„Brandpfeile!“ schrie einer der Toppgasten auf der „San José“. „Aufpassen!“
„Alle Mann in Deckung!“ brüllte der Kapitän der zweiten Galeone.
Dutzende von Brand- und Pulverpfeilen rasten auf die Schiffe zu – und auch auf die Jollen und Schaluppen. Im Nu waren alle dem Feuerhagel ausgesetzt, und erste Schreie gellten von den Jollen und Schaluppen zu den Schiffen herüber. Dann wurde es auch auf den Galeonen und Karavellen laut.
Eine Karavelle wurde in der Kuhl von zwei Pulver- und vier Brandpfeilen getroffen, und im Krachen der Explosionen setzte dort sogleich Wuhling ein, die der Kommandant und die Offiziere nur schwer wieder unter Kontrolle brachten.
„Feuer!“ schrie Cubera, als die Geschütze der Steuerbordbatterie wieder nachgeladen waren. „Gebt euch keine Blöße! Laßt euch nicht beirren! Feuer!“
Aber jetzt donnerten auch an Land die Kanonen – und grellrote Schlitze wurden in die Nacht gestanzt. Allmächtiger, dachte Cubera, sie haben auch hier ihre Siebzehnpfünder – und Drehbassen. Der Teufel soll sie holen.
Doch sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Es hagelte weiterhin Kugeln und Pfeile, trotz des massiven Beschusses durch die Schiffe. Die Schaluppen- und Jollenbesatzungen gerieten mächtig in Bedrängnis. Cubera konnte Gestalten sehen, die sich in einem Boot aufrichteten und dann ins Wasser kippten. Das Geschrei schwoll an und schien nicht mehr enden zu wollen.
Dies war die Insel des Teufels, auf die offenbar kein Spanier seinen Fuß setzen sollte, ohne daß er sich verbrannte.
Das Gefecht brandete hin und her, und alles schien in einem glutigen Teppich zu versinken, der sich über die See senkte. Es krachte, dröhnte und donnerte, als stehe das Ende der Welt bevor. Doch der Gegner hatte seine letzten Trümpfe noch nicht ausgespielt. Er hielt noch mehr Überraschungen bereit.
6.
Karl von Hutten hatte in der Dunkelheit einige Aktivitäten entwickelt, von denen der Feind nichts ahnte. Er hatte fast alle Kämpfer zur Südküste zusammengezogen, dann waren die Ketten vor den Einfahrten zu den beiden Buchten straff durchgehievt worden, um den Landungsbooten eine Falle zu stellen.
Diese Vorrichtung, die auch vor den Eingängen anderer Buchten der Insel angebracht war, war von Hesekiel Ramsgate zusammen mit Ferris Tucker entworfen und gebaut worden. Die Ketten wurden mittels Strecktauen und einer Seilwinde straff durchgesetzt, so daß sie sich jetzt etwa anderthalb Handbreit unter Wasser von einer Seite zur anderen spannten. Sie waren unsichtbar – nicht nur für den Gegner, sondern auch für die Männer der Insel, die in ihren Deckungen kauerten und mit wildem Ausdruck auf das Nahen der Spanier warteten.
Immer wieder huschten die verheerenden Brand- und Pulverpfeile von den Bogensehnen der Schlangen-Krieger und schwirrten durch die Nacht. Der Hagel riß nicht ab – und er richtete Fürchterliches bei dem Gegner an.
Der Erfolg dieses Beschusses lag in der Vielzahl der Pfeile, die pausenlos angezündet, angelegt und abgesandt wurden. Die Indianer bewiesen Schnelligkeit und Geschick, und nur wenige Pfeile waren schlecht gezielt und verpufften wirkungslos im Wasser.
An Bord der Schiffe waren die Spanier gezwungen, Männer zur Feuerbekämpfung abzustellen. Sie fluchten und tobten, aber es nutzte ihnen alles nichts, die Pfeile bohrten sich wie glühende Nägel in die Planken und in die Takelagen.
Für kurze Zeit schien der Angriff ins Stocken zu geraten, und fast wirkte es, als zögen die Schaluppen- und Jollenführer ernstlich in Erwägung, umzukehren und den Rückzug anzutreten. Dann aber hallten ihnen von Bord des Flaggschiffes neue Befehle und Anfeuerungen nach, und sie pullten weiter und trachteten danach, die Barriere des Widerstandes zu durchbrechen.
Drehbassen und Kanonen hatten auf der Schlangen-Insel massiv in die Abwehr eingegriffen, aber das war noch nicht alles. Von Hutten, Ramsgate und die Männer der Werft hatten in den Tagen vor der Schlacht für eine weitere „Wunderwaffe“ gesorgt, die jetzt zum Einsatz gebracht wurde: Wurfbomben.
