"Ein defektes Leitungsrohr. Man müsste alles aufreißen, aber das lohnt nicht mehr. Hier wird in Kürze ohnehin alles abgerissen. Sollen neue Wohnhäuser hin. Meine Frau sehnt den Tag seit langer Zeit herbei, ich darf sie gar nicht hier hereinlassen. Auch keine Putzliese. Die bilden sich ein, Ordnung zu schaffen, in Wahrheit bringen sie alles durcheinander. Zigarre? Es ist die beste Sorte, die ich führe."
"Danke, nicht jetzt", winkte ich ab und nahm ihm gegenüber im Besucherstuhl Platz.
"Schießen Sie los, junger Mann", meinte er, nachdem er sich mit umständlicher Sorgfalt seine schwarze Zigarre angebrannt hatte.
"Was wollte Michael Krawulke von Ihnen?", fragte ich und schaute ihn an.
Rauch schien in seine Augen gekommen zu sein. Er blinzelte. "Michael Krawulke?"
"Ja, er war doch gerade bei Ihnen. Oder?"
"Richtig. Er wollte telefonieren."
"Mit wem hat er gesprochen?"
"Das weiß ich nicht. Es ist nicht meine Gewohnheit, andere zu belauschen."
"Wie lange hat das Gespräch gedauert?"
"Eine Minute, nicht länger. Warum fragen Sie ihn nicht selbst?"
"Er ist für mich nicht der geeignete Gesprächspartner. Ich spreche lieber mit Ihnen. Sie kennen die Straße und ihre Bewohner, Sie wissen in der Gegend Bescheid. Kannten Sie Erika Fuchs?"
"Oh ja. Wer kannte sie nicht? Sie war eine Schönheit. Bei allen beliebt. Ihr Tod war für uns ein Schock."
"Das kann ich verstehen. Wovon lebte sie?"
"Darüber hat es viele Spekulationen gegeben, aber - ich werde mich hüten, sie zu wiederholen."
"Warum? Haben Sie Angst, darüber zu sprechen?"
"Ich setze mich bald zur Ruhe. Wenn mein Haus abgerissen wird, mache ich Schluss mit dem Laden. Glauben Sie, ich hätte in diesem Stadium meines Lebens Lust, mich noch einmal mit der Polizei anzulegen?"
"Es ist nicht die Polizei, die Sie fürchten", stellte ich ruhig fest.
"Vielleicht haben Sie damit recht", sagte er langsam. "Aber was ändert das schon?"
"Auf wessen Zahlliste stand Erika Fuchs?"
"Das sollten Sie am besten ihren Bruder fragen."
"Ich frage Sie."
"Und ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten."
"Danke, das ist alles", sagte ich und stand auf. "Es ist wohl mein Schicksal, in diesem Viertel gegen eine Mauer des Schweigens zu rennen."
"Das hat vor Ihnen schon die Polizei festgestellt", sagte Theodor Weissner. "Machen Sie sich nichts daraus. Die Leute in den Abrissvierteln wollen ihre Ruhe haben."
"Kauft Michaels Bande bei Ihnen?"
"Michaels Bande! Wie sich das anhört!" meinte er vorwurfsvoll. "Ich habe die Jungens gekannt, als sie noch in die Hose machten. Ich hatte Ärger mit ihnen. Es gab Zeiten, wo ich sie hasste... Aber in dieser Gegend lernt man rasch, miteinander auszukommen. Im Grunde sind die Jungs nicht schlecht. Dieses Viertel erzeugt Aggressionen, damit muss man sich abfinden. Früher gab es einmal gut laufende Fabriken. Sehen Sie raus, es liegt seit diesem verdammten, großen Krieg alles brach. Dieser Versailler Vertrag hat viele ruiniert von den Unternehmern. Trotzdem haben sie sich rechtzeitig in ihre Villen zurückgezogen, am Wannsee oder in Lichterfelde oder wo auch immer. Geblieben sind die Arbeiterfamilien, die sich nun ihre Suppe bei der Wohlfahrt oder der Heilsarmee abholen können. Damit muss man sich abfinden."
"Mit Mord finde ich mich niemals ab."
"Sie leben nicht hier", stellte er fest.
