Gemächlich schlenderten sie kurz darauf zum See hinunter. Mondschein und ein sternklarer Himmel begleiteten sie und zauberten geheimnisvolle Lichter auf die Wasserfläche.
»Wie schön es hier ist, Kay, und noch schöner ist es, dabei einen vertrauten Freund an der Seite zu haben. Ich werde diese Stunden mit dir sehr vermissen, wenn ich wieder zu Hause bin«, kam es leise über Madlons Lippen.
»Bin ich wirklich nur dein Freund?« fragte Kay verhalten, und er merkte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Jetzt war für ihn die letzte Gelegenheit gekommen.
»Ich kann es nicht länger für mich behalten, Madlon. Mich zieht mehr als Freundschaft zu dir hin. Ich liebe dich, und ich möchte mehr als deine Freundschaft. Ich will dich. Bitte, werde meine Frau.«
Sanft umfaßte Kay ihr Gesicht mit seinen Händen, und ehe sie es verhindern konnte, hauchte er einen zarten Kuß auf ihre Lippen.
»Bitte nicht, Kay, es kommt alles viel zu schnell für mich. Laß mir Zeit. Ich mag dich auch, ich mag dich sogar sehr. Doch ich muß erst einmal Abstand gewinnen.«
Kay sagte einen Augenblick lang nichts mehr, und sie spürte seine übergroße Enttäuschung. Einem plötzlichen Impuls folgend, hob sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuß.
»Bitte, sei mir nicht böse, aber du mußt mich verstehen. Ich muß auch an Nils denken. Er kommt noch nicht drüber weg. Wir werden uns wiedersehen, dann bekommst du meine Antwort. Celle ist ja nicht weit weg. Bis dahin laß uns Freunde bleiben. Deine Freundschaft bedeutet mir sehr viel.«
»Wie könnte ich dir böse sein, wo ich dich so sehr liebe? Ich werde auf dich warten. Komm, gehen wir noch ein Stück. Ich möchte noch nicht zum Hotel zurück. Es ist heute unser letzter Abend, und den möchte ich bis zum letzten Augenblick mit dir verbringen.«
Bis kurz nach Mitternacht blieb Kay mit Madlon unten am See, dann brachte er sie zum Hotel zurück. Vor ihrer Zimmertür hielt er ihre Hand noch etwas länger fest.
»Laß mich nicht zu lange auf dich warten, Madlon.«
»Das werde ich nicht, Kay, bestimmt nicht. Bringst du uns nicht auch morgen früh noch zum Bahnhof?«
»Natürlich, aber dann ist Nils dabei, und das wollte ich dir gern noch unter vier Augen gesagt haben.«
»Du bist lieb, du hast so viel Verständnis für mich. Ich danke dir dafür.«
Noch einmal hob sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn. Ehe er zugreifen konnte, war sie jedoch schon in ihrem Zimmer verschwunden.
Als Kay am nächsten Morgen kurz vor sieben zum Frühstücken hinunterging, wurde er schon von Madlon und Nils erwartet.
»Wir können noch zusammen frühstücken. Es bleibt genügend Zeit, bis wir zum Bahnhof müssen. Unser Gepäck ist auch schon unten in der Halle.«
»Ich pack es schon in den Wagen, bevor das Frühstück kommt. Möchtest du mir helfen, Nils?«
»Ja, gern, Herr Doktor«, antwortete Nils und stand sofort auf. Kay lächelte ihm zu.
»Wieder alles in Ordnung?«
»Ja, es ist alles wieder gut, Herr Doktor. Ich freue mich schon sehr auf zu Hause.«
»So soll es auch sein – Na, dann wollen wir mal.«
Das Gepäck war schnell verstaut, und als Kay mit Nils den Frühstücksraum betrat, wurde gerade das Frühstück gebracht.
Es war wohl wirklich die Freude, nach Hause zu fahren, die den Dreizehnjährigen heute nicht so schweigsam sein ließ wie an all den vorhergegangenen Tagen. Auch später in Spittal am Bahnhof war Kay mehr als überrascht, als der Junge ihm zum Abschied die Hand reichte und mit fester Stimme sagte:
»Ich wünsche Ihnen alles Gute, und ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben, Herr Dr. Martens.«
»Ich wünsche dir und deiner Mutti noch alles Gute. Ich hoffe, daß wir uns irgendwann einmal wiedersehen. Bis dahin mach es gut und bleib ein vernünftiger Junge.«
Ein langer Blick zu Madlon, die ihm ein weiches Lächeln schenkte, dann fuhr der Zug langsam an und verschwand bald Kays Blicken.
