Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745215021
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Hand.

      Ich unterdrückte den fast krankhaft anmutenden Wunsch nach Wasser und eilte die Treppe hinauf. In der dritten Etage fand ich an einer Tür, von der der Lack abblätterte, eine schmutzige Visitenkarte mit dem Aufdruck: "Ernst Fuchs."

      Ich klingelte. Niemand öffnete. Ich wiederholte das Klingeln. Nach einigen Sekunden ertönten hinter der Tür schlurfende Schritte. Die Tür öffnete sich. In ihrem Rahmen zeigte sich Erikas Bruder. Er war im Pyjama und hatte zerzaustes Haar.

      "Verdammt, was ist?", fragte er. "Weshalb klingelst du mich aus dem Schlaf?"

      Ich stieß ihn zur Seite und eilte in die Wohnung, ohne seine lautstarken Proteste zu beachten. Im Schlafzimmer war das Bett zerwühlt. Ich legte eine Hand auf das Laken und unter die zusammengeschobene Bettdecke. Dann wandte ich mich Ernst zu. "Das Bett ist kalt", stellte ich fest. "Du hast es noch nicht benutzt." Er starrte mich an. "Ich bin im Wohnzimmer eingeschlafen, auf dem Sessel", sagte er. "Irgendwelche Einwände?"

      "Ja", sagte ich. "Du wolltest mich verschaukeln."

      "Was ist los mit dir?", fragte er.

      "Du behandelst mich wie einen Feind. Ich denke, wir sitzen im gleichen Boot? Du und ich — wir wollen doch den Tod meiner Schwester rächen, stimmt’s?"

      "Sühnen", stellte ich richtig. "Aber ehe wir weiterreden, sollte ich klarstellen, dass ich nicht Franky Steinfurt bin und dass es sinnlos geworden ist, die Komödie fortzuführen. Mein Name ist Raboi, Robert Raboi. Ich bin Sonderermittler der Berliner Polizei."

      "Dann", murmelte er, "ist es wohl nicht sehr zweckmäßig, das Duzen fortzusetzen."

      "Erraten", sagte ich.

      "Okay, Schnüffler", höhnte er. "Jetzt sind die Fronten geklärt. Michael hatte also recht. Sie sind ein Schnüffler. Na und? Ich kann nicht recht einsehen, was das alles mit mir zu tun haben soll. Sie suchen Erikas Mörder? Ich bin damit einverstanden. Ich werde keine Ruhe haben, bis er gefunden ist. Sie kennen meinen Schwur..."

      "Ich weiß", sagte ich. "Sie haben ihn inzwischen erfüllt. Sie haben Weissner und Krause getötet."

      "He?", stieß er hervor.

      "Ich muss telefonieren", sagte ich und ging ins Wohnzimmer. Ernst Fuchs folgte mir. Als ich nach dem Telefonhörer griff, wandte ich dem Wohnungsbesitzer den Rücken zu. Ich wusste, wie gefährlich das war, aber ich hatte nur dann eine Chance, Fuchs aus der Reserve zu locken, wenn ich es schaffte, ihn zu provozieren.

      "Weissner hat mir vor seinem Tode alles brühwarm erzählt", sagte ich und drehte die Kurbel. "Ich weiß jetzt Bescheid. Ich kenne den Menschenschmuggel, den er betrieb, und ich weiß, welche Rolle Sie und Michael Krawulke mitsamt seinen Freunden dabei spielten..."

      Das Fräulein vom Amt meldete sich.

      "Legen Sie auf!", zischte er.

      Ich ließ den Hörer sinken und wandte mich langsam um. Ich wusste, was mich erwartete.

      Tatsächlich hielt Ernst Fuchs einen Revolver in seiner Hand. Sein Finger lag am Abzug.

      "Jetzt", grinste er höhnisch, "können wir uns wieder duzen. Irgendwelche Einwände?"

      Ich schwieg.

      Der Trick hatte geklappt. Meine Provokation hatte ihn dazu gebracht, mir die Waffe zu zeigen, mit der er vermutlich Krause und Weissner erschossen hatte. Der Trick war nicht risikolos. Wenn ich einen Fehler machte, oder wenn Ernst Fuchs durchdrehte... Dann bestand die Gefahr, dass er an diesem Abend zum dritten Mal auf einen Menschen schoss.

      Auf mich.

