Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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Viele rechnen damit, dass Thisilien erobert wird und sich die Pestilenz des Frostreichs dann von dort aus weiter ausbreitet.“

      „Diese Leute sind schlecht informiert“, behauptete Thondaril. „Die Invasion Thisiliens ist nur ein kurzes Intermezzo. Die wahre Gefahr wird von ganz woanders kommen.“

      „Dem Verborgenen Gott sei Dank, dass Ihr Ordensmeister das Reich gegen diese Bedrohung schützt. Aber bei allem Optimismus, dem man mir nachsagt, ich brauche nur zur Sonne emporzublicken, dann sehe ich den Schatten, der sie immer mehr verdüstert, und dann droht selbst mir alle Hoffnung abhanden zu kommen, dass es noch eine Zukunft gibt.“

      ––––––––

      Das Dachzimmer war recht geräumig, und es gab insgesamt drei Betten dort. Gorian bekam das unterm Fenster, während Thondaril die beiden anderen in Beschlag nahm; auf dem einen legte er seine Waffen und sein Gepäck ab, das andere nutzte er für sich selbst.

      Artochs Stallbursche kümmerte sich um das Streitross, und dass Thondaril ihm das Tier anvertraute, zeigte, dass er offenbar gute Erfahrungen mit dem Wirt gemacht hatte.

      Er und Gorian nahmen im Schankraum eine ausgiebige Mahlzeit ein. Artoch hatte sich nicht lumpen lassen und einen deftigen Schmorbraten aufgetischt. „Bevor der Schattenbringer die ewige Kälte bringt, sollt Ihr wenigstens gut gegessen haben und nicht hungrig in die bereits verlorene Schlacht ziehen müssen“, sagte er mit Galgenhumor.

      „Ich habe auf dem großen Stadtplatz einen Greifenreiter landen sehen“, äußerte Thondaril.

      „O ja, die ganze Stadt spricht davon. Es ist der Greif von Centros Bal dem Nordfahrer.“

      „Centros Bal!“, stieß Gorian hervor. „Ich habe von ihm gehört. Er fliegt regelmäßig von Gryphenklau bis zu den Mittlinger Inseln!“

      „Ich glaube nicht, dass er jemals einen Zwischenhalt in Twixlum eingelegt hat“, konnte sich Thondaril eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen. Dann fragte er Artoch: „Du weißt nicht zufällig, in welchem Gasthaus Centros Bal für gewöhnlich absteigt, wenn er Segantia mit seiner Gegenwart beehrt?“

      Artoch seufzte. „Leider nicht bei mir. Dem hohen Herrn ist es bei mir wohl zu einfach, und außerdem kann er hier auch nicht all seine Leute einquartieren. Ich nehme an, dass er in Martichs Gasthaus eine ganze Etage gemietet hat. Aber vielleicht übernachtet er auch in seiner Gondel, denn er gilt als sehr ängstlich, und für die Diebe Segantias dürfte sie so etwas wie der Paradiesgarten des Verborgenen Gottes sein.“

      „Könntest du das für mich in Erfahrung bringen?“, fragte Thondaril.

      „Ich kann meinen Küchenjungen losschicken.“

      „Dann tu das bitte.“ Thondaril schob dem Wirt eine Silbermünze hin, woraufhin dieser sofort quer durch den Schankraum nach dem Burschen rief.

      ––––––––

      Später, in der Dachkammer, hockte sich Meister Thondaril auf eines der beiden Betten, die er für sich beanspruchte, und blickte in seine Handflächen, die er wie ein aufgeschlagenes Buch vor sich hielt, wobei sich die Handkanten in einem rechten Winkel berührten.

      „Meister?“, fragte Gorian, aber als er sah, wie sich Thondarils Augen mit purer Finsternis füllten, verstummte er. Der Ordensmeister schien völlig in sich versunken und im Moment nicht ansprechbar.

      In seinen Handflächen strahlte Licht auf, das auch sein Gesicht traf. Es war ein fast weißes Leuchten, viel heller als jede Öllaterne oder Kerze, auch wenn der flackernde Schein etwas daran erinnerte.

