu denselben, nicht nur einen hervorragenden, sondern einen ganz vortrefflichen. Sodann sagt er: „Wenn ich in den Zungen der Engel rede, Liebe aber nicht habe, bin ich Nichts; und wenn ich einen Glauben habe, daß ich Berge versetze, Liebe aber nicht habe, bin ich Nichts.“60 Siehst du da eine Gnadengabe? Um diese bewirb dich; diese ist größer als die Auferweckung der Todten; diese ist weit vorzüglicher als alle anderen. Und daß sich Dieß also verhalte, höre, was Christus sagt, da er zu den Jüngern spricht: „Daran werden Alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch einander liebet.“61 Also nicht Wunder gibt er als Kennzeichen an, sondern was? Wenn ihr euch einander liebet. Und wieder spricht er zum Vater: „Hierin werden sie erkennen, daß du mich gesandt hast, wenn sie Eins sind.“62 Auch zu den Jüngern sprach er: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet.“63 Ein Solcher hat eine höhere Würde und einen größeren Glanz als Todtenerwecker, und mit Recht; denn Dieses ist ganz das Werk der göttlichen Gnade, Jenes aber eine Frucht des eigenen Eifers; Dieß ist in Wahrheit das Werk eines Christen; Dieß läßt den Jünger Christi erkennen, welcher der Welt gekreuziget ist und mit ihr Nichts gemein hat; ohne Dieses kann auch das Blutzeugniß Nichts nützen. Und damit du dich davon überzeugest, erwäge das Folgende wohl. Der heilige Paulus nimmt zwei oder vielmehr drei Tugendhöhen an, nämlich die der Wunderzeichen, die der Erkenntniß und die des Wandels, und erklärt, daß die ersteren ohne den letzteren keinen Werth haben. Wie diese aber ohne Werth sind, will ich sagen. „Wenn ich all meine Habe,“ heißt es, „zur Speise (der Armen) vertheile, die Liebe aber nicht habe, so frommt es mir Nichts.“64 Denn es kann ja sein, daß auch Jemand, der sein Vermögen zur Speisung (der Armen) vertheilt, der Liebe entbehrt und seine Güter verschwendet. Das ist hinlänglich besprochen worden, wo von der Liebe die Rede ging, und wir verweisen darauf zurück. Beeifern wir uns indeß, wie ich schon sagte, um diese Gnadengabe; lieben wir einander, und wir werden eines Weiteren gar nicht bedürfen, um in der Tugend voranzuschreiten, sondern Alles wird uns leicht, ohne Schweißverlust, von Statten gehen, und wir werden Alles mit vielem Eifer glücklich vollbringen. Aber siehe, heißt es, wir lieben uns ja schon einander; denn Dieser hat zwei oder drei Freunde, Jener aber vier. Das heißt aber nicht (Jemanden) wegen Gott lieben, sondern um Gegenliebe zu finden: die Liebe wegen Gott hat nicht diesen Ursprung; wer aber diese besitzt, liebt alle Glaubensgenossen wie wirkliche Brüder, die Irrgläubigen aber und die Heiden und die Juden wie natürliche Brüder, und insoferne dieselben böse und verkommen sind, wird er ihretwegen von Mitleid, von Schmerz und Thränen verzehrt. Dadurch werden wir Gott ähnlich werden, wenn wir Alle, auch die Feinde, lieben, nicht wenn wir Wunderzeichen vollbringen. Denn wir staunen zwar über Gott ob seiner Wunderwerke, aber vielmehr noch, weil er menschenfreundlich und langmüthig ist. Wenn also Das auch in Bezug auf Gott so staunenswerth ist, so leuchtet es in Bezug auf die Menschen noch mehr ein, daß Dieß uns der Bewunderung werth macht. Das sei also das Ziel unseres Eifers, und Petrus und Paulus und Jene, die zahllose Todte zum Leben erweckten, werden nicht größer sein als wir, wenn wir auch kein Fieber zu vertreiben vermögen; ohne jene Liebe aber, wenn wir größere Wunder als selbst die Apostel gewirkt, und wenn wir uns zahllosen Gefahren des Glaubens wegen ausgesetzt hätten, würden wir keinen Nutzen haben. Und Dieses sage nicht ich, sondern er selbst, der Spender der Liebe,65 weiß Dieses; ihm also wollen wir folgen. Auf diese Weise werden wir die verheissenen Güter erlangen, deren wir alle theilhaftig werden mögen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, welchem mit dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Macht und Ehre jetzt und alle Zeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

      Vierte Homilie.

       I.

      **5. 6. 7. Denn nicht Engeln hat Gott die zukünftige Welt unterworfen, von der wir predigen. - Bezeugt hat aber irgendwo Einer und gesagt: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder der Menschensohn, daß du nach ihm siehst? - Du hast ihn ein wenig unter die Engel verringert.

      Ich möchte bestimmt wissen, ob Einige mit dem gebührenden Eifer, was gesagt wird, anhören, so daß wir den Samen nicht auf den Weg streuen; denn alsdann würden wir noch freudiger das Lehramt ausüben. Zwar werden wir sprechen, wenn auch Niemand aufmerkt, weil die Furcht vor dem Erlöser uns drängt. Denn gib Zeugniß, sagt er, diesem Volke, und wenn sie nicht auf dich hören, wirst du keine Rechenschaft geben. Wenn ich aber von euerem Eifer überzeugt wäre, würde ich nicht allein wegen der Furcht sprechen, sondern auch mit Freude Das thun. Denn wenn jetzt Niemand aufmerkt, so kann, obgleich mir keine Gefahr droht, da ich meine Pflicht erfülle, die Arbeit doch nicht mit Vergnügen vollbracht werden. Denn was nützt es, wenn zwar ich ohne Schuld bin, Niemand aber einen Vortheil hat? Wenn nun Einige aufmerken wollten, so würde mir daraus, daß ich ungestraft bleibe, kein so großer Vortheil erwachsen wie aus eueren Fortschritten. Wie soll ich nun aber Das wissen? Wenn ich unter euch Solche bemerkt haben werde, die nicht recht aufmerksam sind, werde ich sie gelegenheitlich unter vier Augen befragen, und wenn ich finde, daß sie Einiges von dem Vorgetragenen wissen, nehme ich nicht Alles vor; denn Das möchte für euch nicht so leicht sein, sondern wenn sie aus dem Vielen auch nur Einiges wissen, bin ich offenbar auch in Betreff des Vielen nicht weiter im Zweifel. Es wäre zwar nicht nöthig gewesen, euch vorher davon in Kenntniß zu setzen; wir hätten euch einer unerwarteten Prüfung unterwerfen können; jedoch kann es uns lieb sein, auch so zum erwünschten Ziele zu gelangen, um so mehr, da ich auch auf diese Weise euch immer noch zu überraschen vermag. Denn daß ich euch fragen werde, habe ich vorher gesagt; wann ich aber diese Prüfung vornehmen werde, bestimm’ ich noch nicht: vielleicht heute, vielleicht morgen, vielleicht nach zwanzig oder auch nach dreissig Tagen; sie kann auch früher oder später stattfinden. So hat uns auch Gott in Betreff unseres Todestages in Ungewißheit gelassen, und weder ob heute, noch ob morgen, noch ob nach Verlauf eines vollen Jahres, noch ob nach mehreren Jahren der Herr kommen