Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
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      „Ob der Gegner davon etwas ahnt?“

      „Nein“, erwiderte sie. „Deswegen wird er sich noch gehörig wundern.“ Sie wandte sich wieder der Beobachtung der Schiffe zu. Sie alle standen an dem Gesteinssims, den ihre „Gefechtsstation“ zur See hin bildete, und spähten durch die Kieker zu den Decks des Feindes. Daß auf der „San José“ immer noch eingehend beratschlagt wurde, entging ihnen ebensowenig wie das schrille Geschrei des Don Antonio, der – seinen Lauten nach zu urteilen – offenbar bei lebendigem Leibe gevierteilt wurde.

      Etwa anderthalb Stunden waren verstrichen. Jetzt kehrten die Kommandanten wieder an Bord ihrer Schiffe zurück. Wenig später setzten sich die Schiffe in Bewegung und verteilten sich rund um die Insel, wobei die Distanz gewahrt wurde, auf die die Kanonen der Verteidiger nichts auszurichten vermochten.

      „Seht mal“, brummte Ramsgate. „Auf den Schiffen wird schwer gearbeitet. Sie geben sich wirklich Mühe, das muß man ihnen lassen. Sie takeln die Rahen neu und flicken die zerhackten Schanzkleider.“

      „Dann haben sie sicherlich für einige Zeit genug zu tun“, meinte Pater David. Er deutete nach Süden. „Und das Flaggschiff liegt jetzt dort – an der Leeseite der Insel, nicht wahr?“

      „Ja“, entgegnete Arkana. „Ob das wohl was zu sagen hat?“

      Karl von Hutten beobachtete durch das Spektiv den schlanken, straffen Mann auf dem Achterdeck der Galeone. „Er hat was vor, scheint mir. Er läßt sich den Kieker reichen und betrachtet lange und ausgiebig einen bestimmten Punkt.“

      „Welchen?“ wollte Pater David wissen.

      „Na, die beiden südlichen Buchten, schätze ich“, entgegnete von Hutten.

      „Richtig“, sagte auch der alte Ramsgate. „Na, nun ratet mal. So schwierig ist es doch nicht.“

      „Er will landen“, sagte Arkana. „Aber wir werden das zu vereiteln wissen.“ Plötzlich schien sie sich in einem stummen Zwiegespräch mit dem Schlangengott zu befinden, ihre Miene nahm einen entrückten, konzentrierten Ausdruck an. Dieser Zustand hielt nur kurze Zeit an, dann erklärte sie: „Ja. Sie werden bei Dunkelheit dort, bei den beiden südlichen Buchten, angreifen und landen.“ Ihre Stimme klang fest, sie schien jetzt unbeirrbar zu sein.

      Karl von Hutten wollte sie fragen, ob sie dafür Hinweise vom Schlangengott habe, aber er unterließ es dann doch. Er war selbst davon überzeugt, daß der Gegner einen Ausfall dieser Art unternehmen würde.

      „Die beiden Buchten bieten sich wirklich dafür an“, sagte auch Ramsgate. „Also, auf was warten wir noch? Tun wir was. Wir treffen Maßnahmen für die Abwehr, damit es keine böse Überraschung gibt.“

      Arkana sprach mit ihren Kriegern, und wenig später setzte Bewegung ein. Gestalten huschten zwischen den Felsen auf und ab, unsichtbar für den Gegner, der seinerseits die Schlangen-Insel pausenlos beobachtete. Eine neue Aktion bahnte sich an, die kurze Zeit der Ungewißheit und des beiderseitigen Abwartens schien vorbei zu sein. Die Zeit verstrich jetzt schneller. Schon bald ließ das Licht des Tages nach und wich den rötlichen Schleiern der Abenddämmerung.

      Die Sonne senkte sich als Feuerball auf die westliche Kimm und schickte sich an, in die See zu tauchen. Von Osten krochen dunkle Schatten heran. Die Nacht kündigte sich mit großen Schritten an, und ein dunkler, drohender Gigant schien seine Klauen nach der Insel auszustrecken, die sich nach wie vor in der Umklammerung des Feindes befand.

      Noch bestand die Patt-Situation, und Don Garcia Cubera und seine Männer bissen bei den Verteidigern auf Granit. Doch auch Arkana, von Hutten, Pater David, Ramsgate und ihre Kameraden befanden sich in einer Falle. Sie konnten die Insel nicht verlassen. Sie waren dazu verdammt, hier zu verweilen, ganz gleich, wie sich die Situation entwickelte.

      Um sechs Uhr abends versank die Sonne im Westen, die Dämmerung war nur von kurzer Dauer gewesen. Don Garcia Cubera stand am Steuerbordschanzkleid der „San José“ und blickte, die Hände aufgestützt, fortwährend zur Insel, die sich jetzt nur noch als Schemen vor ihm abhob. Engländer, dachte er zornig, wir kriegen euch doch noch. Wir schlagen euch ein Schnippchen, auf Teufel komm raus und koste es, was es wolle.

