"Ja, sicher", nickte der Wirt. "Er war ein Freund kostenloser Bequemlichkeit."
"Aber wie ist er hereingekommen?"
"Das kann für ihn kaum ein Problem gewesen sein. Der wusste, wie man Schlösser knackt."
"Woher?"
"Kunststück! Wer wie er davon lebte, andere Leute zu beklauen, hatte auch gelernt, fremde Türen zu öffnen. Das gehörte gewissermaßen zu seiner Stadtstreicherausbildung."
"Nicht alle von denen stehlen."
"Da bin ich anderer Meinung."
"Wann hast du ihn zuletzt gesehen?"
"Weiß ich nicht genau. Es ist schon einige Zeit her", überlegte der Wirt.
"Mist", knurrte ich. Es war frustrierend – ich kam einfach nicht weiter.
"Was soll ich jetzt machen? Wenn ich die Inspektion A anrufe, bin ich geliefert. Dann haben sie mich. Ich kann es mir einfach nicht leisten, mit der Polente Kontakt aufzunehmen."
"Das leuchtet mir ein", sagte der Wirt und stülpte die Unterlippe nach vorn. Er machte eine kurze Pause und fragte dann: "Weshalb schaffst du den Toten nicht aus dem Haus?"
"Wer — ich?"
"Na, wer denn sonst? Du legst ihn einfach in eines der leerstehenden Ruinen. Die Polizisten werden ihn dort finden und nur noch feststellen können, dass Siegfried, der Säufer, eines für ihn ganz natürlichen Todes gestorben ist."
"Was ist, wenn er ermordet wurde?"
"Ich sehe keine Verletzung an ihm", stellte der Wirt fest.
"Wer hätte ihn wohl töten sollen? Ich halte das für ausgeschlossen. Bei Siegfried war nichts zu holen. Da gibt es einfach kein Tatmotiv."
"Wirst du die Schnauze halten können?"
"Na, hör mal! Auf mich kannst du dich verlassen. Ich habe genug von dem Rummel, der damals wegen Erika veranstaltet wurde. Ich möchte nicht zum zweiten Mal in einen Mordfall verwickelt werden. Wenn du den Toten von hier verschwinden lässt, hast du meine volle Unterstützung."
Nachdem er gegangen war, sprach ich mit Karla. Sie hatte alles mitgehört.
"Wir werden tun, was er vorgeschlagen hat", sagte ich.
"Die Polizei kann den Toten dann aus einem der Nachbarhäuser holen, wenn die Leiche überhaupt schnell gefunden wird. Wenn sich herausstellen sollte, dass Siegfried eines mehr oder weniger normalen Todes gestorben sein sollte, hat sich die Sache für uns erledigt. Auf jeden Fall entgehen wir damit der Gefahr, von hier verschwinden zu müssen."
Dann schaute ich mir das Türschloss an.
"Komisch", sagte ich. "Keine Kratzer, keine Anzeichen von Beschädigung. Ich habe den Eindruck, dass es immer nur mit dem dafür passenden Schlüssel geöffnet wurde."
"Woher hätte er ihn haben sollen?", fragte sie.
"Von Frank Steinfurt?"
"Kaum", erwiderte ich. "Ich glaube auch nicht, dass Siegfried sich hier oben totgesoffen hat."
"Aber möglich wäre es doch, nicht wahr?"
Wir kehrten ins Badezimmer zurück.
Ich umfasste die Schnapsflasche behutsam mit einem Tuch und schnupperte daran.
"Da war starker Fusel drin", sagte ich und verzog das Gesicht.
"Damit konnte man einen ausgewachsenen Gaul in die Knie zwingen."
"Na, bitte", sagte Karla.
"Was ich sage, beweist gar nichts", schränkte ich ein.
"Ist reine Spekulation." Ich stellte die Flasche zurück. "Außerdem wäre noch festzustellen, ob Siegfried sich den Fusel selber brannte oder ob er ihn geschenkt bekam."
"Sie glauben, es könnte jemand geben, der ihn bewusst... vergiftet hat?"
"Das ist nicht auszuschließen."
"Da muss ich mich den Worten des Wirtes anschließen. Ich sehe kein Motiv für die Tat. Wenn Siegfried ein Penner war, hatte der Mörder nichts zu gewinnen."
"Es sei denn, Siegfried wusste etwas."
"Zum Beispiel?"
"Keine Ahnung. Aber gerade, weil Siegfried ein Penner war, der überall herumschlich, dürfte er manches gesehen und gehört haben, was nicht für seine Ohren bestimmt war. Vielleicht kannte er Frank Steinfurt. Oder er hat gesehen, wer Erika Fuchs ermordet hat..."
Karla spitzte die Lippen. "Das ist richtig. An diese Möglichkeit habe ich nicht gedacht."
"Ich sage nicht, dass es so war, aber wir müssen diese Dinge in unsere Überlegungen einbeziehen."
"Ich sehe da eine weitere Gefahr..."
"Nämlich?"
"Was ist, wenn man uns eine Falle stellen will? Vielleicht kreuzt die Polizei genau in dem Augenblick auf, wo Sie versuchen, den Toten aus dem Haus zu schaffen..."
"Das wäre kein Problem", erwiderte ich und sagte ihr, zu welcher Übereinkunft ich mit dem direkten Kontaktmann zu Weiß gekommen war.
"Natürlich muss ich ihn davon unterrichten, was wir vorhaben. Ich gehe nochmals zur Post."
"Muss ich immer noch hierbleiben?"
"Es ist besser so. Diesmal wird es ein bisschen länger dauern. Ich habe vor, Michael Krawulke einen kurzen Besuch abzustatten. Ich möchte wissen, ob Steinfurt die Schlüssel mitgenommen hat. Außerdem möchte ich feststellen, wie Michael auf die Nachricht von Siegfrieds Tod reagiert."
16
Eine Viertelstunde später — das Telefongespräch hatte ich bereits hinter mir — stand ich in der vierten Etage eines tristen Mietshauses vor Michael Krawulkes Wohnungstür und klingelte. Im Treppenhaus roch es nach Bohnerwachs. Und angebranntem Essen.
Und schlicht und einfach nach Armut. Auch die hat ihren eigenen Geruch. Ich kannte ihn zu Genüge.
Ein rothaariges, etwa neunzehnjähriges Mädchen öffnete mir. Sie war sommersprossig und blauäugig und auf eine etwas jungenhafte Art ganz hübsch. Bekleidet war sie mit einer Leinenhose und einem weißen Hemd.
"Sie wünschen?", fragte sie.
"Ich möchte zu Michael."
"Er will jetzt nicht gestört werden."
"Sagen