„Ha!“ rief Donegal entrüstet. „Du willst doch wohl diesen lausigen Hafen nicht mit meiner Rutsche vergleichen. Die Dons wenden sicher einen Trick an, ich kenne das.“
„Jaja, vielleicht hast du recht“, sagte der Profos erschlagen, „vielleicht haben sie da auch eine Rutsche und rutschen mit ihren Galeonen einfach den Berg rauf und runter!“
„Das ist alles möglich. Jedenfalls haben sie den Hafen mit Sicherheit gut getarnt.“
Dem Profos standen schon die Tränen in den Augen, und er schielte auf O’Flynns faltigen Hals, als wolle er den ein bißchen in die Länge ziehen. Der alte Bursche hatte sich nun einmal in die Idee verrannt, daß es da oben einen Hafen gab, und das war ihm nicht mehr auszutreiben. Er ging einfach davon aus – basta! Alles, was man ihm darüber sagte, plätscherte ungehört an seinen Ohren vorbei.
Der Profos gab es auf und seufzte tief und entsagungsvoll.
„Was seufzt du denn?“ fragte O’Flynn.
„Bier und Rum, und das nicht zu knapp“, versprach Carberry. „Wir kriegen deine Pinte schon ausgenuckelt.“
„Hä?“ fragte der Alte verdattert. „Bier und Rum? Ich meinte doch etwas ganz anderes.“
„Rum und Bier genügen mir“, reimte Ed bescheiden. „Ich hoffe, du hast noch genügend Vorrat, denn wenn ich mir den Wikinger so ansehen, dann glaube ich, daß der heute seinen Kummer qualvoll ersäufen wird, und dazu braucht er eine ganze Menge.“
Etwas später befand sich die ganze Meute in Donegals Rutsche, die wegen der vielen durstigen Kehlen aus allen Nähten zu platzen drohte.
Vorherrschendes Gesprächsthema war das neue Unternehmen, das in den schillerndsten Farben gemalt wurde. Ribault war der Mann des Tages, denn schließlich war der Gedanke ja auf seinem Mist gewachsen, wie der Profos laut sagte. Daß er das alles zuerst als „Käse“ abgetan hatte, wollte er jetzt nicht mehr wissen.
Es ging hoch her in Old Donegals Rutsche an diesem Abend, obwohl einige Männer enttäuscht und sauer waren, daß sie zurückbleiben mußten.
Ganz besonders traf das auf den Wikinger Thorfin Njal zu. Der saß beleidigt in einer Nische und soff sich den Kragen voll.
„Immer ich“, lallte er, „mein ‚Eiliger Drache über den Wassern‘ kann ja vergammeln und verfaulen, und eines Tages wachsen mir aus meinem Helm noch große Hörner.“
„Vielleicht setzt der Stör dir mal ein paar Hörner auf“, lästerte Smoky und spielte damit auf Thorfins unbegründete Eifersucht gegenüber dem Stör an, auf den der Wikinger stets ein wachsames Auge hatte, sobald Gotlinde in der Nähe war.
Jetzt war Thorfin schon ziemlich abgefüllt. Er schwankte leicht, in seinen Augen loderte der Zorn.
„Wer hat das gesagt?“ fragte er drohend.
„Ich“, sagte Smoky, „aber offenbar verstehst du heute nicht den geringsten Spaß.“
„Versteh’ ich auch nicht!“ brüllte der Wikinger. „Das werde ich dir gleich zeigen.“
Er schwankte hin und her und torkelte auf Smoky zu, der ganz schmale Augen kriegte, als das Monstrum von Wikinger heranwalzte und mit den Händen alles zur Seite fegte, was sich ihm auch nur annähernd in den Weg stellte. Der Poltermann sah rot, und er brauchte ein Ventil, um seine Enttäuschung abzulassen. Da kam ihm Smokys blöde Bemerkung gerade recht.
Erst wollte Hasard eingreifen, doch dann überlegte er es sich anders. Er konnte nicht immer die Glucke spielen, Smoky hätte sich die Bemerkung ja auch verkneifen können.
Der einzige, der nicht im geringsten besorgt schien und schon seit einer ganzen Weile hinterhältig grinste, war Old O’Flynn.
In der Rutsche – daher hatte sie ja auch ihren Namen – gab es eine verborgene Stelle, die unvermittelt ins Freie führte, allerdings über einen ziemlich unangenehmen Umweg. O’Flynn hatte diese Erfahrung seit jenem Tage hinter sich, als er die „Kneipe“ entdeckt hatte. Da war er auch in seiner Neugier zu hastig vorgedrungen, und dann hatte ihm plötzlich der Boden unter den Füßen gefehlt.
