Es gab eine Zeit, da war die Farbe Ausdruck einer Gesinnung, eines inneren Zustandes und eine Beschreibung der Gedankenwelt in das äußere Dasein. Aber wie immer werden alle Innovationen nach und nach von der Masse assimiliert, übernommen. Jetzt sitzen sie alle hier in diesem Café, schwarz gekleidet, dem schwarz–weiß ausgestatteten Raum entsprechend. Ich kann mich aber eigentlich nicht beschweren – ich bin genauso.
Ich ertrage es zurzeit nicht, mich in Farbe zu werfen. Und dennoch wünsche ich mir, dies getan zu haben. Ich mag es noch weniger, Einer unter Vielen zu sein. Manchmal sehr nervig, dieses Gefühl, unbedingt anders sein zu müssen. Wahrscheinlich kann da ein gewiefter Psychologe noch einige Traumata und Psychosen herausholen. Aber es ist eben so, und es bringt mich nicht wirklich um.
Das Treffen tut mir gut, wir unterhalten uns locker über ihr Studium und die daraus resultierenden Merkwürdigkeiten. Sie studiert Medizin. Das einzige Nervige in dieser Situation sind die überall herumsitzenden Raucher, deren Nebel typischerweise immer in meine Richtung heranschwebt.
Generell macht es mir nicht viel aus, ich hab ja selbst zwei Jahre lang geraucht, aber das ist schon ewig her. Heute bin ich aber nicht in Erduldungslaune. Und nach kurzer Zeit des gemütlichen Herumlümmelns in bequemen Stühlen, riechen meine Klamotten schon schwer nikotinhaltig. Ein unglaublich hartnäckiges Zeug. Auch wenn ich nach langer, durchtanzter Nacht in Diskotheken morgens aufwache und den kalten Aschenbechergestank in und an mir wahrnehme, kann mir schon mal blümerant zumute werden. Die Kopfschmerzen und das merkwürdige Katergefühl nach solchen Abenden können unmöglich von Alkoholika kommen. Ich trinke ja nichts. Dementsprechend theoretisiere ich diese körperlichen Übelkeiten dem Nikotin zu. Wahrscheinlich sind alle Katerstimmungen eher den Zigaretten zuzusprechen als dem Alkohol. Auch wenn es stinkt wie Pest, ob das Rauchen tatsächlich schädlich ist, sei mal dahingestellt. Letztlich ist es doch nur eine Frage unserer Einstellung zu den Dingen, die wir tun. Wenn ich mal wieder zu viel Kuchen in mich gestopft habe, wäre das nicht einmal ein Problem, würde ich nicht anschließend einen halben Tag lang unter diesem Tun leiden. Hätte ich den Mut, die Sucht einfach hinzunehmen und zu genießen, könnte es meinem Körper kaum etwas ausmachen. Der Gedanke hinter der Tat ist immer das Problem.
Aber in unserer materialistischen Welt geht es immer nur um die bloßen, aus dem Zusammenhang gerissenen Symptome. Die Hintergründe erkennt man nicht.
Wie bei der Ernährung und den vermeintlichen Eigenschaften diverser Nahrungsmittel. All die Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse über den Einfluss von Kalorien, Cholesterin oder sonstige Notwendigkeiten von Essen und Trinken sind meiner Ansicht nach viel zu oberflächlich. Und statistisch dem Auftraggeber gemäß geschönt. Wer weiß denn schon wirklich über die genauen Abläufe innerhalb unseres Körpers Bescheid. Wie welche Nahrungsmittel auf welche Körpersäfte reagieren. Und das wird dann nicht einmal individuell betrachtet, sondern einfach als generelle Tatsache dargestellt. Dass aber jeder seine ganz eigene Chemie hat, wird schlicht ignoriert.
Ich kann auch nicht verstehen, dass man dazu übergeht, Nahrungsmittel auf die spezielle Zusammensetzung einzelner Bausteine zu reduzieren, um diese künstlich nachzubasteln. Und um dann festzustellen, dass die künstlich erstellten Bauteile nicht dieselbe Wirkung haben, wie die natürlichen. Jedes lebende Objekt besteht aus mehr als nur den mikroskopisch erfassbaren Einzelteilen. Es gibt ein alles zusammenfassendes Informationsfeld, das den Charakter, die Erscheinung, die Wirkung, die Gesamtheit bestimmt. Ein Feld, das auf einer geistigen Ebene die Information des gesamten Objektes, des Lebewesens oder der gesellschaftlichen oder geistigen Struktur beinhaltet, und bestimmt. Solche Felder nennt man morphogenetische Felder.
Diese allumfassende und alles erklärende Theorie ist wissenschaftlich natürlich noch nicht angenommen worden. Sie würde ja auch das gesamte Konstrukt unserer evolutionären Basis umstürzen. Wer kann da schon an einer Veröffentlichung im großen Maße Interesse haben.
Nichtsdestotrotz erleben und fühlen wir alle diese uns umgebenden Felder in jedem Moment und in jeder Situation. Unsere komplette gesellschaftliche Struktur basiert darauf und selbst unser eigener Körper, unsere Mentalität sowie unsere kulturelle Zusammengehörigkeit sind in dieser Theorie verwurzelt.
