Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660178
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erfahren sollten. Wie hätten aber Diejenigen, welche Palästina besaßen, Dasselbe erfahren sollen, wenn es nicht eine andere Ruhe gäbe?

       III.

      Er gibt seiner Rede einen schönen Abschluß; denn er sagt nicht Ruhe (ϰατάπαυσις), sondern gebraucht die passende Benennung „Sabbatfeier“ (Σαββατισμός), wobei sie sich freudig einfanden, und bezeichnet die Sabbatfeier als eine königliche Herrschaft. Denn wie man sich am Sabbat von allem Bösen enthalten und Das allein geschehen soll, was auf den Gottesdienst, welchen die Priester zu besorgen hatten, Bezug hat und der Seele frommt, und nichts Anderes: so werde es auch dann sein. Aber nicht so drückt er sich aus, sondern wie?

       10. Denn wer eingegangen ist in seine Ruhe, der ruhet auch aus von seinen Werken gleichwie Gott von den seinen.

      Gleichwie Gott ausruhte, sagt er, von seinen Werken, so ruht auch Der aus, welcher in seine Ruhe eingegangen. Denn da er zu ihnen von der Ruhe sprach, und sie zu wissen verlangten, wann dieselbe eintreten werde, so schließt er damit seine Rede. Den Ausdruck „heute“ gebraucht er, damit sie nicht verzweifeln möchten. Ermahnet euch selbst einander, will er sagen, alle Tage, so lange es „heute“ heißt; Das will sagen: wenn auch Jemand gesündiget hat, hat er Hoffnung, so lange es noch „heute“ ist. Darum soll Niemand verzweifeln, so lange er lebt; ganz besonders aber finde sich kein ungläubiges Herz; wäre aber Das auch der Fall, so verzweifle Keiner, sondern er erhole sich wieder; denn so lange wir noch in dieser Welt leben, bietet das „Heute“ Gelegenheit. Hier spricht er nicht nur vom Unglauben, sondern auch vom Murren. „Deren Leiber,“ heißt es, „in der Wüste dahinfielen.“125 Damit ferner nicht Jemand wähne, es werde nur die Ruhe nicht gewahrt werden, fügt er auch die Strafe bei mit den Worten: „Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis daß es Seele und Geist, auch Mark und Bein scheidet, und ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“126 Hier spricht er von der Hölle und von der Strafe. Es dringt, sagt er, bis in das Verborgene unseres Herzens und durchschneidet die Seele. Da gibt es keine Gebeine, die zerstreut liegen und nicht zur Bestattung gelangen, wie dort,127 sondern man ist beraubt der himmlischen Herrlichkeit und überliefert der Hölle, die ewig dauert, und erfährt eine züchtigende Strafe, die kein Ende nimmt. - „Sondern ermahnet euch selbst einander!“128 Siehe, wie mild und sanft er sich ausdrückt. Er sagt nicht: Haltet einander strafend vor! sondern: „Ermahnet!“ So sollen auch wir Denen begegnen, die von Trübsalen heimgesucht sind. Ebenso spricht er im Briefe an die Thessalonicenser: „Weiset zurecht die Unruhigen!“ In Bezug auf die Kleinmüthigen aber sagt er nicht so, sondern wie? „Tröstet die Kleinmüthigen, stehet den Schwachen bei, habet Geduld mit Allen!“129 Was heißt Das: „tröstet“? Dieses Wort steht für: lasset die Hoffnung nicht sinken, verzweifelt nicht! Denn wer den von Trübsal Gebeugten nicht tröstet, macht ihn nur noch gefühlloser: „Damit nicht Jemand von euch verhärtet werde durch den Trug der Sünde.“ Entweder meint er hier den Trug des Teufels; denn Trug ist es wirklich, wenn man von der Zukunft Nichts erwartet und glaubt, daß uns keine Rechenschaft abgefordert werde, und daß wir unserer hier vollführten Thaten wegen keine Strafe erdulden müssen, und daß es keine Auferstehung gebe; - oder der Trug besteht andererseits in der Gefühllosigkeit oder in der Verzweiflung; denn die Sprache: Was ist zu machen, ich habe einmal gesündigt, und es ist keine Hoffnung, daß ich mich nochmals emporringe, - ist ein Betrug. - Dann flößt er ihnen wieder Hoffnung ein durch die Worte: „Denn wir sind Christi theilhaftig geworden,“130 wodurch er ungefähr sagen will: Der uns so geliebt und so hochgeschätzt hat, daß er uns zu seinem eigenen Leib erkoren, wird uns auch, wenn wir in Gefahr sind, unterzugehen, wohl beachten. Erwägen wir, zu welcher Würde wir erhoben wurden! Christus und wir sind Eins; versagen wir ihm also nicht unseren Glauben. Er spielt auch wieder auf Dasjenige an, was er an einer anderen Stelle sagt: „Wenn wir dulden, werden wir auch mitherrschen.“131 Denn Das besagen die Worte: „Wir sind theilhaftig geworden;“ wir nehmen Theil an Dem, was Christus angehört. Er spricht ihnen Muth zu, indem er an das zu Theil gewordene Gute erinnert: „Denn wir sind Christi theilhaftig geworden.“ Dann spricht er wieder in ernstem Tone: „Fürchten wir also, daß wir etwa die Verheissung, in seine Ruhe einzugehen, vernachlässigen und Jemand aus euch erfunden werde, zurückgeblieben zu sein.“ Denn Das ist deutlich und offenbar. - „Sie prüften mich,“ sagt er, „und doch sahen sie meine Werke vierzig Jahre. Siehst du, daß man Gott nicht zur Rechenschaft ziehen, sondern ihm, mag er nun seine schirmende Hand über uns halten oder diese zurückziehen, gläubig vertrauen soll? Wer noch Beweise seiner Macht oder seiner weisen Fürsorge verlangt, der glaubt noch nicht, daß er mächtig und gütig ist. Darauf deutet er auch in seinem Briefe hin, indem sie vielleicht die Prüfung und den Beweis seiner Macht und seiner Fürsorge für sie aus Dem, was ihnen widerfuhr, schöpfen wollten. Siehst du, daß die Frucht des Unglaubens immer die Beleidigung und der Zorn Gottes sind? Was sagt er nun? „Also steht noch eine Sabbatruhe für das Volk Gottes zu erwarten.“ Siehe, wie er seine ganze Rede zusammenfaßt. Er hat geschworen, sagt er, den Vorfahren, daß sie in seine Ruhe nicht eingehen sollen, und sie sind nicht eingegangen. Lange Zeit nachher spricht er zu den Juden: „Verhärtet euere Herzen nicht gleichwie euere Väter. Also ist offenbar von einer anderen Ruhe die Rede; denn Palästina kann nicht gemeint sein, weil sie im Besitze desselben waren; der siebente Tag aber gar nicht, weil von diesem, der ältesten Zeit angehörig, gar nicht gesprochen wurde; also muß eine andere Ruhe gemeint sein, die eine wahre Ruhe ist.