Ferris Tucker hatte diese Rutsche jedoch getarnt, und man konnte nicht mehr einfach hindurchfallen. Das ging nur, wenn es gewünscht oder einer zu stark wurde. Dann brauchte O’Flynn hinter der Theke nur auf ein Brett zu treten, das sich augenblicklich um die Achse verkantete und den Störenfried durch die Rutsche sausen ließ.
Als Donegal sah, daß es jetzt ernst wurde und der Wikinger wie ein Büffel in Richtung Steinwand lostobte, hatte er schon sein Holzbein auf dem Brett in Lauerstellung.
„Dir dreh’ ich den Hals um!“ brüllte Thorfin.
„Laß ihn in Ruhe!“ schrie Old O’Flynn.
Aber Thorfin hörte und sah nichts mehr, auch nicht das Grinsen der anderen, die größtenteils ebenfalls angeschickert waren.
Smoky wich dem heranrasenden Koloß blitzschnell aus, aber der Wikinger fuhr brüllend herum und riß noch einen Tisch mit sich. Dann landete er dicht vor der Wand.
Old O’Flynn trat grinsend zu. Zeit zum Abräumen, dachte er, sonst schlägt mir dieser Büffel noch alles zusammen.
Damit war die drohende Schlägerei schon beendet, noch ehe sie begonnen hatte.
Der Wikinger verschwand mit affenartigem Tempo in einem pechschwarzen Loch und sauste abwärts, der Ostbucht entgegen. Passieren konnte ihm nicht viel, denn Haie gab es da unten nicht mehr, seit die Bucht abgesperrt worden war.
Smoky, ebenfalls leicht beduselt, blickte sich verblüfft um. Er hatte gar nicht mitgekriegt, was soeben passiert war. Es war auch alles viel zu schnell gegangen.
Verdattert starrte er auf die Stelle, wo der Wikinger verschwunden war. Aber da war längst wieder glatter Boden, und nichts verriet mehr die hinterhältige Falle.
„Eben war er doch noch da“, murmelte er. „Und jetzt ist er weg, einfach so. Verdammt, kann der Kerl etwa zaubern? Wo isser denn?“
„Ja, wo isser denn?“ höhnten die anderen im Chor. „Vielleicht isser nach Hause gegangen.“
Smoky war so irritiert, daß er immer wieder nach dem Wikinger Ausschau hielt, doch der war und blieb fürs erste verschwunden. Für den verblüfften Smoky schien er sich in Luft aufgelöst zu haben. Er blickte auch nicht durch, als die anderen in brüllendes Gelächter ausbrachen und sich nicht mehr beruhigen konnten.
Thorfin Njal hingegen sah das alles wieder ganz anders.
Von einem Schlag zum anderen ist die Welt untergegangen, dachte er mühsam, weil ihm das Denken außerordentlich schwerfiel. Er hatte Smoky angestiert, und dann war alles ausgewesen, wie das so geht, schlagartig, urplötzlich.
Das also ist das Ende, dachte er benebelt. Jetzt zog er als echter Nordmann ins altnordische Valhöll ein, geleitet von den Walküren. Aber diese Walküren hatten einen sagenhaften Schlag drauf, einen so harten Schlag, als hätten sie ihm die Weltesche Yggdrasil, den die Welt tragenden Urbaum, um die Ohren geschlagen, denn immer noch rumpelte es überlaut an seinem Helm und polternde Geräusche waren ständig zu hören.
Bis zum Abend wird das aufhören, dachte er krampfhaft, denn dann war er bei Odin persönlich zu Gast und wurde von ihm bewirtet. So jedenfalls sagte die nordische Überlieferung, und warum sollte sich etwas daran geändert haben?
Aber mit dem Walhall klappte es auch nicht ganz so, wie sich das Thorfin in seinem benebelten Kopf vorgestellt hatte. Irgendwo war da ein mythologischer Fehler aufgetreten. Vielleicht gab es ja solche Pannen auf derartig unbekannten Routen. Jedenfalls unterzogen ihn die Götter vorher noch einer recht hinterhältigen und üblen Prüfung.
Sie ließen ihn wie einen großen Büffel in kaltes Wasser sausen, und da schlug er mit einer solchen Gewalt ein, daß er glaubte, ganz Walhall würde jetzt mit einem gewaltigen Bersten auseinanderfliegen. Das war vermutlich Thors Hammer, der ihm ins Kreuz gefahren war.
Meine