Morphogenetisches Feld
Um bei der oben erwähnten Mode zu bleiben: Im Raum klebt eine Idee – zum Beispiel vor dreißig Jahren: Punk. In allen Kulturen, die gedanklich und mental miteinander verbunden sind, ist dieser Gedanke plötzlich wahrnehmbar. Dabei geht dies von der zugrunde liegenden Idee bis zur äußerlichen Kleidung. Je mehr Menschen diesen Gedanken, diese Idee in sich leben lassen –ihm sozusagen Energie geben – desto größer wird das entsprechende Feld. Und immer mehr Leute werden davon erreicht. Je größer das Feld, umso leichter ist es für Gleichgesinnte, sich einzuklinken und die Idee »downzuloaden«.
Wenn eine Mehrheit der Menschen das Feld in ihr Wesen übernommen hat, ist das Feld so groß, dass es zur grundlegenden Struktur in Mentalität und Gesellschaftsordnung wird. Ungewohntes wird über Nacht zur Normalität.
Heutzutage ist das Färben der Haare, das Piercen und Tätowieren der damals oft verspotteten Punks so normal geworden, dass sich niemand mehr darüber aufregt. Höchstens ich, weil ich die damalige Idee als verraten empfinde. Aber so funktioniert das Assimilieren. Ein anfänglich revolutionärer Gedanken wird zu einer Massenbewegung, die aber den Ursprungsgedanken in extrem verwaschener Form in das eigene Denken übernimmt. Wobei oft die Idee oft entkernt, und der Inhalt auf sein äußere Erscheinungsform reduziert wird. Aus dem Feld des Revoluzzertums wurde über die Zeit ein matschiger Abdruck. Untergegangen im Massenbewusstsein. Der ursprüngliche Gedanke wurde einfach integriert und weggeschwemmt. Und hat dadurch seine Kraft verloren. Übrig blieben die übernommenen Frisuren und Teile der Kleidung, die jetzt normal geworden sind.
So funktionieren alle Veränderungen. Ob das nun eine industrielle Revolution, kirchliches Gedankentum, das Fahrradfahren, Computer oder Modeerscheinungen sind: Am Anfang war ein kleines Feld, das einige Wenige initiierten oder erspürten. Diese »Idealisten« oder – im oberflächlichen Sinne – Designer ziehen durch ihre intuitive Wahrnehmung der neuen Impulse die formgewordene Idee in die materielle, sichtbare Welt. So wird ein Trend geboren. Ein Trend, den erst wenige verfolgen, die dafür oft ausgelacht oder beschimpft, verspottet und verfolgt werden. Die Idealisten fühlen das Wachsen dieser Struktur und sind sich ihrer Bedeutung bewusst. Je mehr Menschen diese Idee nun wahrnehmen, umso größer wird das entsprechende Feld und umso einfacher ist es für nachfolgende Leute oder Designkopisten, den Trend nachzuahmen und weiterzuführen. Mit jedem neuen Nutzer der Idee verbreitet sich das Gedankentum oder die Mode. Plötzlich trägt jeder Schlaghosen! Und es wird normal, Schlaghosen zu tragen. Und mit der Normalität verändert sich sogar der Massengeschmack: alle finden Schlaghosen spitze, klasse, groovy.
Auf anderen Ebenen wächst der Gedanke an eine Revolution aus idealistischen Gründen und Szenarien werden gemacht, wie eine bessere Welt auszusehen habe. Es werden Anstrengungen und Unternehmungen angeleiert, die das entstandene geistige Feld vergrößern, ihm mehr Kraft und Bedeutung geben. Bis sich das Feld verselbstständigt und in die Masse eingeht. Dann werden im schlimmsten Fall aus friedlichen Protesten radikale Demos, bei der Mauern zerstört und Grenzen eingerissen werden. Um dann im neu eroberten Land mit 100 DM und einer Gurke die ursprüngliche Idee von Freiheit mit reichlich viel Sekt zu Grabe zu tragen. So ist der Lauf der Dinge. Hoffen wir, dass die momentane Bewusstseinsrevolution ihre Ideale behalten kann, wenn sie zu einer Massenbewegung wird.
Was bin ich früher ausgelacht worden, weil ich die Haare auf spezielle Weise frisiert oder gefärbt hatte, oder mit den außergewöhnlichsten Klamotten herumlief. Genau diese Mode ist heute zur Normalität geworden, und eben auch das Schwarz–Tragen. Die entstandene Normalität überrennt die ursprüngliche Idee einfach. Aber im Tod des assimilierten Gedankens blüht ein neuer Gedanke. Ein ständiges Kommen und Gehen, ein Hin–und–her–Geschubse von einem Extrem in das nächste, und die große Masse führt alle Ideen in die Normalität.
Das soll jetzt ohne Beurteilung verstanden sein. Es ist so, weil es genauso funktionieren muss. Es gibt die, welche von einer