      "Keine Einwände", sagte ich.

      "Was mache ich jetzt mit dir?", murmelte er.

      "Wir unterhalten uns ein bisschen."

      "Worüber?"

      "Zunächst einmal wüsste ich gern, wo Karla versteckt gehalten wird."

      "Das hättest du Krause fragen müssen."

      "Ich hab’s versucht, aber er war leider nicht bereit, mir zu antworten."

      "Die arme Kleine", höhnte er. "Der Kuckuck mag wissen, in welchem Rattenloch sie jetzt verhungern muss."

      "Warum haben Sie so lange mit der Ausführung Ihrer Rachepläne gewartet?", wollte ich wissen. "Weshalb haben Sie Krause und Weissner erst heute erschossen?"

      "Krause hat Erika getötet. In Weissners Auftrag", sagte Ernst Fuchs. "Ich weiß das seit langem..."

      "Von wem?"

      "Von Siegfried."

      "Wer außer Ihnen wusste noch Bescheid?"

      "Niemand."

      "Wie kommt es, dass Sie bis heute damit warteten, Ihren Racheplan auszuführen?"

      "Jeder in der Gegend weiß, dass ich mir geschworen habe, den Tod meiner Schwester zu rächen. Beim Tode von Weissner und Lorant würde ich automatisch in Tatverdacht geraten, das war mir klar... Ich musste also einen Moment abwarten, wo die Chance bestand, dass dieser Verdacht auf andere fiel. Auf dich zum Beispiel. Oder auf Frank Steinfurt."

      "Und?"

      "Ich konnte nicht länger warten. Ich wollte weder dir noch Frank Steinfurt den Vortritt lassen. Ich, ich allein wollte und musste diese beiden Kerle töten. Jetzt kann ich wieder ruhig schlafen. Der Tod meiner Schwester ist gerächt."

      "Dafür müssen Sie geradestehen."

      "Das tue ich — aber nicht vor Gericht."

      "Warten wir es ab. Zunächst müssen Sie sich mit dem Problem befassen, was mit mir geschehen soll."

      "Keine Sorge, Schnüffler", spottete er. "Damit werde ich fertig. Der heutige Abend hat mir gezeigt, wozu ich fähig bin. Ich bin stark. Ich bin mächtig. Ich bin größer als Michael."

      "Ich warte", sagte ich.

      "Hast du es so eilig, ins Gras zu beißen?"

      "Wo lebt der echte Frank Steinfurt?"

      "Ganz hier in der Nähe. Zweimal um die Ecke."

      "Die ganze Bande um Michael Krawulke hat gewusst, dass ich nicht Franky Steinfurt bin?", fragte ich.

      "Ja."

      "Alle Achtung vor dieser schauspielerischen Leistung", stellte ich fest.

      "Wir wollten sehen, was sich daraus entwickelt."

      "Drei Tote, Erika nicht inbegriffen", kommentierte ich bitter. "Eine schaurige Bilanz."

      "Sei froh, dass wir deinen Freunden von der Justiz die Dreckarbeit abgenommen haben."

      Ich ging langsam auf ihn zu, mit ausgestreckter Hand.

      "Geben Sie mir die Pistole, Ernst."

      Er wich zurück und prallte mit dem Rücken gegen den Türrahmen.

      "Wenn du nicht stehenbleibst, drücke ich ab!", stieß er hervor.

      "Ich muss Ihnen etwas gestehen", sagte ich. "Das Haus ist längst umstellt. Ich habe aus Michael Krawulkes Wohnung die Inspektion A informiert."

      Ernst Fuchs starrte mir in die Augen. Ich beobachtete, wie sich sein Adamsapfel beim Schlucken auf und nieder bewegte. "Du spinnst", murmelte er. "Du machst mir etwas vor."

      "Wer hat mich in Ottos Lokal niedergeschlagen?", wollte ich wissen.

      "Rate mal!"

      "Krause", tippte ich.

      "Stimmt genau. Er beschattete Steinfurt und wollte vermeiden, dass du ihn hopsnimmst."

      In diesem Moment klingelte es. Ernst Fuchs schreckte zusammen und fuhr herum. Ich nutzte meine Chance und machte einen Sprung nach vorn. Fuchs’ Konter kam zu spät. Mein Handkantenschlag und sein Abdrücken fielen zeitlich zusammen.

      Der