Ich arbeitete generell ohne Atemschutz, was mir jahrelanges Versagen des Geruchsinns einbrachte. Aber es machte unglaublich viel Spaß. So wurde der alte Wunsch mit meinem zeichnerischen Können auch Geld verdienen zu können, wieder bestärkt. Zumal ich schon für das Bemalen der Fahrzeuge ein bisschen Kleingeld erhalten hatte. Aber noch befand ich mich emotional in einer tiefen Falle, sodass ich immer noch das tat, was aus meinem familiären Umfeld und von meinen Ausbildern und Lehrern »empfohlen« wurde.
Das änderte sich erst, nachdem ich bei der Bundeswehr war.
Diese unfassbare, äußerst suspekte Geschichte erzähle ich vielleicht später. Jetzt mag es genügen, dass ich während dieser Zeit nur Zeichnungen von besoffenen Soldaten, Porträts irgendwelcher Damen, die Bemalung des Kompaniegebäudes und Milliarden von Urkunden für irgendwelche Obersthauptfeldwebelentlassungsodergeburtstagsgrüße zeichnete. Das pure daumendrehende Absitzen von Zeit. Mit viel Zeit nachzudenken.
Letztlich waren diese verschenkten Jahre nicht überflüssig. Denn danach beschloss ich, nie mehr etwas zu tun, das ich nicht wirklich wollte. Und das hab ich seitdem durchgezogen.
Und seitdem ging es mir immer besser. Ich hatte endlich begonnen mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mit einem ersten Sprung ins kalte Wasser zog ich nach Pforzheim. Um dort an der Fachhochschule für Gestaltung Modedesign zu studieren. Was mangels Fachhochschulreife ja eigentlich nicht möglich war. Aber mein zeichnerisches Talent schenkte mir die Begabtenprüfung, wodurch mir die Aufnahme zum Studium gelang. Tja, wenn man was wirklich will, dann klappt es auch!
Und schließlich verdiene ich doch Geld mit meinem Talent. Obwohl meine Eltern und Lehrer immer meinten: »Lern du was Anständiges! Zeichnen kann man immer noch als Hobby machen.« Aber von Hobbys halte ich nicht viel. Denn das impliziert, dass ich die meiste Zeit etwas mache, was mir nicht gefällt. Und um diesen Frust zu kompensieren, suche ich mir dann ein hobbyartig ausuferndes Betätigungsfeld, um nicht ganz durchzudrehen.
Ich will aber genauso leben, wie ich es mir vorstelle. Und zwar täglich und ohne Kompromisse. Dank meiner Talente gelingt mir dies auch. Wobei Kinder natürlich eine gewisse Einschränkung dieser Lebensweise erfordern. Aber da ich mich bewusst für die Kinder entschieden habe, entspricht diese Veränderung ja wiederum meinem Wollen.
Talente ... Das Leben wäre einfacher, wenn ich nur dies eine Talent hätte. Aber in seiner Gnade schenkte mir Gott eine Menge an Talenten. Was mein Leben nicht unbedingt erleichtert. Denn welches soll ich zum Beruf erwählen?
Durch die Anregung meiner Lehrer – um mich aus meiner kindlichen Isolation zu holen – steckten mich meine Eltern in verschiedene Vereine. Da war natürlich zuerst der dörfliche Fußballverein. Toll. Ich war damals schwerstens übergewichtig. Was zu besonders lustigen Momenten führte – für die anderen. Es muss wirklich brüllend komisch gewesen sein, wenn ich als dicker Brillenträger mit schwerem Körper wabbelnd und fetthüpfend einem Ball hinterherjagen musste. Hölle.
Am schlimmsten war das anfängliche Aufwärmgerenne. In den Wald und in großem Bogen zurück zum Sportplatz. Meist warf ich mich schon nach wenigen Schritten auf den Rasen am Wegrand und wartete heftig atmend auf die Rückkehr der restlichen Truppe. Ich weiß nicht mehr, wie lang ich in dem Verein weilte, aber bestimmt keine zwei Monate. Danach gab es Handballverein, Turnverein und bestimmt noch irgendwas, was ich nicht mehr weiß ...
Immerhin hab ich dem Turnen eine nette Narbe an meinem Kinn zu verdanken.
Wie immer hechelte ich beim Schulsport der joggenden Meute hinterher. Ich war brillenlos, weil diese durch mein intensives Schwitzen von der Nase fallen konnte. So sah ich den fetten Knoten des Kletterseiles nicht auf mich zukommen, den ein Kind aus einer nicht nachvollziehbaren Laune heraus in fliegende Bewegung gebracht hatte. Durch die vom Rennen verstärkte Kraft schwang das Seil mit hoher Geschwindigkeit zurück. Und mir voll in die Fresse: Womm.
Da ich mit recht scharfen Eckzähnen bewaffnet bin, schaute danach der rechte Hauer durch die Unterlippe heraus. Loch eins.
Wie man sieht, war und bin ich nicht des Sportes großer Freund.