Ich verließ ihn, ging die Straße hinab und tauchte dann im Dunkel einer Toreinfahrt unter. Ich lehnte mich gegen die Wand und beobachtete das Gebäude, in dem sich Eimers Tabak- und Zeitschriftenladen befand. Außer dem Souterrain hatte es fünf Etagen und beherbergte mindestens zwanzig Familien.
Zehn Minuten später kam Michael Krawulke aus dem Haus. Er rauchte eine Zigarette, musterte kurz den Sternenhimmel und kam dann langsam näher. Aus der hastigen Art, mit der er an seiner Zigarette paffte, war eine gewisse Nervosität zu erkennen, die im krassen Gegensatz zu seinem Bummeltempo stand.
Er zuckte heftig zusammen, als ich plötzlich aus dem Dunkel auftauchte und ihm in den Weg trat.
"Willst du mich erschrecken?", murmelte er.
"Ja, ich halte das für eine gute Methode."
"Hau ab", sagte er grob. "Ich habe genug von dir. Ich will dich nicht mehr sehen."
"Du hast Pech", sagte ich. "Du hast dich verraten."
"Verraten?"
"Ich habe dir das mit den zwölf Stunden ganz bewusst gesagt. Es hat dich prompt veranlasst, deine Hinterleute zu alarmieren, und die haben ebenso prompt meine Gnadenfrist um elf Stunden verkürzt."
"Was soll der Quatsch?"
"Mit wem hast du gesprochen?"
"Ich war bei Ernst. Was dagegen?"
"Bei Erikas Bruder?"
"Ja, er wohnt in Weissners Haus."
"Das Haus gehört dem Ladenbesitzer?"
"Ist das so wichtig?"
"Nein, aber du hast telefoniert. Ich muss wissen, mit wem du gesprochen hast."
"Mit einer alten Freundin. Zufrieden?"
Ich packte ihn am Revers und zog ihn mit einem scharfen Ruck zu mir heran. Die Attacke kam für ihn so überraschend, dass er im ersten Moment keinen Widerstand leistete.
"Höre gut zu, Freundchen", zischte ich ihm ins Gesicht. "Ein Menschenleben steht auf dem Spiel. Ich habe keine Lust, es zu gefährden, weil es dir gefällt, mit den Gangstern gemeinsame Sache zu machen..."
Er riss sein Knie hoch. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig dem Treffer entziehen. Im nächsten Moment feuerte er seine Linke ab. Ich konterte.
Michael Krawulke hatte gelernt, meine Kampfkraft zu respektieren. Er wusste, dass er keine Chance hatte, mit normalen Mitteln zum Erfolg zu kommen. Er bemühte sich deshalb, mich mit Tiefschlägen einzudecken. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um ihn abzuwehren und gleichzeitig mit harten, gezielten Schwingern seinen Elan zu bremsen.
Ich kam zweimal voll durch. Das schaffte ihn endgültig. Er kippte um und blieb keuchend auf dem schmutzigen Bürgersteig liegen. Ich klopfte ihn ab. Er hatte keine Waffe bei sich. Als ich ihm die Brieftasche aus dem Jackett zog, wurde er noch einmal sehr aktiv. Er versuchte mir seinen Fuß in den Unterleib zu treten, hatte damit aber keinen Erfolg. Ich öffnete die Brieftasche. Sie enthielt einundzwanzig brandneue Fünfzig-Mark-Scheine der Reichsbank.
Michael Krawulke zog sich mit beiden Händen an der Hauswand hoch, lehnte sich dagegen und musterte mich aus funkelnden, hasserfüllten Augen.
"Gib mir die Brieftasche zurück!", stieß er hervor.
"Tausend Mark neues Geld", sagte ich. "Sogar mehr als das. Siegfrieds Geld, nicht wahr?"
"Es ist mein Geld!"
"Woher hast du es?"
"Das geht dich einen Dreck an", keuchte er. "Her mit den Piepen!"
Ich schob seine Brieftasche gelassen in mein Jackett. "Vielleicht", sagte ich, "entdeckt man auf den glatten, hübschen Scheinen Siegfried Hoffmanns Fingerabdrücke. Es gibt da jetzt eine ganz tolle Methode, um sie sichtbar zu machen. Welche Erklärung würdest du dann wohl abgeben?"
"Du Schwein", sagte er. "Hast du noch immer nicht begriffen, worum es geht? Warum stinkst du nicht ab und rettest