LITTLEBIGPLANET hat neben einer Reihe von Portierungen65 und Spin-offs66 im Jahr 2011 mit LITTLEBIGPLANET 267 einen erfolgreichen Nachfolger gefunden, der das zugängliche Editor-Prinzip aufgreift und mit zusätzlichen Funktionen anreichert, etwa der Möglichkeit nicht mehr nur Jump'n' Run-Level zu erstellen, sondern weitere (einfache) Arcade-Spielmechanismen umzusetzen. Als Gaming 2.0-Flagschiff ist LITTLEBIGPLANET allerdings mittlerweile durch MINECRAFT abgelöst worden, das einige Features und Charakteristika von LITTLEBIGPLANET aufgreift, insbesondere eine – wenn auch grafisch gänzlich anders umgesetzte – Editor-Ästhetik, die ebenfalls ein Editieren durch einen Avatar direkt in der Spielwelt erlaubt. Zudem geht MINECRAFT noch einen entscheidenden Schritt weiter, indem das Spiel die Grenze zwischen Editor und Spiel – die bei LITTLEBIGPLANET zwar zunehmend unscharf wird, aber durch die separaten Spiel- und Editormodi durchaus noch präsent ist – praktisch aufhebt und das stetige Editieren der Spielwelt zum eigentlichen Spielprinzip erhebt.68
3.3 Skripte der Partizipation
Die Mediengeschichte der Leveleditoren und Editor-Games ist bislang kaum erforscht und spielt allenfalls in den Fußnoten der Studien zu Modding eine Rolle. Natürlich setzt das Modding von Computerspielen voraus, dass es Werkzeuge zur Veränderung der Spielinhalte und -strukturen gibt, jedoch stehen im Zentrum der Arbeiten zu Modding-Cultures in der Regel nur die Endprodukte, d.h. die fertigen Mods, nicht aber deren Entstehungsprozess. Solche »ergebnisorientierten Betrachtung[en]«69 verkennen den Akteurstatus von Entwurfstechniken, die Relevanz von Designprozessen und vor allem auch die Bedeutung von Communities.
Um die Brücke zwischen Nutzerpraxen und Technikanalyse zu schlagen,70 lässt sich an die Analyse des LITTLEBIGPLANET-Editors nun die Frage anschließen, welche – mit Madeleine Akrich71 gesprochen – Skripte der Partizipation den jeweiligen Editor-Programmen eingeschrieben sind. Diese im Fall der Modding Cultures besonders anschauliche Gegenüberstellung zwischen einer impliziten Partizipation (in den Skripten der Software) und realen Partizipationspraktiken (den konkreten Handlungen des Spielers) verdeutlicht dabei den nicht selten konflikthaften Charakter partizipativer Medienkulturen.72 So argumentiert etwa Christian Trapp:
»Ein Vergleich des HAMMER-[73] und des LITTLEBIGPLANET-Editors zeigt zwei grundlegend verschiedene ›Philosophien‹ des Moddings. Dabei mag auf den ersten Blick der LITTLEBIGPLANET-Editor durch seine direkte Integration ins Spiel einen stärkeren ›Mod-Charakter‹ aufweisen. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass der Level-Editor als ›Feature‹ nur ein sehr begrenztes bzw. kontrolliertes Maß an Änderungen erlaubt. Der Spieler ›spielt‹ im Grunde nur das Spiel in den Grenzen der vorgegebenen Entfaltungsmöglichkeiten, indem er Level gestaltet.«74
So gut begründet Trapps Einwände sein mögen, so deutlich zielt eine solche Argumentation aber auch auf ein bestimmtes ›Ideal‹ von ›freien‹ Modding-Praktiken, das Modding im Wesentlichen als Experten- bzw. Sub-Kultur konturiert und den ›hacker spirit‹ der Mod-Bewegung betont. Vor diesem Hintergrund ist es zwar nur folgerichtig, die Einschränkungen der Funktionalität des Editors in LITTLEBIGPLANET kritisch hervorzuheben – doch ebenso sind es gerade diese Einschränkungen, die ein ›Spielen‹ des Editors erst möglich machen. So zeigt sich, dass populäre Modding-Praktiken längst ein ›(massen)kulturelles Eigenleben‹ entwickelt haben, das sich nicht mehr hinreichend mit einer Kategorie wie dem Freiheitsgrad der technischen Änderungsmöglichkeiten beschreiben lässt.