       IV.

      Ja, in der That ist das eine Ruhe, wo entflohen ist der Schmerz und die Trauer und das Seufzen, wo weder Sorgen noch Arbeiten noch Kämpfe sich finden, noch eine Furcht, welche die Seele niederschlägt und erschüttert, sondern allein die Furcht Gottes, die reich ist an Wonne. Dort hört man nicht mehr (die Worte): „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brod essen,“132 noch auch: „Dörner und Disteln soll sie dir tragen,“ - Dörner und Disteln sind nicht mehr, - noch auch: „In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären und sollst unter der Gewalt des Mannes sein, und er wird über dich herrschen.“ Dort ist Alles Friede, Freude, Wonne, Seelenlust, Güte, Milde, Aufrichtigkeit, Liebe. Dort herrscht weder Eifersucht noch Neid, weder Krankheit noch Tod des Leibes oder der Seele, nicht Finsterniß, nicht Nacht; dort ist Alles Tag, Alles Licht, Alles Ruhe; dort gibt es keine Ermüdung, keine Übersättigung, sondern wir werden fortwährend Lust an diesen Gütern haben. Wollet ihr, daß ich euch auch ein beiläufiges Bild des jenseitigen Zustandes (der Seligen) entwerfe? Das ist unmöglich; aber dennoch will ich’s nach meinen Kräften versuchen, euch ein solches Bild vor Augen zu stellen. Blicken wir auf zum Himmel, wenn er frei von lästigem Nebel seine Krone zeigt. Und hat uns dann die Schönheit seines Anblickes lange entzückt, so erwägen wir, daß wir einen Wohnsitz haben werden, aber keinen solchen wie der jetzige ist, sondern um so viel herrlicher ist, als sich das Gold vor einer Lehmdecke auszeichnet! Denken wir uns dann wieder die obere Decke, ferner die Engel, die Erzengel, die zahllosen Schaaren der unkörperlichen Mächte, den Wohnsitz Gottes, den Thron des Vaters; allein wie ich schon gesagt, die Sprache ist ohnmächtig, das Ganze zu schildern: Erfahrung ist nothwendig und eine aus Erfahrung entsprungene Erkenntniß. Wie glaubt ihr, daß Adam im Paradiese gelebt habe? Um so viel aber ist das himmlische Leben herrlicher als jenes, um wie viel der Himmel den Vorzug hat vor der Erde. - Jedoch wir wollen noch ein anderes Bild aufsuchen. Wenn es geschähe, daß der jetzige Kaiser Beherrscher des ganzen Erdkreises würde und weder durch Kriege noch durch Sorgen belästiget wäre, sondern nur Ehren und Freuden genöße, indem ihm reiche Abgaben133 zuflößen und das Gold von allen Seiten zusammenströmte und er von Allen bewundert wäre: was für ein Gefühl würde ihn erfüllen, wenn er alle Kriege von der Erde verbannt sähe? Etwas ähnliches wird dereinst stattfinden; allein jenes Bild zu entwerfen ist mir noch nicht gelungen, weßhalb ich ein anderes versuchen muß. Denke dir ein königliches Kind, welches, solange es im Mutterschooß ist, Nichts empfindet, nun plötzlich von dort auf den königlichen Thron kommt und nicht allmählig, sondern auf einmal in den Besitz aller Macht gelangt. So ungefähr ist das Verhältniß unseres jetzigen und jenseitigen Looses; - oder wenn ein Gefangener, der zahllose Leiden erduldet, plötzlich auf den Königsthron