Ich merkte, dass ich langsam sauer wurde. "Zwei Menschen wurden ermordet, die zu Ihrem Freundeskreis gehörten", stellte ich fest. "Erst Erika, dann Siegfried. Glauben Sie wirklich, es sich leisten zu können, die Hilfe anderer auszuschlagen? Was würde wohl geschehen, wenn es auch Sie erwischte?"
"Ich habe nichts mehr zu verlieren."
"Ist Ihr Leben nichts?"
"Es bedeutet mir nichts. Nicht mehr", fügte er hinzu.
"Warum?"
"Sie würden es nicht verstehen, wenn ich es zu erklären versuchte."
"Probieren Sie’s trotzdem..."
"Nein."
"Lassen Sie uns gehen", sagte ich und nahm die Taschenlampe an mich.
"Wohin?"
"Das werden Sie rasch herausfinden."
"Geben Sie sich keine Mühe. Ich komme nicht mit zur Polizei", verkündete er entschlossen. "Um keinen Preis. Sie können mich nicht dazu zwingen. Ich habe nichts verbrochen, was einen Haftbefehl oder etwas Ähnliches rechtfertigte."
"Sie besitzen gefälschte Papiere, tragen einen falschen Namen und haben einen Ermittler tätlich angegriffen. Ist das etwa nichts?"
Er zuckte mit den Schultern und ging schweigend in dem von mir dirigierten Lichtkegel voran. Wir stiegen die Treppe nach oben. Als wir die Straße betraten, gab ich ihm die Lampe zurück.
"Hatte er das Geld von Ihnen?", fragte ich.
"Von wem sprechen Sie?"
"Von Siegfried."
"Der war immer blank", sagte Frank Steinfurt. "Geld interessierte ihn nicht."
"Gestern Morgen hatte er mindestens tausend Mark in seiner Brieftasche. Woher stammten sie?"
Wir standen in der Nähe einer Straßenlaterne. Frank Steinfurt legte die Stirn in Falten. "Tausend Mark? Wissen Sie das genau?"
"Nicht exakt, aber ich kenne jemand, der eine Summe dieser Größenordnung in Siegfrieds Brieftasche gesehen hat."
"Vielleicht hat ihn dieser Jemand umgebracht?"
"Dann hätte er mich kaum auf das Geld hingewiesen."
"Das stimmt", murmelte Frank Steinfurt. "Ich habe keine Erklärung für Siegfrieds überraschenden Reichtum."
Er schwindelte schon wieder, jedenfalls schien es mir so. Mein Unmut wuchs.
"Wo steht Ihr Wagen?", fragte ich.
"Ich bin zu Fuß hergekommen."
"Leben Sie hier in der Nähe?"
"Das geht Sie nichts an."
"Ich habe eine Engelsgeduld, aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich verschaukeln lassen."
"Ich will Sie nicht verschaukeln, ich will nur, dass Sie mich in Ruhe lassen."
"Wäre es Ihnen lieber, von anderen belästigt zu werden...? Zum Beispiel von Erikas Mörder?", fragte ich.
"Ich sagte bereits, dass ich keine Angst habe."
"Doch. Sie haben Angst vor der Polizei."
"Stimmt. Ich brauche meine Freiheit, um Erikas Tod zu rächen", sagte er.
"Ihnen bleibt keine Wahl. Sie müssen sich mit mir arrangieren. Je rascher Sie das begreifen, umso schneller können wir die Ermittlungen vorantreiben."
In diesem Moment fiel ein Schuss. Mir schien es so, als ob das Geschoss haarscharf an meinem Kopf vorbei zischte. Ich sprang zurück in den Hauseingang, um hier Deckung zu finden.
"Werfen Sie sich auf den Boden, Mann!", stieß ich hervor, denn Frank Steinfurt traf keine Anstalten, sich vom Fleck zu rühren. Meine Blicke versuchten das Dunkel hinter den toten, leeren Fenstern des Hauses auf der anderen Straßenseite zu durchdringen. Ich war sicher, dass sich hinter einem der Fenster der Schütze verborgen hielt.
Ein kleiner Feuerblitz signalisierte den nächsten Schuss. Frank Steinfurt stand immer noch am Straßenrand, völlig reglos, wie geschockt. Ich warf mich flach gegen die Wand und überlegte, ob ich zurückschießen sollte. Mit Steinfurts geladener Pistole. Aber ich hatte keine Lust, ein Feuergefecht zu beginnen, bei dem Steinfurt in die Schusslinie geraten konnte.
Ich sah, wie sich Steinfurt einen Ruck gab. Er ging hoch aufgerichtet davon, quer über die Straße, ohne sich ein einziges Mal umzusehen. Es hatte fast den Anschein, als würde er die Schüsse überhaupt nicht hören.
Ich hastete im Dunkel des Hausflures bis zum Hofausgang, kletterte über einen Zaun, gelangte auf das Nachbargrundstück und eilte um das ebenfalls leerstehende Gebäude herum auf die Straße.
Obwohl ich kaum eine Minute zur Durchführung dieses Manövers benötigt hatte, war Frank Steinfurt wie vom Erdboden verschluckt. Ich zögerte, dann gab ich mir einen Ruck und sprintete in langen Sätzen über die Fahrbahn. Ich tauchte im Schatten eines Hauseingangs unter und blieb stehen.
Stille.
Auf der Straße war keine Menschenseele zu entdecken. Im Haus schräg gegenüber waren ein paar Fenster erleuchtet. Hinter den geschlossenen Vorhängen zeigte sich kein Schatten. Es gab keinen Zweifel, dass die Bewohner die Schüsse gehört haben mussten, aber anscheinend hielten sie es für klüger, die Ballerei einfach zu ignorieren.
Obwohl es mich danach drängte, den Schützen hopszunehmen, war es im Grunde sehr viel wichtiger, Frank Steinfurt nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hörte, wie in einer nahen Seitenstraße ein Motor aufheulte. Der Wagen entfernte sich mit radierenden Reifen. Es blieb mir überlassen, das Fluchtauto in meiner Phantasie mit Frank Steinfurt oder den unbekannten Schützen zu besetzen.
Ich pirschte mich an das Haus heran, aus dem die Schüsse gekommen waren, zog Frank Steinfurts Pistole aus der Tasche und schwang mich durch eines der Fenster ins Innere. Behutsam inspizierte ich einen Raum nach dem anderen. Das von draußen hereinfallende Laternenlicht erhellte kaum die Ecken der Zimmer, so dass ich, um nicht zur Zielscheibe zu werden, nur äußerst langsam vorgehen durfte.
In einem der Räume entdeckte ich auf dem Boden zwei Geschoßhülsen. Der Schütze besaß also einen Revolver. Ich steckte die Hülsen ein, schob die Pistole in den Hosenbund und machte mich auf den Rückweg.
18
Ich betrat die Kneipe. Sie war leer.
"He, Wirtschaft!", rief ich.
Der