Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
Скачать книгу
Rebhuhn unterscheiden?“

      „Ganz bestimmt“, raunte der Junge ihm zu und ahmte den zirpenden Ruf der Drossel nach.

      „Na ja“, brummte der Alte. „Das ist wenigstens etwas.“ Plötzlich verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. „Wahrschau, ihr beiden, da vorn rührt sich was. Habt ihr eure verdammten Flinten überhaupt schon geladen?“

      „Und ob“, flüsterte Philip junior, vom Jagdfieber gepackt.

      „Dann geht mal ein paar Schritte vor. Schießt aber erst, wenn ich das Kommando dazu gebe.“

      „Aye, Sir“, murmelten die Jungen ehrfürchtig.

      Es regte sich wirklich etwas zwischen den Büschen am Hang, der vor ihnen aufragte. Was es wirklich war, konnten die drei in der Dunkelheit aber erst erkennen, als sie auf wenige Schritte heran waren. Old O’Flynn klappte vor lauter Verblüffung der Unterkiefer herunter.

      „Runter mit den Kanonen“, sagte er. „Das sind keine Fasanenhennen, ihr blinden Aale. Das sind ja …“

      „Frauen“, sagte Hasard junior und ließ die Schrotflinte sinken.

      Vor ihnen traten drei, vier, fünf und immer mehr junge Frauen aus dem Dickicht. Sie waren eigentümlich kostümiert und trugen große Tonkrüge und noch andere Sachen, die sich gleich als Brotlaibe, Obst und Käse entpuppen sollten.

      Die Frauen kicherten, gingen an Old O’Flynn und den Zwillingen vorbei und steuerten auf die Anhöhe zu, auf der Hasard und die anderen mit dem Fällen der Pinie beschäftigt waren.

      „Also gibt’s hier doch Menschen“, sagte Philip junior. „Ja, ist denn das die Möglichkeit? Was wollen die bloß?“

      Der Alte fuhr herum und eilte den Frauen nach.

      „He, Augenblick, was soll das?“ rief er, zuerst auf englisch, dann auf spanisch. „Ihr könnt doch nicht einfach …“

      Der Seewolf hörte sein Rufen, richtete sich auf und blickte zu den Frauen. Carberry, Shane, Ferris und die anderen hoben ebenfalls die Köpfe.

      „Mein lieber Mann“, sagte der Profos. „Da brat mir doch einer einen Stint. Hat die Welt so was schon gesehen?“

      „Aufpassen“, sagte Hasard. „Das könnte ein Trick sein. Haltet die Augen nach allen Seiten offen.“

      Er hatte allen Grund, mißtrauisch zu sein. Schon einmal waren sie durch Mädchen hereingelegt worden, die ihnen begeistert zugewinkt und ihnen Geschenke gebracht hatten – an einem ganz anderen Platz der Welt, aber unter ähnlichen Bedingungen.

      Die Frauen – es waren acht, wie Hasard jetzt zählen konnte – näherten sich ohne Zögern und deuteten Verbeugungen an, als sie sich nur noch wenige Schritte von den Männern entfernt befanden.

      Sie setzten ihre Krüge auf dem Boden ab, nahmen kleine Becher zur Hand und begannen sie zu füllen.

      „Ich wette eins zu tausend, daß das kein Wasser ist“, sagte Gary Andrews zu Luke Morgan.

      „Ruhe“, sagte der Profos. „Maul zu und Augen offen halten, ihr Kanalratten.“

      „Das tun wir doch“, raunte Gary Andrews. Und ob sie die Augen offen hielten! Sie taten ja nichts anderes, als diese allerliebsten, lächelnden, dunkelhäutigen Geschöpfe zu betrachten, die jetzt Brot und Käse anschnitten, die Becher verteilten und mit Weintrauben, Feigen und Orangen hantierten.

      Jella, die Anführerin, vollführte einen kleinen Knicks vor Hasard und drückte ihm den Becher in die Hand.

      „Trink, Fremder“, sagte sie mit aufmunterndem Lächeln. Sie sprach Spanisch mit hartem, etwas kehligem Akzent. „Und willkommen auf Rhodos. Unsere Männer haben euer Schiff gesehen und uns zu eurer Begrüßung hergeschickt.“

      Sie trug die gleiche Kleidung wie die anderen auch – die Tracht der Frauen von Rhodos, Kavai genannt, einen blauen, langärmeligen Kittel, der ein weißes, hemdähnliches Gewand überdeckte, lange, in Stiefeln steckende Pumphosen, einen Gürtel, eine Schürze und ein Kopftuch. Diese Sachen hatten ihre Begleiterinnen und sie sich von den Mädchen „ausgeliehen“, die in Pigadia gefangengehalten wurden.

