Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745215021
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sagte er.

      Ich schwieg und überlegte mir eine Antwort.

      "Wenn Sie versuchen sollten, uns zu hintergehen oder andere damit zu beauftragen, die von Ihnen begonnenen Ermittlungen fortzusetzen, muss das Fräulein Klausner sterben."

      Er kannte Karlas richtigen Namen. Das war ein Alarmzeichen.

      Vermutlich wusste er auch, dass ich nicht Frank Steinfurt war.

      "Sie haben genau zwölf Stunden Zeit, um für immer aus der Stadt zu verschwinden", sagte er.

      "Das sind zwölf Stunden, um Karlas Leben zu retten."

      Es knackte in der Leitung. Der Teilnehmer hatte aufgelegt. Als ich einhängte, merkte ich, dass die Innenfläche meiner Hand schweißfeucht geworden war. Ich wandte mich um. Die Männer verharrten reglos an der Türschwelle.

      "Schlechte Nachrichten?", fragte mich Otto, der Wirt.

      Ich zuckte mit den Schultern und antwortete nicht.

      Michael Krawulke folgte mir nach oben in die Mansarde. Ich führte ihn ins Badezimmer und zeigte ihm den Boiler.

      "Das haut mich um", murmelte er. "Ich habe dafür keine Erklärung."

      "Das soll ich dir glauben? Erika war lange Zeit deine Geliebte. Du musst wissen, welchen Sinn diese Vorrichtung hat."

      "Und wenn ich’s bestreite?"

      Ich setzte mich auf den Wannenrand und blickte ihm in die Augen. Sein Gesicht hatte einen mürrischen, trotzigen Ausdruck angenommen.

      "Du steckst in Schwierigkeiten, mein Junge", stellte ich mit Nachdruck fest.

      "Du weißt es bloß noch nicht. Zwei Tote sind genug, findest du nicht auch?"

      "Ich habe niemand umgebracht", knurrte er. Für einen Kleinganoven wirkte er plötzlich nicht mehr so abgebrüht. Vielleicht dachte er darüber nach, das die Nummer hier ein bisschen zu groß für ihn sei. Das war wohl etwas für die großen Ringvereine in der Stadt.

      "Warum wendest du dich nicht an die richtigen Leute?"

      "Das will ich gern tun. Du musst mir aber dabei helfen. Ich brauche nur ihre Adresse."

      Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Gib dir keine Mühe. Ich singe nicht."

      "Damit gibst du zu, dass du diese Leute kennst."

      "Welche Leute?"

      "Die Burschen, für die ihr arbeitet."

      "Käse!"

      "Die Burschen, auf deren Zahlliste zumindest Erika stand", schränkte ich ein.

      "Erika war meine Freundin. Die beste, die ich jemals hatte", stieß er hervor. "Ich denke nicht daran, ihr noch im Tode Schwierigkeiten zu machen."

      "Findest du es nicht ziemlich schäbig, ihre Ermordung ungesühnt bleiben lassen zu wollen?"

      "Erika hat Fehler gemacht, nehme ich an", sagte er.

      "Ah... und dafür musste sie mit dem Tode bestraft werden! Darauf willst du doch mit diesem blöden Gerede hinaus, nicht wahr?"

      "Das sind deine Worte."

      "Richtig, aber sie geben ziemlich genau wieder, was du denkst. Du kotzt mich an!"

      "Das kann ich dir zurückgeben", grollte er und sah aus, als wünschte er eine Neuauflage der Prügelei, die den Auftakt unserer Bekanntschaft gebildet hatte.

      "Welche Fehler hat Erika gemacht?", fragte ich. "Sollte sie sich nicht in mich verlieben?"

      "Du bist nicht Frank Steinfurt!"

      "Woher willst du das wissen?"

      "Ich weiß es eben."

      "Okay. Sprechen wir Fraktur. Ich bin nicht Frank Steinfurt. Ändert das etwas an den Geschehnissen? Erika wurde ermordet. Deine Erika! Du stempelst dich selbst zum Miesling, wenn du nicht bereit bist, an der Aufklärung des Verbrechens mitzuwirken."

      Er grinste unlustig.