Auch das Schwimmen konnte mich nicht begeistern. Ich denke das liegt einerseits am tollen Schwimmtraining meines Onkels, der sich uns Kinder gern mal schnappte, um uns ins Freibad zu begleiten. Merkwürdigerweise kümmerte er sich hauptsächlich um meine gerade in weibliche Proportionen sprießende Cousinen.
Die einfachste Methode das Schwimmen zu lernen ist ja bekannterweise die Variante, in welcher das mit einem natürlichen Schwimmring ausgestattete Kind auf eine Rutsche gesetzt wird, um dann im Wasser unten aufgefangen zu werden.
Auf jeden Fall glaubt das vertrauensvolle Kind das. Aber nur so lang, bis es unter Gejapse und mit viel Wasser in Auge, Nase, Mund und Ohren wieder endlich zu Luft kommt. Um verschwommen den sich vor Lachen den Kugelbauch haltenden »Schwimmlehrer« zu sehen. Bei mir hatte diese Variante des Schwimmtrainings einen umgekehrten Erfolg. Fortan lag ich auf meinem nicht gerade schmalen Bauch und beobachtete ebenfalls die aufkeimende Weiblichkeit um mich herum.
Ein weiterer Grund, ungern schwimmen zu gehen, war meine Scham. Diesen dicken, schwabbelnden Körper in Badehose der Gemeinde zu zeigen, erforderte zu viel Mut. Sport war einfach nichts für mich.
So kam es, dass das Einzige, was noch zum zwangsweise Geselligwerden blieb, ein Tanzkurs war. Die letzte Möglichkeit den verschlossenen Sohn gruppentauglich zu machen.
Zufällig war dies kurz nach einer vom Arzt kontrollierten Diät und meinem erstaunlich schnellen parallelen pubertätsbedingten Wachstum. Was mich zwar nicht leichter, aber anders proportionierter machte. Diese Veränderung meines Körpers in einen normal schlanken Jüngling verlief aber nur äußerlich. Den Gedanken des Dickseins hab ich erst vor fünf Jahren loslassen können. Zeitgleich zur Einführung in die Tanzwelt wurde ich fünfzehn. Und mit dem Geschenk eines Mofas kam die oben erwähnte Erstbefreiung meinerseits.
Kurzum: Der Tanzkurs war der volle Erfolg. Ich hatte vorher nie einen Gedanken an das Bewegen meines Körpers zur Musik in Betracht gezogen, obwohl ich natürlich intensiv die gängige Musik von damals hörte, insbesondere die der Beatles. Es gab damals ja zwei unterschiedlichen Fan–Lager: Entweder gehörte man zum Lager der Beatles oder zu dem der Rolling Stones. Ich denke, der Unterschied liegt sicher nicht nur in der Art der Musik, sondern auch und vor allem in dem, was dahinter verborgen mitschwingt.
Betrachte ich mir die Texte der Beatles, vor allem in der späteren Schaffensphase, füllt sich mein Herz mit viel Gefühl und Liebe. Die Texte beschreiben ganz klar den Bewusstwerdungsprozess, den die meisten Menschen zu diesen Zeiten durchmachten.
Auch die heutigen Liedertexte sind klar in ihrer Ausrichtung. Es geht bei bestimmten Gruppen nicht mehr um oberflächliche Liebesgeplänkel oder Alltäglichkeiten, sondern um das neue Definieren des Menschen als bewusstes und spirituelles Wesen. Oder die Texte beschreiben den hilfesuchenden Schrei. Die Verzweiflung auf der Suche nach dem wahren Ich, was ja letztlich auch das Ursprüngliche, das Gott–Sein beinhaltet.
Kurzum, wir befinden uns in einer hochspirituellen Phase in der Musikgeschichte. Dabei ist es völlig unwichtig, welcher Musikrichtung die Gruppe angehört. Es ist nur wichtig, dass viele Menschen die Texte mitgrölen, denn nur so schaffen wir ein neues Feld von Gruppenbewusstsein. Ständig wiederholte Sätze und Gedanken haben die Angewohnheit sich zu realisieren. Wenn ich viele negative Gedanken in mir trage, realisieren sich diese. Bin ich mit meinen Gedanken in einer befreienden, positiven Grundstimmung, erlebe ich positive Ereignisse als meine Wirklichkeit. Und ich spreche hier nicht von oberflächlichem positiven Denken, das nur wie Tünche über der wirklichkeitsbildenden, negativen Gedankenschicht klebt. Und so kann die Musik, die wir täglich hören, zu einer großen Veränderung beitragen. Denn durch die genialen Texte vieler Bands heutzutage ist das eine nicht zu verachtende Unterstützung unserer Bewusstseinsevolution.
Und das fing meines Erachtens eben schon mit den Beatles an, die meine absolute Lieblingsband war. Ich hörte zwar auch ABBA, aber eher wegen der beiden Mädels und die damals aktuellen Gruppen: ELO, Manfred Manns Earth Band etc. ...
Aber