Die Strategie einer solchen Kommerzialisierung von Modding-Praktiken lässt somit fraglich erscheinen, inwieweit bei einem Projekt wie COUNTER-STRIKE (und seinen Weiterentwicklungen bzw. Nachfolgern) überhaupt noch von Modding – oder nicht vielmehr von einer »Economy of Modding«54 gesprochen werden sollte.55 So mag den ›freien‹ Mod-Projekten zwar häufig eine große Anerkennung für das Engagement ihrer Schöpfer (und für deren Innovationsfreudigkeit und Kreativität) gebühren, ihr tatsächlicher Einfluss fällt zahlenmäßig letztlich jedoch sehr gering aus. Zwar nehmen Modding-Praktiken insgesamt stetig zu – was aber schlicht auch ein Effekt der wachsenden Verbreitung von Computerspielen sein dürfte. Daneben werden die Distribution von Mods und die Vernetzung von Modding-Communities durch Web 2.0-Technologien fortwährend erleichtert. Doch sorgen gerade diese Techniken durch Auswahlmechanismen und Rankings auch dafür, dass sich nur einige wenige Mods wirklich durchsetzen. Wird Modding also einfach nur professioneller? Sind Konzepte wie ein Gaming 2.056 oder eine digitale Spielkultur 2.057 nur ein ›Anhängsel‹ oder vielmehr ein Werbeslogan einer zunehmend kommerzialisierten partizipativen Gaming Culture?
Abbildung 5/6: PINBALL CONTRUCTION SET – Spielansicht und Cover
An dieser Stelle soll der Fokus der Argumentation verschoben werden – und zwar von den Modding-Scenes im engeren Sinne hin zu ›populären‹ Formen der Erstellung oder Veränderung von Computerspielinhalten. Essoll um Leveleditoren, gehen, d.h. Programme, die zur Erstellung neuer oder der Bearbeitung bestehender Level, Karten, Missionen, Figuren oder Items eines Computerspiels genutzt werden. Es ließe sich freilich einwenden, dass auch die (semi-)professionellen Modding-Communities (spezialisierte) Editoren nutzen – doch obgleich die Übergänge fließend sind, soll es im Folgenden vor allem um diejenigen Editoren gehen, die auch den ›normalen‹ Spieler ansprechen, d.h. Programme, die keine oder nur rudimentäre Vorkenntnisse im Bereich des Game Designs bzw. der Game Informatics voraussetzen und die üblicherweise bereits einem Spiel beigefügt sind oder kurz nach der Veröffentlichung als Download angeboten werden. Mehr noch: Es geht um Programme, die den Spieler durch ihre Zugänglichkeit sozusagen zu Modding-Praktiken animieren.
Als Vater dieser Art von Leveleditoren darf Bill Budge gelten, der 1983 das PINBALL CONSTRUCTION SET58 entwickelte.59 Das Programm erlaubt das einfache Erstellen von Flippertischen aus einer Auswahl verschiedener Bausteine, die per Drag&Drop auf der Spielfläche platziert werden. Das PINBALL CONSTRUCTION SET wird im Handbuch wie folgt angepriesen: »No programming or typing is necessary. Just take parts from the set and put them on the game board. Press a button to play!«60 Die Betonung der Zugänglichkeit setzt sich dabei auch in der Gestaltung des Covers fort, das eine Art Bastel-Set zeigt und damit den virtuellen bzw. digitalen Charakter des Programms zu überdecken versucht.
Das PINBALL CONSTRUCTION SET erwies sich als ein enormer kommerzieller Erfolg und zog eine ganze Reihe von Fortsetzungen nach sich – u.a. das RACING DESTRUCTION SET,61 aber auch weniger an klassischen Spielgenres orientierte Programme, wie das MUSIC CONSTRUCTION SET,62 das als einer der Vorläufer für Education-Software gelten darf.