      Dennoch bewahrte er die Ruhe und bezwang seine immer wieder aufwallenden Haßgefühle. Es galt, jedes Gefühl aus dem Spiel zu lassen und so kühl und gelassen wie möglich zu bleiben. Umsicht und Disziplin waren die Grundvoraussetzungen für eine genau kalkulierte, bis in die letzten Einzelheiten durchdachte Aktion.

      Sein Blick fiel auf die leise herangleitende Schaluppe. Bislang, hatten die Schaluppen die Insel umkreist wie hungrige Haie auf der Suche nach Beute. Das Manöver hatte möglicherweise tatsächlich dazu gedient, den Feind abzulenken und die Absichten der Verbandsführung zu verschleiern. Cubera aber setzte voraus, daß der Gegner, der im Dunkeln zwischen den Felsen lauerte, sich nicht im geringsten beirren ließ. Er hatte bewiesen, daß er gerissen war, und es hatte nicht den geringsten Sinn, sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben.

      Folglich war größte Vorsicht geboten. Der Feind durfte nicht einmal ahnen, was jetzt an Bord der Schiffe vor sich ging.

      Die Schaluppe legte mit einem feinen Geräusch an und schor längsseits bis zu der Jakobsleiter, die Cubera hatte ausbringen lassen. Die anderen Schaluppen waren zu den übrigen Schiffen unterwegs und legten dort ebenfalls in diesem Moment an.

      Leise Anweisungen wurden gesprochen, jeder bemühte sich, keine zu lauten Geräusche zu verursachen. Cubera verfolgte das Auf und Ab der Gestalten auf den Decks seiner Schiffe. Die Seesoldaten begaben sich auf das Hauptdeck, kletterten über das Schanzkleid und enterten an der Jakobsleiter ab, dann nahmen sie auf den Duchten der Schaluppe Platz. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet mit Musketen, Pistolen, Säbeln und Messern, Pulverhörnern und Kugeltaschen. Dichtes Gedränge herrschte nun an Bord der Schaluppe, aber das Durcheinander hatte geordneten, disziplinierten Charakter. Alles spielte sich in äußerster Ruhe ab, ohne daß ein Wort gesprochen wurde.

      Die gleiche Szene fand an Bord der fünf anderen Schaluppen statt, die bei der zweiten Galeone und den beiden Schaluppen längsseits gegangen waren. Die Seesoldaten gesellten sich zu den regulären Besatzungen der Schaluppen und bereiteten sich auf das Landemanöver vor. Alles war genau abgesprochen, es bedurfte keiner einzigen Äußerung mehr.

      Alle Schiffe waren abgeblendet, nur in den Kohlenbecken glomm die Holzkohle zum Entfachen der Lunten, die hier und da einen gespenstischen Schein auf das Gesicht eines Mannes warf.

      Schatten senkten sich von den Schiffen auf die See – die Jollen wurden abgefiert und ebenfalls bemannt. Wenig später lösten sie sich zusammen mit den Schaluppen von den Bordwänden der Schiffe, und das Unternehmen konnte beginnen.

      An Bord der Schiffe wurden Segel gesetzt – Fock, Großsegel, Besan und Blinde. In gezügeltem Tempo nahmen sie Fahrt auf und segelten in Lee an die beiden südlichen Buchten heran. In ihrem Gefolge befanden sich die Jollen und Schaluppen mit den Landetruppen.

      Ruhig vollzog sich das Manöver, und nichts schien die Besatzungen jetzt stören zu können. Unbehelligt arbeiteten sie auf ihren Posten. Die Schiffe schwenkten auf den von Cubera festgelegten Kurs ein. Bald war es soweit: Die vier Schiffe lagen in Kiellinie und wandten ihre Steuerbordseite den Buchten zu. Die Segel wurden ins Gei gehängt, sie gelangten zum Stillstand.

      Die Landungsboote brachen zu den Buchten vor – und plötzlich zerriß der scharfe, schmetternde Klang eines Kornetts die bisherige Totenstille. Das war das Zeichen, das Don Garcia Cubera von Bord der „San José“ aus geben ließ. Von einem Augenblick zum anderen verwandelte sich die Ruhe in ein donnerndes, tönendes Inferno, in dem die Schiffsgeschütze die Melodie vorgaben.

      Dick leckten die Mündungsfeuer aus den Rohren, fett stieg der Rauch im Aufblitzen hoch. Die Kugeln rasten über die Bootsinsassen weg, vier Breitseiten orgelten auf die Landzungen zu, von denen die Südbuchten begrenzt waren.

      Aber der Gegner schlief nicht, er war auf dem Posten. Nichts schien sich an Land zu regen, verlassen wirkte die Uferregion – und doch war sie plötzlich von schnellem, huschendem Leben erfüllt. Don Garcia Cuberas Feind antwortete dieses Mal fast sofort.