Noch zwei Tage, dann folge ich dir in die Heimat, geliebte Madlon, dachte Kay und verließ mit langsamen Schritten den Bahnhof.
*
Für Hanna waren die vierzehn Tage, in denen ihr Bruder in Kärnten war, trotz aller Arbeit viel zu langsam vorübergegangen. Sie gestand sich ein, daß sie sich schon auf seine Rückkehr freute.
Während dieser Zeit hatte sie ein paarmal mit Kay telefoniert, aber auch mit der Mutter, die ihre feste Zusage gegeben hatte, bald nach Ögela zurückzukommen.
Kay würde sich bestimmt auch darüber freuen, wenn er bei seiner Rückkehr davon hörte.
Hanna rechnete damit, daß Kay im Verlauf des nächsten Tages von seiner Urlaubsreise zurückkommen würde. Um so überraschter war sie, als Kay noch am selben Abend ankam.
»Hallo, Schwesterherz, da bin ich wieder«, begrüßte er sie und mußte herzhaft über ihr verdutztes Gesicht lachen.
»Hat es dir doch nicht so gut gefallen, daß du schon einen Tag eher zurückkommst?« erkundigte sie sich nach einer herzlichen Begrüßung.
»Doch, es war wunderschön am Millstätter See, aber du weißt ja selbst, daß es einen nach einer gewissen Zeit doch wieder in heimatliche Gefilde zurückzieht. Ich hatte mich entschlossen, einen Tag früher abzufahren, weil sich das Wetter verschlechtert hatte. So bin ich also wieder da.«
»Willkommen daheim«, sagte Hanna und machte eine scherzhafte übertriebene Verbeugung.
Kay gab ihr einen leichten Rippenstoß.
»Willst du dich etwa über mich lustig machen?« beschwerte er sich, doch ein schelmisches Lächeln um seine Mundwinkel strafte seine Worte Lügen.
»Wie ist hier alles gelaufen? Alles in Ordnung?« erkundigte er sich, wieder ernst werdend.
»Ja, es ist alles in Ordnung. Obwohl wir einige schwierige Fälle drüben in der Klinik haben. Aber das hat noch Zeit bis morgen. Heute ruhst du dich nach der langen Fahrt erst einmal richtig aus. Wie ich dich kenne,
hast du bestimmt keine Pausen gemacht.«
»Stimmt, aber das wirft mich noch lange nicht um. Da ich aber bis morgen noch allein in meiner Wohnung bin, möchte ich dich bitten, mir einen kleinen Imbiß zu machen, wenn es dich nicht so viel Mühe kostet. Deine Füchsin ist sicher um diese Zeit nicht mehr verfügbar, nicht wahr?«
»Die Füchsin hat heute ihren freien Tag. Wir sind ganz unter uns. Es macht mir auch keine Mühe, dir rasch etwas herzurichten. Entschuldige mich bitte ein paar Minuten, gleich hast du etwas Gutes vor dir stehen. Möchtest du etwas Warmes dazu trinken oder lieber eine Flasche Bier?«
»Bitte Letzteres, Hanna.«
Hanna ging in die Küche und schob für ihren Bruder eine Pizza in die Mikrowelle. Ein Schälchen Tomatensalat war auch schnell zubereitet.
Als sie mit dem Tablett ins Wohnzimmer trat, stand Kay am Fenster und sah zum sternenklaren Nachthimmel hoch. Ein weiches, zärtliches Lächeln lag dabei auf seinem Gesicht.
So hatte Hanna ihren Bruder noch nie erlebt. Er mußte gerade an etwas sehr Schönes denken, denn er überhörte ihr Eintreten.
»Hallo, Bruderherz, jetzt wird nicht geträumt«, sagte sie und stellte das Tablett ab.
»Oh, entschuldige, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders«, kam es verlegen über Kays Lippen, und er nahm wieder Platz.
»Das habe ich wohl bemerkt. Es war wohl etwas sehr Schönes, an das du gerade gedacht hattest, nicht wahr?«
»Ja, das war es«, antwortete Kay, doch mehr sagte er nicht dazu, und Hanna war viel zu taktvoll, um nachzuhaken. Wenn ihr