Seewölfe Paket 16. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397747
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seinen schrecklichen Gedanken.

      Wieder ertönte das Klopfen, und Herma rief: „Wer ist da?“

      „Ich bin’s – Groot-Jehan!“ tönte es zurück.

      Ihr Herz begann heftig zu pochen, sie wollte nicht öffnen. Onno aber richtete sich jetzt umständlich von seinem Stuhl auf und sagte laut: „Komm rein, Lüder, die Tür ist offen!“

      Lüder Groot-Jehan trat ein, und dann standen sich die beiden Männer gegenüber. Herma wäre am liebsten im Boden versunken. Sie war sicher, daß jetzt alles herauskam.

      Doch Lüder legte Onno die Hand auf die Schulter und sagte: „Weißt du schon das Neueste? Wir haben vor drei Stunden unseren Klusmeier tot am Strand aufgefunden. Armer Teufel. Er ist ertrunken, und die Flut hat seine Leiche angespült.“

      „Da haben die Lütt-Jehans nachgeholfen!“ stieß Onno zornig hervor. „Sie haben ihn verschleppt und ersäuft!“

      „Das glaube ich auch, deshalb habe ich Klusmeier ans Tor gehängt“, sagte Lüder Groot-Jehan. „Ich war schon drüben auf Baltrum und habe Karl Lütt-Jehan zu sprechen verlangt, doch der behauptet, er habe mit der Sache nichts zu tun. Es müsse ein Unfall gewesen sein, sagt er, und wir wollten ihm die Geschichte nur in die Stiefel schieben.“

      „Er lügt“, sagte Herma aufgebracht.

      „Davon bin ich überzeugt“, erklärte Lüder, nachdem er ihr einen bedeutungsvollen Blick zugeworfen hatte, der von Onno nicht bemerkt wurde. „Aber wir haben trotzdem beschlossen, die Angelegenheit vorläufig beizulegen.“

      „Wieso?“ fragte Onno und hielt sich an der Tischkante fest, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. „Ist ein Schiff gestrandet?“

      „Das nicht, aber der Zeitpunkt ist günstig, um die Falle fertigzustellen“, erwiderte Lüder. „Morgen früh, wenn der Sturm ein bißchen nachläßt, gehen wir alle zusammen an die Arbeit. Wir dürfen das nicht mehr aufschieben. Die Winterstürme bringen uns reiche Beute.“

      „Aber wird die Falle auch wirklich funktionieren?“ erkundigte sich Onno. „Wir haben sie noch nicht ausprobiert.“

      „Keine Angst“ sagte Lüder Groot-Jehan. „Die Sache mit der Falle war meine Idee, und ich versichere dir, es wird alles so klappen, wie ich es mir vorgestellt habe. Los, meine Leute sind schon dabei, alle aus dem Dorf zusammenzutrommeln. Wir halten eine Besprechung ab. Ich will, daß wir uns alle einig sind.“

      „Gut.“ Onno stopfte sich die zu einem Drittel geleerte Flasche Korn in die Tasche, dann stapfte er sogleich ins Freie.

      Lüder zog Herma zu sich heran und küßte sie.

      „Bis bald“, sagte er, und mit diesen Worten verließ auch er das Haus, um dem bedrohlich schwankenden Onno zu folgen.

      Herma ließ sich seufzend auf einen Stuhl fallen und dachte: O Norderney, was soll bloß aus dir werden, wenn das alles so weitergeht?

      2.

      Nach ihrem Stapellauf und der bewegten Jungfernfahrt lag die „Isabella IX.“ wieder am Ausrüstungskai von Plymouth. Neben ihr war der Schwarze Segler Thorfin Njals vertäut, dessen vier Masten majestätisch und würdig in den grauen Himmel ragten.

      Philip Hasard Killigrew stand auf dem Achterdeck seines Schiffes und kontrollierte mit aufmerksamem Blick die Arbeiten, deren Ausführung er angeordnet hatte. Hesekiel Ramsgate – der Mann, der die „Isabella“ konstruiert hatte und nach Überzeugung der Seewölfe der beste Schiffsbauer von ganz England überhaupt war –, Schiffszimmermann Ferris Tucker, Big Old Shane, der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle, und der Takelmeister Roger Brighton nahmen kleine Verbesserungen vor, die Ramsgate Hasard dringend empfohlen hatte.

      Beispielsweise wurden jetzt Schwerwettersegel angeschlagen, denn es war ja harter Winter geworden. Das Anbringen des groben, schweren Tuches war eine Heidenarbeit, die ganze Crew packte mit zu, vom Profos Edwin Carberry bis hin zu den Zwillingen Philip und Hasard, und schließlich schickte Thorfin Njal noch ein paar seiner Männer als Verstärkung auf die „Isabella IX.“ hinüber.

