Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
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hat keinen Zweck“, sagte er energisch. „Der Kampf ist noch lange nicht vorbei. Old Donegal hat gemeldet, daß der spanische Verband in der östlichen Bucht von Grand Turk vor Anker gegangen ist. Also haben die Dons noch nicht aufgegeben. Denn sonst wären sie schleunigst westwärts gesegelt. Das ist der Punkt …“ Jean Ribault brach ab, denn die Aufmerksamkeit galt plötzlich nicht mehr ihm.

      Es war Araua, die aus der Mitte der Kriegerinnen und Krieger nach vorn trat. Die Tochter der Schlangenpriesterin bewegte sich mit seltsam gemessenen Schritten, fast wie eine Schlafwandlerin. Auch ihr Gesichtsausdruck bestärkte dies. Wie geistesabwesend, den Blick in eine unendliche Ferne gerichtet, verharrte sie in der Mitte der Versammlungsrunde.

      „Sie befindet sich in Trance“, flüsterte Jean Ribault seinem Nebenmann, Don Juan de Alcazar, zu. „Sie hat ähnliche Fähigkeiten wie ihre Mutter.“

      Don Juan wandte den Kopf und sah den Franzosen fragend an. Aber es gab keine Gelegenheit, sich weiter mit übersinnlichen Erscheinungen zu beschäftigen.

      Denn Araua hob jetzt wie beschwörend die Arme. Ihre Stimme klang wie aus einem hohlen Raum.

      „Ich spüre es, ja ich spüre es sehr deutlich – die Willenskraft des Seewolfs, die Botschaft seiner Seele. Ich fühle, daß er mir etwas mitteilen möchte, es uns allen mitteilen möchte – er ist nicht tot! Nein, er ist nicht tot! Philip Hasard Killigrew lebt!“

      Die letzten Worte hatte sie wie einen Schrei ausgestoßen.

      Im nächsten Moment schien alle Kraft aus Araua zu weichen wie nach einer unendlichen Anstrengung. Arkana lief auf sie zu und schloß sie in die Arme, bevor sie in sich zusammensinken konnte. Dann führte die Schlangenpriesterin ihre Tochter in den Kreis der anderen zurück.

      Noch minutenlang herrschte völlige Stille. Ergriffen blickten die Männer auf das schlanke junge Mädchen, dessen Prophezeiung neue Hoffnung in ihnen geweckt hatte. Aber sie wußten auch, daß sie sich an diese Hoffnung nicht klammern durften.

      „Es ist wahr“, flüsterte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Araua kennt die Wahrheit.“ Keiner der anderen sah ihn in diesem Augenblick spöttisch an, wenn er auch vielleicht der einzige war, der fest und unerschütterlich an die übersinnlichen Fähigkeiten des Mädchens glaubte, das die Tochter des Seewolfs war.

      Jean Ribault war es, der die Aufmerksamkeit schließlich wieder auf das Vordringliche lenkte.

      „Wir können trotz allem die Hände nicht in den Schoß legen“, sagte er heiser. „Ich wiederhole: Der entscheidende Punkt ist, daß die Spanier bei Grand Turk vor Anker liegen. Wir sollten als nächstes erörtern, was wir unternehmen wollen. Bevor wir das tun, so meine ich, sollten wir aber die neuen Mitglieder willkommen heißen.“

      Beifall wurde laut.

      Jean Ribault nickte Don Juan aufmunternd zu.

      Der hochgewachsene Spanier lächelte und forderte seine Männer auf, gemeinsam mit ihm vorzutreten. Nacheinander stellte er Ramón Vigil und die Decksleute der Schebecke vor. Zum Schluß schilderte er mit knappen Worten seine eigene Geschichte und begründete seinen Entschluß, auf die Seite des Mannes überzuwechseln, den er eigentlich hatte jagen und zur Strecke bringen sollen.

      „Ich habe erkennen müssen, wieviel Unrecht im Namen der spanischen Krone geschieht“, schloß Don Juan. „Der Seewolf hat mir die Augen geöffnet. Um so mehr bedaure ich, daß er nicht mehr in unserer Mitte weilt.“

      Abermals erhielt er Beifall von den Zuhörern.

      Thorfin Njal, dessen Kupferhelm im Sonnenlicht funkelte, trat wortlos auf den Spanier zu, hieb ihm die Riesenpranken auf die Schultern und schüttelte ihm dann die Hand. Auch die übrigen Kapitäne, Siri-Tong und die Schlangenpriesterin folgten dem Beispiel des Wikingers. Dann wandte sich Thorfin mit dröhnender Reibeisenstimme an die Versammlungsrunde.