Ein ähnliches Argument lässt sich für das Beispiel MINECRAFT formulieren: Natürlich ist das Programm einerseits offener für ›freie‹ Modding-Praktiken als LITTLEBIGPLANET, da das Spiel nicht auf die geschlossene Hardware-Plattform der Playstation 3 beschränkt ist. Andererseits lässt sich aber auch hier einwenden, dass die Editor-Ästhetik keineswegs den professionellen Editorenwerkzeugen folgt, da ein Editieren aus einer First-Person-Avatar-Perspektive auf den ersten Blick als ein geradezu umständliches Interface-Konzept anmuten mag. Doch auch in diesem Fall ist es entscheidend, einen umfassenderen Blick auf die MINECRAFT umlagernden Spielkulturen und deren ›Ästhetiken des Editierens‹ zu werfen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich nämlich, dass gerade die First-Person-Editoren-Perspektive eine Verschmelzung von Spiel und Editor realisiert und gleichzeitig ein gemeinsames Editieren der Spielwelt mit mehreren Spielern – und damit eine Art Mulitplayer-Modus – begünstigt.
Aufgrund der Charakteristika der Editor-Games, ihrer Offenheit, Unmarkiertheit und Prozessualität, bedarf es somit Methoden der Computerspielanalyse, die eine praxeologische Perspektive beinhalten, um Computerspiele ›in the making‹ zu adressieren und Spielhandlungen in situ75 erfahrbar zu machen. Es geht also darum, sich nicht mit der Betrachtung einer Seite zufrieden zu geben, sondern permanent zwischen den eingeschriebenen artefaktseitigen Handlungsinitativen und den nutzerseitigen Verschiebungen zu wechseln.76 Die theoretischen und methodologischen Leitkonzepte für die hier vorgeschlagene Form einer praxeologisch ausgerichteten Perspektive der Game Studies bietet die Techniksoziologie an, die seit ihrer Entstehung aus den sozialwissenschaftlichen Wissenschafts- und Laborstudien maßgeblich von den Vertretern der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) vorangetrieben wurde.
Bekanntermaßen propagiert die ANT ein sogenanntes Symmetrieprinzip, das es erlaubt, menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren in einem Handlungszusammenhang gleichermaßen Agency, eine Handlungsinitiative, zuzugestehen.77 Bei der Untersuchung von Editor-Games erscheint es somit sinnvoll, nicht zwischen sozialen, technischen und natürlichen Gegebenheiten zu unterscheiden, sondern eine Symmetrie einzufordern, die sich im vorliegenden Anwendungsfall primär in der Gleichbehandlung von den Moddern und den Editoren vollzieht.78 Modding-Communities entstehen demzufolge nicht allein durch das kommunikative Handeln der Subjekte, sondern auch durch die konkrete Interaktion mit Medientechnologien. Ein Editieren der Spielwelt muss in der Analyse daher als ein Handlungsprogramm verstanden werden, das sich aus einem historisch gewachsenen Kollektiv von Nutzern und Nutzergemeinschaften, Techniken, Zeichen und Wahrnehmungen speist. Diese Elemente bilden gemeinsam ein heterogenes Netzwerk – wobei Netzwerk hier keinesfalls strukturell gedacht werden soll, sondern als Verknüpfung von sozio-technischen Handlungsprogrammen,79 entsprechend der analytischen Unterscheidung von Softwareunternehmen, Spielern, Modding-Communities, Spielen und Editoren. Auf diese Weise bildet die ANT einen Zugang zu medialen Handlungspraktiken, der keine strikte methodische Verfahrensanleitung vorgibt, sondern eine Heuristik, die es erlaubt, sich jenseits tradierter Dichotomien anzusiedeln. Dies tangiert ebenfalls die Unterscheidung zwischen einer technikzentrierten Medienwissenschaft, die stets auf ein mediales Apriori verweisen muss, und einer anthropologisch