      Näheres konnte Gorian von seiner Position aus nicht erkennen. Deshalb erhob er sich und stellte sich so hin, dass er in Thondarils Handflächen blicken konnte.

      „Es reicht nicht, zu sehen – du musst erkennen“, zitierte Thondaril ein Axiom des Ordens. Das Leuchten in seinen Händen verschwand, und wenig später wich auch die Schwärze aus seinen Augen. Er blickte den völlig verdutzten Gorian an, lächelte mild und erklärte: „Ich bin mit meinen Ordensbrüdern in Verbindung getreten, um zu erfahren, wie die Lage in Thisilien steht.“

      „Und?“

      „Man kann noch nichts Genaues sagen. Der Kaiser selbst ist von Olandor aus mit einem Ritterheer nach Thisilien unterwegs. Und mit ihm ziehen auch etliche Meister unseres Ordens aus allen fünf Häusern. Außerdem sammelt sich eine Kriegsflotte bei den Axtlanden. Es stehen viele Schlachten bevor, aber alles deutet darauf hin, dass die Frostkrieger nicht gekommen sind, um zu bleiben. Diesmal noch nicht.“

      „Zeigt Ihr mir, wie Ihr mit Euren Ordensbrüdern in Verbindung tretet?“, fragte Gorian.

      „Später. Soweit bist du noch lange nicht, und nicht einmal jeder Meisterschüler, der kurz vor der Prüfung im Haus der Magie steht, beherrscht dies in zufriedenstellender Weise.“

      Es klopfte, dann steckte der Küchenjunge den Kopf durch den Türspalt. „Ich habe eine Botschaft für Euch, Meister Thondaril.“

      ––––––––

      Gorian blieb allein in der Herberge zurück. Er blickte aus dem unverglasten Fenster des Dachzimmers hinaus in die enge Gasse, an der Artochs Herberge lag, und sah, wie Meister Thondaril in dem dichten Gewimmel, das dort auch um diese Zeit noch herrschte, verschwand. Die Dämmerung war bereits weit fortgeschritten, und überall waren Laternen angezündet worden. Segantia glich bei Nacht einem einzigen Lichtermeer. Aus den Tavernen drangen Musik und zänkische Stimmen. Manche der Tavernenwirte beschäftigten Oger, um Betrunkene vor die Tür zu setzen, und so verdienten sich die grünhäutigen Kraftprotze, die sich am Tag als Ringer auf einem der Stadtplätze verdingten, am Abend noch etwas dazu.

      Aus irgendeinem Grund hatte Thondaril nicht gewollt, dass Gorian ihn begleitete. Genauso wenig hatte der Ordensmeister Gorian darin eingeweiht, was er von Centros Bal, dem gryphländischen Nordfahrer, eigentlich wollte. Dabei hätte es Gorian durchaus gereizt, dem legendären Reisenden einmal gegenüberzustehen. Aber er hatte das Gefühl gehabt, den Meister besser nicht mit diesem Wunsch zu bedrängen, und so hatte er es gelassen.

      Als Thondaril zurückkehrte, war es bereits tiefe Nacht.

      „Wir werden morgen in aller Frühe aufbrechen und mit Centros Bal in den Norden fliegen“, erklärte er, ohne dass Gorian danach gefragt hätte. „Er befindet sich auf dem Weg nach Nemorien und zu den Mittlinger Inseln und wird auch auf Gontland landen.“

      Gontland war eine Insel im Delta des Flusses Gont, der die Grenze zwischen dem Estlinger Land und Nemorien bildete. Doch die Insel unterstand weder dem Herzog des einen noch dem des anderen Landes, sondern nur dem Kaiser, wobei dessen Befugnisse allerdings beschränkt waren, denn sie wurde vom Orden selbst verwaltet.

      Dort befand sich die Ordensburg, und Gorian hatte in den Büchern seines Vaters Abbildungen davon gefunden, Kupferstiche zumeist, von denen er allerdings nicht wusste, wie originalgetreu sie