      „So. Und jetzt sollten wir nicht länger Löcher in den Sand stehen. Das Beste ist, wir laufen mit allen Schiffen aus. Und dann schießen wir die spanischen Torfköppe in ihrer Bucht zu Klump, bevor sie ihre lausigen Kähne repariert haben und die Schlangen-Insel noch mal angreifen können. Dagegen hat wohl keiner was einzuwenden, oder?“ Er verschränkte die Arme über dem Brustkasten und blickte in die Runde.

      „Kein schlechter Vorschlag“, sagte Dan O’Flynn nach kurzem Nachdenken. „Eigentlich ist nichts daran auszusetzen. Wenn wir so handeln, befolgen wir die taktische Regel, einem bereits angeschlagenen Gegner nicht die Zeit zu lassen, sich zu erholen.“

      Zustimmendes Gemurmel wurde laut.

      „Endlich mal ein vernünftiges Wort!“ rief der Wikinger und nickte grimmig. „Ich sage euch, das ist noch immer die beste Methode: drauf und den ganzen Verband zusammenhauen, bevor sie überhaupt kapieren, was passiert.“

      „Ein überfallartiger Angriff“, sagte Siri-Tong beipflichtend. „Ausnahmsweise teile ich deine Meinung, Thorfin. Wir hätten das Überraschungsmoment auf unserer Seite – und damit den entscheidenden Vorteil.“

      „Haargenau!“ rief Matt Davies. „Denen machen wir Feuer unter dem Hintern, wie sie es verdient haben.“

      „Rache für den Seewolf!“ brüllte Luke Morgan, und sein Gesicht rötete sich dabei vor Zorn.

      Augenblicklich stimmten die anderen mit ein, und der Ruf aus den vielen heiseren Kehlen hallte wie Donner von den Felswänden der Schlangen-Insel zurück.

      „Rache für den Seewolf!“

      Es folgte der alte Kampfruf aus Cornwall, jenes schmetternde „Ar – we – nack!“, das Philip Hasard Killigrew so oft in den Ohren geklungen hatte, wenn er mit seiner Crew mitten durch die schlimmsten Höllenfeuer und Eisengewitter gesegelt war.

      Pater David war einer der wenigen, die sich nicht an dem Gebrüll beteiligten. Er sah die verhärteten Gesichter der Arwenacks, und er konnte sich sehr wohl vorstellen, wie Wut und Schmerz in ihnen brodelten und kochten. Ihr Verlangen nach Rache war nur allzu verständlich. Der Tod des Seewolfs war ihnen unter die Haut gegangen, und der nach Vergeltung schreiende Stachel steckte tief in jedem einzelnen von ihnen.

      Der riesenhafte Gottesmann schüttelte den Kopf. Nein, so ging es nicht. Er fühlte sich verpflichtet, ihnen den rechten Weg zu weisen, er durfte sie in ihrem gerechten Zorn nicht alleinlassen. Mit erhobenen Armen trat er auf die freie Fläche in der Mitte der Versammlungsrunde und wandte sich nach allen Seiten.

      Nach und nach wurde es ruhiger, doch ein wütendes Gemurmel wollte nicht ganz verstummen.

      „Hört mich an!“ rief Pater David und bemühte sich, seiner Stimme einen milden Klang zu verleihen. Er konnte aber nicht verhindern, daß es dennoch wie ein Donnergrollen dröhnte. „Ihr seid erfüllt von dem Wunsch nach Rache, wollt Blut mit Blut vergelten. Seid gewiß, ich kann verstehen, wie euch zumute ist. Ich habe den Seewolf kennen- und schätzengelernt, und mir ergeht es kaum anders als euch. Aber, so glaubt mir, man darf seine Gedanken nicht von ungestümen Gefühlen überrumpeln lassen. Es ist nicht gut, Entschlüsse zu fassen, wenn der Kopf und das Herz von Rachegedanken erfüllt sind. Ich bitte euch dringend, laßt euch nicht allein von der Wut leiten!“

      Es war still geworden, als Pater David seine kurze Ansprache beendete. Betroffene Blicke folgten ihm, als er an seinen Platz zurückging.

      „Was gibt es da viel zu überlegen?“ brüllte Thorfin Njal kurz darauf. „Wir sind sowieso in der Übermacht, und wir schießen ihre lausigen Torfkähne ruckzuck in Stücke. Schiefgehen kann dabei überhaupt nichts.“

      Don Juan de Alcazar meldete sich zu Wort, indem er die Rechte hob.

      „Ich denke, ich sollte auf einige Punkte hinweisen“, sagte er gelassen. „Eins erscheint mir vor allem wichtig: Bei einem Mann wie Capitán Cubera muß man davon ausgehen, daß er sich nicht überraschen lassen wird. Zumindest wird er Ausguckposten aufgestellt haben. Er kann also rechtzeitig Abwehrmaßnahmen ergreifen, wenn sich nähernde Schiffe gemeldet werden. Hier auf der Schlangen-Insel wird letzten Endes nicht anders verfahren.“ Er hielt inne und sah sich um.

      Seine Worte