      "Zufällig hänge ich an diesem Scheißleben", sagte er. Seine Augen waren weit aufgerissen. Aber zu mehr Emotion ließ er sich nicht hinreißen. "Ich will nicht wie Erika enden. Mehr brauche ich dazu wohl nicht zu sagen. Siegfried hat auf seine Weise versucht, aus dem Ganzen Kapital zu schlagen. Jetzt ist er tot. Ich müsste verrückt sein, wenn ich diese Warnsignale nicht beachten würde."

      "Erika hat für irgendeine Organisation in dieser Wohnung Menschen versteckt gehalten", sagte ich. "Der Mann, mit dem ich vorhin telefonierte, hat Karla entführt. Dieser Mann droht, Karla zu töten, wenn ich nicht binnen zwölf Stunden aussteige und den ganzen Krempel hinwerfe. Mir bleiben also noch ganze zwölf Stunden, um den Fall zu klären. Ich werde diese Zeit zu nutzen wissen, mein Wort darauf."

      "Was hat das mit mir zu tun?"

      "Eine ganze Menge", erwiderte ich grimmig. "Du wirst mir dabei helfen."

      "Ich kann dir nicht helfen."

      "Siegfried Hoffmann wusste, wer Erika ermordet hat. Als Siegfried in Geldverlegenheit geriet, kam er auf die Idee, Erikas Mörder zu erpressen."

      "Warum ausgerechnet jetzt? Siegfried war immer in Geldverlegenheit!", meinte Michael Krawulke.

      "Mag sein. Aber erst in den letzten Tagen scheint ihm der Einfall gekommen zu sein, diesen Umstand zu beheben. Ein und für allemal. Er wandte sich an den Mörder, und der zahlte die geforderte Summe an Schweigegeld. Er zahlte, um Zeit zu gewinnen, lockte Siegfried in eine Falle und brachte ihn dann um. Er nahm Siegfried das Geld wieder ab, legte den Toten in Erikas Wohnung und arrangierte alles so, dass jemand, der ihn dort fand, an einen normalen Tod glauben sollte — an einen für Siegfried normalen Tod, meine ich. Tod durch Alkoholvergiftung. Aber dann wurde durch mein Dazwischentreten klar, dass diese Theorie sich unter keinen Umständen aufrechterhalten lassen würde, und der Mörder — oder seine Organisation — beschlossen, die Leiche auf andere Weise verschwinden zu lassen. Um zu verhindern, dass ich Ärger mache, entführten sie Karla. Damit erpressen sie mich jetzt. Das ist die Lage."

      "Und?"

      "Ich habe vor, sie zu ändern."

      "Siegfried machst du nicht mehr lebendig."

      "Nein, aber ich werde dafür sorgen, dass Karla nichts geschieht."

      "Keine Einwände."

      "Wohin muss ich gehen, um sie zu finden?"

      "Du bist ein Spaßvogel. Glaubst du wirklich, diese Leute würden mir ihre Adresse nennen?"

      "Das glaube ich nicht, aber ich bin sicher, dass du sie kennst. Du warst Erikas Geliebter. Ich wette, sie hat dir damals alles anvertraut..."

      "Ich weiß von nichts", sagte er und hob die Hände, als wäre er ein Unschuldslamm.

      Einige Sekunden sahen wir uns schweigend an.

      "Okay. Du kannst gehen."

      Er blinzelte verdutzt, schien noch etwas fragen zu wollen, machte aber dann auf dem Absatz kehrt, um zu vermeiden, dass ich es mir noch einmal anders überlegte.

      Ich verließ kurz nach ihm die Wohnung und sah, wie er mit langen Schritten die schmale, menschenleere Straße hinabeilte.

      "Schönes Wetter für die Jahreszeit, was?", fragte mich Otto, der Wirt, der in der offenen Tür seines Lokals lehnte.

      "Richtig milde. Ich fange an, diese Gegend zu lieben. Sie ist ruhig geworden. Akustisch ruhig, will ich damit sagen. Früher fühlte ich mich nur in Straßen wohl, wo Krach und Verkehr herrschten, aber durch die Sanierungsaktion ist mir klargeworden, wie wohltuend Ruhe sein kann. Stille."

      "Der Jammer ist nur, dass diese Stille sich auf deine Kasse ausdehnt, nicht wahr? Sie hat aufgehört zu klingeln", sagte ich und beobachtete, wie Michael Krawulke von der Dunkelheit verschluckt wurde. Der Wirt hatte sich mit seiner