      Als der größte Teil der Arbeiten bewältigt war, rief Hasard Ramsgate, den Wikinger und Jean Ribault zu einer kurzen Besprechung in seine Kammer. Die vier Männer tranken ein Glas Brandy.

      Dann wandte sich der Seewolf an Thorfin Njal und fragte: „Bleibt es wirklich bei dem, was du angekündigt hast? Ich meine, es wäre doch kein schlechter Gedanke, wenn wir auch weiterhin zusammen segeln würden.“

      „Gewiß wäre das nicht schlecht“, brummte der Wikinger. Dann lachte er rauh. „Aber wohin führt denn der Kurs, wenn man fragen darf?“

      „In die Neue Welt.“

      „Auf Beutezug?“

      „Natürlich auf Beutezug“, erwiderte Hasard. „Außerdem gibt es dort drüben noch ein paar Fleckchen Erde, die wir nicht richtig ausgekundschaftet haben.“

      „Es existieren sogar Plätze, die wir überhaupt noch nicht kennengelernt haben“, fügte Jean Ribault hinzu. „Wenn ich da an das geheimnisvolle Florida denke, an die Küsten, die von Coronado und De Soto bereist wurden – da wartet noch so einiges auf uns, Freunde.“

      „Hört sich hochinteressant an“, sagte Hesekiel Ramsgate. „Soll es da nicht auch den berühmten Jungbrunnen geben?“

      „Ja“, erwiderte Jean. „Aber keiner weiß, ob die Quelle der ewigen Jugend tatsächlich irgendwo im Sumpf oder in der Wüste darauf wartet, entdeckt zu werden, oder ob die Geschichte nicht doch nur ein Hirngespinst ist.“

      „Eine Legende“, sagte Hasard. „Ganz gewiß. Tut mir leid für dich, Hesekiel, aber du wirst auch so über hundert Jahre alt.“

      „Doch wenn wir Gold am Golf von Mexiko finden“, sagte Jean Ribault, „dann ist das für uns mehr wert als irgendein obskurer Brunnen. El Dorado ist letzten Endes kein Traum, das haben die Funde der Spanier und Portugiesen im Süden der Neuen Welt bewiesen, nicht wahr?“

      „Ja“, meinte der Seewolf. „Und es wird Zeit, daß wir ihnen wieder etwas von ihrem Reichtum abknöpfen, den sie sich auf unrechtmäßige Weise verschaffen. Wir sind die längste Zeit in Plymouth gewesen, jetzt geht es wieder auf große Fahrt.“

      Thorfin Njal lachte und hieb sich mit der Hand auf den Oberschenkel. „Ich weiß schon, auf was ihr hinauswollt, ihr Halunken. Breitschlagen wollt ihr mich, oder? Überreden lasse ich mich aber trotzdem nicht. Sicher, wenn ich das alles so höre, wird auch mir der Mund wäßrig, das gebe ich zu. Aber ich habe von der Neuen Welt und von der Schlangen-Insel vorläufig trotzdem die Nase voll.“

      „Mach doch, was du willst“, sagte Jean. „Fahr nach Norden hinauf und laß dir den Hintern abfrieren. Mir soll’s recht sein.“

      Thorfin sah ihn drohend an. „Willst du meine Heimat beschimpfen?“

      „Um Himmels willen, nein.“

      „Bei Odin, es ist nicht nur kalt im Nordland!“ stieß der Wikinger hervor. „Dort findest du auch das Glück, Jean Ribault, Wärme und Behaglichkeit, Met und Rentiere, so viele du willst. Es zieht mich mit aller Macht nach oben in die eisige Kälte, ich habe sie lange genug entbehrt.“

      „Na gut“, meinte Ribault. „Aber das mit Thule, den fernen und glücklichen Inseln, die du zu finden hoffst, ist ja doch bloß eine fixe Idee. Nein, reg dich nicht gleich wieder auf. Was ich dir in deinen Dickschädel hämmern will, ist nur folgendes: Die Sache mit Thule ist genauso erfunden wie die Mär vom Jungbrunnen.“

      „Da hört sich doch alles auf“, sagte der Wikinger entrüstet. „Hast du überhaupt eine Ahnung von den Geheimnissen des Nordens? Kennst du die Welt, in der Thor und Odin die Herrscher sind?“

      „Nicht wie du“, erwiderte der Franzose. „Aber ich habe das, was man einen gesunden Menschenverstand nennt. Gegenfrage: Weißt du, wo du die Inseln Thule