Ferris Tucker war der eigentliche Erfinder dieser Flaschenbomben, die auch Höllenflaschen genannt wurden. Er erhob aber keineswegs den Anspruch auf ein Monopol, sondern zeigte bereitwillig jedem, der es lernen wollte, wie man eine solche Bombe herstellte: Pulver, Blei, Eisen und gehacktes Glas wurden in eine Flasche gefüllt, die fest mit einem Korken verschlossen wurde. Durch den Korken lief eine Zündschnur, die nach dem Entfachen bis ins Innere weiterglomm und auf diese Weise die Ladung auch dann zum Detonieren brachte, wenn die Flasche im Wasser landete und unterging.
Karl von Hutten, Ramsgate und Pater David kauerten zwischen den Felsen und reichten die Höllenflaschen an die Schlangen-Krieger weiter. Die Lunten wurden entfacht und begannen knisternd abzubrennen, ihre Funken waren wie ein flimmernder Sprühregen.
Arkanas Krieger jonglierten mit den Flaschen wie Zauberkünstler, sie warfen sie sich untereinander zu. Der jeweils am weitesten vorn stehende Mann vollführte einen tollkühnen Satz und schleuderte das Wurfgeschoß im Hochspringen auf die heranpullenden Jollen und Schaluppen. Sie riskierten dabei, selbst getroffen zu werden, aber wie durch Hexerei gelang es ihnen immer wieder, sich vor den Schüssen des Gegners gerade noch rechtzeitig in Deckung zu werfen.
Von den Jollen und Schaluppen aus, die am weitesten vorn lagen, also das Ufer der Insel nahezu erreicht hatten, wurden inzwischen Musketenschüsse auf den Gegner abgefeuert. Die Seesoldaten richteten sich von ihren Duchten auf und zielten auf die hochspringenden Gestalten, so gut ihnen das in der Dunkelheit möglich war. Die Mündungsfeuer der Kanonen und Drehbassen, die immer wieder zwischen den Felsen aufzuckten, erleichterten es ihnen ein wenig – und so erkannten sie auch, daß es sich bei den Verteidigern um halbnackte, braunhäutige Männer handelte.
„Indianer!“ brüllte ein Sargento und betätigte den Abzug seiner Muskete. Es krachte, aber die Kugel verirrte sich wirkungslos zwischen den Felsen.
Der Krieger, auf den der Sargento gezielt hatte, war wie ein Spuk wieder verschwunden, aber die von ihm geschleuderte Flaschenbombe taumelte mit zischender Lunte durch die Luft, auf die Jolle zu, in der der Sargento mit seinem Trupp saß.
Dieser Sargento glaubte bereits, es geschafft zu haben und als erster auf der Insel des Feindes zu landen. Gedanken nahmen in seinem Geist Gestalt an, die ihn als todesmutigen Kämpfer mitten zwischen den Reihen der Gegner zeigten. Er siegte – und die Beförderung zum Teniente war ihm gewiß.
Aber die Vorstellung blieb ein Traum.
Die Flaschenbombe senkte sich auf das Boot und landete zwischen den Duchten. Die Spanier brüllten auf und versuchten, dem rollenden Ding auszuweichen, gerieten sich dabei jedoch gegenseitig ins Gehege. Sie rempelten sich an, fluchten, schrien und stolperten. Zwei Soldaten verloren das Gleichgewicht und stürzten ins Wasser.
Der Sargento bückte sich gedankenschnell nach der Flasche und hob sie auf. Er wollte sie weit von sich schleudern, zurück zum Gegner, aber er gelangte nicht mehr dazu. Sie explodierte in seiner Hand.
Cubera verfolgte mit versteinerter Miene vom Achterdeck der „San José“, wie es die Jolle auseinanderriß. Nur wenige Augenblicke darauf sank auch eine Schaluppe unter dem Beschuß von Kanonenkugeln, Pfeilen und Wurfbomben. Das Höllenfeuer brandete von Boot zu Boot, und auch die neuerlichen Breitseiten, die die Schiffe auf das Ufer abfeuerten, vermochten die Landungsfahrzeuge nicht ausreichend zu decken.
„Indianer!“ gellte es wieder.
Einer der Schaluppenführer hatte es gerufen. In das Wort hinein fiel der Donner einer detonierenden Flasche, und wieder wirbelten Holztrümmer durch die Nacht.
Indianer, dachte Cubera bestürzt und verwirrt. Er war jetzt völlig fassungslos. Was hatten die Eingeborenen auf der Insel zu suchen? Englische Piraten hatte er anzutreffen gemeint, statt dessen entpuppten sich die Verteidiger der Insel als Wilde. Wer hatte sie hergeholt? Die Engländer? Cubera konnte es sich nicht vorstellen.
Ein Pakt zwischen Weißen und Rothäuten war gleichsam absurd, Welten