      „Ist es üblich, Besucher der Insel so zu begrüßen?“ fragte der Seewolf.

      „Ja. Es ist ein alter Brauch. Wein und Obst, Brot und Käse, das ist alles, was wir haben, aber wir geben es gern und laden euch in unsere Häuser ein.“

      „Danke. Du sprichst gut Spanisch.“

      „Bist du ein Spanier?“

      „Engländer.“

      „Dann sprichst du aber auch sehr gut ausländisch.“ Sie lachte verhalten. „Ausländisch ist wohl nicht richtig, oder? Verstehst du auch unsere Muttersprache?“ Sie sagte ein paar Worte, doch er schüttelte nur den Kopf.

      „Was ist das?“ wollte er wissen. „Griechisch?“

      „Nein. Die Sprache von Pigadia. Pigadia, so heißt unser Dorf. Jedes Dorf hat seinen eigenen – Dialekt. So sagt man doch, nicht wahr?“

      „Ja.“

      Sie lächelte ihm wieder zu. Hasard blickte zu den anderen und stellte fest, daß die Männer alle mit Wein und Brot bedient worden waren. Sie sahen ihn aber zweifelnd an und wußten nicht, ob sie die Geste annehmen sollten oder nicht. Verlegenheit entstand.

      Old O’Flynn und die Zwillinge waren inzwischen auch zurückgekehrt und erhielten sofort ebenfalls jeder einen Becher Wein.

      Hasard fragte sich, ob das Benehmen dieser Frauen im Grunde nicht doch sehr eigenartig war. Ihre schnelle Vertraulichkeit, ihr einladendes Lächeln – konnte denn das nicht falsch verstanden werden? Welcher Insulaner schickte schon so bereitwillig seine Frau in die Nacht hinaus, um Fremde zu empfangen, von denen keiner wissen konnte, wie sie diese Höflichkeit erwidern würden?

      Es gab Hasards Meinung nach nur einen Mann auf dieser Erde, der es als seine Pflicht ansah, dem Gast auch gleich seine Frau mit anzubieten – der Eskimo. Nirgendwo anders schien es diesen Brauch zu geben, der einen ahnungslosen Besucher in größte Verlegenheit bringen konnte.

      Und: Wirkten diese Inselfrauen nicht etwas zu orientalisch? Konnte hier nicht doch etwas faul sein?

      „Hübsch“, sagte Dan O’Flynn. „Wirklich, sehr hübsch, diese kleinen Ladys. Gut gebaut, schwarzhaarig, dunkeläugig, eine wie die andere.“

      „Das ist der Einfluß von Byzanz“, sagte Blacky. „Wir sind hier schon mehr im Orient als in Griechenland. Sir, was tun wir jetzt?“

      Byzanz, ja, dachte der Seewolf, gut möglich, daß die früheren Einflüsse die Bevölkerung so geprägt haben. Nun gut.

      „Wir dürfen ihre Gastfreundschaft nicht zurückweisen“, sagte er. „Das wäre mehr als unhöflich. Sie würden es als eine Beleidigung auffassen. Also – zum Wohl!“

      Er hob seinen Becher, prostete den acht Frauen zu und kostete von dem Trunk, der sich als vorzüglicher Landwein erwies. Auch die anderen tranken, setzten die Becher wieder ab und nickten anerkennend.

      „Ich habe gewonnen“, sagte Gary Andrews. „Mann, so ein guter Tropfen. Ob wir wohl noch mehr davon kriegen?“

      „Du hast nicht gewonnen“, meinte Dan O’Flynn. „Du hast doch mit keinem gewettet.“

      „Doch – mit mir selbst.“

      „Mister Andrews“, sagte der Profos mit gespielter Freundlichkeit. „Du redest schon jetzt wirres Zeug. Du kriegst keinen Schluck mehr von dem Zeug, sonst bist du gleich besoffen, verstanden?“

      „Aye, Sir“, brummte Gary. Was sollte er sonst antworten?

      Die Gastfreundschaft der Frauen war wirklich entwaffnend. Kaum waren die Becher leer, schenkten sie sie wieder voll, trotz des sanften Widerstandes der Männer. Das Obst wurde verteilt. Es schmeckte so gut wie der Wein, das Brot und der Käse.