Ende der 1980er Jahre verliert sich diese Spur der Vorläufer von Editor-Games. Leveleditoren finden zwar nach wie vor Verwendung, vor allem als Karteneditoren im Strategiespielbereich. Sie sind aber häufig eher ein Bonusfeature, das weit hinter der Beliebtheit früherer Construction Sets zurückbleibt. Dies ändert sich 2008 mit dem Erscheinen des Spiels LITTLEBIGPLANET für die Playstation 3 – dem bis heute wohl prominentesten Beispiel für die wachsende Bedeutung von User Generated Content insbesondere im Bereich der Konsolenspiele. Von Kritikern hoch gelobt gilt Media Molecules Jump'n'Run-Baukasten bis heute als Meilenstein des Gaming 2.0,63 was vor allem durch die Gestaltung und Einbindung des Leveleditors in das Spiel begründet ist – und damit ist die Diskussion bei einer genaueren Analyse der Editorenwerkzeuge angekommen.
3.2 Programm-Ästhetiken
Die Story-Kampagne von LITTLEBIGPLANET umfasst sechs bis acht Spielstunden und kann mit bis zu vier Spielern bestritten werden. Das eigentliche Kernstück von Sonys Vorzeigetitel bildet jedoch der Leveleditor des Spiels, der eine – zumindest für Konsolenspiele – einzigartige Fülle an Funktionalitäten bietet. Zudem können die selbst erstellten Level mit Hilfe eines integrierten Sharing-Systems über das Playstation Network veröffentlicht und so der LITTLEBIGPLANET-Community zugänglich gemacht werden.
Abbildung 7: LITTLEBIGPLANET – Editor
Das Computerspiel-Fachportal Gamasutra sieht den LITTLEBIGPLANET-Leveleditor als eine der wichtigsten Innovationen des Jahres 2008:
»LITTLEBIGPLANET is as much about enabling gamers to participate in level design as anything else, which means its user design experience needed to at least approachthe level of accessibility seen in more traditional gameplay. Certainly, creating a LITTLEBIGPLANET level requires more investment of time and creativity than playing a LITTLEBIGPLANET level, but it is telling that the lines between the two can be somewhat blurred. It is perhaps even more telling that, thanks to the game's intuitive, real-time nature of level editing, Media Molecule has shipped a creation mechanic that has proved enormously usable for end users while remaining standard issue for the studio's professional designers.«64
Abbildung 8: LITTLEBIGPLANET – Spielwelt
Es kann und soll hier nicht detailliert auf die genaue Funktionsweise des Leveleditors von LITTLEBIGPLANET eingegangen werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle vielmehr die Einbindung des Editors (1) durch eine insbesondere für Einsteiger sehr zugängliche Benutzeroberfläche und (2) über eine Art Editor-Ästhetik, die geschickt in die LITTLEBIGPLANET-Spielwelt integriert wurde.
Ad 1) Obwohl der Leveleditor letztlich ein recht komplexes Werkzeug darstellt, ist dieses Tool in LITTLEBIGPLANET keinesfalls als ein Bonusfeature für besonders versierte Spieler gedacht, sondern soll gezielt auch Gelegenheitsspieler als neue Zielgruppe erschließen. Jede Funktionalität des Editors wird durch Videotutorials begleitet. Zudem unterscheidet sich die Darstellung des Editors nicht wesentlich von der Ansicht im eigentlichen Spielmodus. LITTLEBIGPLANET verzichtet auf eine abstrakte Werkzeugpalette, stattdessen wird die Avatarfigur zum ›Baumeister‹. Durch einige übersichtliche Menüs, die in ähnlicher Form auch im Hauptspiel vorkommen, werden Levelbausteine ausgewählt, die mit dem ›Universalwerkzeug Sackboy‹ angepasst und platziert werden. Dieses von Gamasutra angepriesene »real-time level editing« markiert durch die gezielte Annäherung von Spielwelt- und Editordarstellung somit eine entscheidende Strategie bei der spielerischen Integration von Modding-Features.