In London erzeugte Anthony Bessemer neuartige Goldketten, die er an Goldschmiede weiterverkaufte. Ferner lieferte er gestanzte Lettern und betrieb eine Schriftgießerei. Er erwarb ein kleines Anwesen in Charlton bei Hitchin in Hertfordshire, wo Henry geboren wurde. In der Werkstatt des Vaters lernte er Grundzüge der Metallarbeit und insbesondere der Gießerei. Bereits als Halbwüchsiger erfand er eine Maschine zur Erzeugung kleiner Ziegel aus weißem Pfeifenton, und aus dem Letternmetall goss er kleine Räder sowie Seilrollen für Flaschenzüge. Als sein Vater mit dem Betrieb nach London übersiedelte, folgte ihm Bessemer 1830 nach. Hier befasste er sich als einer der Ersten damit, Medaillen zu galvanisieren. Ferner entwickelte er für die reichhaltigen Grafitminen in Borrowdale in Cumberland aus dem feinen Stahl von Uhrenfedern eine dünne Säge, um Grafitblöcke zu schneiden, sowie eine Presse für Grafitstaub. Außerdem realisierte er die Idee eines mit ihm befreundeten Seidenhändlers, nämlich eine Maschine, welche durch Tastendruck im Stil eines Pianos die Lettern für eine zu druckende Seite mechanisch in Zeilen und Spalten anordnete. 1834 heiratete Bessemer eine Freundin seiner Familie. Das Paar hatte mehrere Söhne.
Der Zufall brachte Bessemer auf eine Idee, welche ihm erstmals viel Geld einbringen sollte. Auf der Suche nach Metallpulver zur Dekorierung von Zierbuchstaben für eine Zeichenmappe seiner Schwester ärgerte er sich über dessen hohen Kaufpreis. Solches Bronze- bzw. Messingpulver wurde u.a. in Nürnberg in einem geheimen Verfahren händisch erzeugt. Bessemer ging nun daran, das Metall mit Hilfe einer Dampfmaschine zu zerkleinern, und plante eine eigene Produktionsstätte. Dafür zog er die drei jungen Brüder seiner Frau als Vertrauensleute heran. Die Teile der vorgesehenen Maschinen ließ er von mehreren Firmen herstellen, um ihre Funktion geheim zu halten. Im Londoner Vorort St. Pancras erwarb er ein Gebäude, das er Baxter House nannte. Hier entstand nun eine Fabrik. Jede der sechs Maschinen arbeitete unter einem Rahmen versteckt in einem eigenen Raum. Nach der Zerkleinerung des Messings wurde der Staub mechanisch poliert und in einer Trommel nach Größe sortiert. Bessemers Metallpulver kam auf dem Markt bestens an. Aus dem Gewinn erwarb er unweit von seiner Fabrik das Anwesen Charlton House in Highgate. Dort betrieb er ein Gewächshaus, hielt Kühe und Ponies und spielte Cricket, um sich zu erholen.
Sein Erfolg verschaffte ihm den finanziellen Spielraum für weitere Erfindungen. 1849 lernte er den Besitzer einer Zuckerplantage in Jamaika kennen. Daraufhin untersuchte er die technischen Prozesse zur Gewinnung des Saftes aus dem Zuckerrohr und befand, dass diese nachlässig und unwissenschaftlich gehandhabt wurden. Er ließ sich für Versuche ein Bündel Zuckerrohr aus Madeira schicken und entwarf eine neue Maschine. Damit gewann er eine Goldmedaille, die Prinz Albert in der Londoner Gesellschaft der Künste ausgeschrieben hatte. Ferner befasste sich Bessemer mit der Glaserzeugung und verbesserte die überkommene Produktion, so dass dieser Werkstoff nun viel schneller und mit weit geringerem Brennstoffeinsatz hergestellt werden konnte. Außerdem entwickelte er ein Verfahren, heißes Glas direkt aus dem Ofen zu Tafel- bzw. Scheibenglas zu walzen. Für die Abtretung eines diesbezüglichen Patents erhielt er 6000 Pfund. Hier wie auch bei anderen Gelegenheiten kam Bessemer zugute, dass er als Dilettant in verschiedenen Gebieten der Technik nicht durch überkommene Ideen gehemmt wurde und bestehende Verfahren prinzipiell für verbesserungswürdig hielt.
Während des Krimkriegs in den Jahren 1853 bis 1856 sammelte Bessemer erste Erfahrungen mit der Stahlerzeugung, u.a. im Geschützbau. Stahl, der weniger Kohlenstoff als Eisen enthält und sehr vielseitig verwendbar ist, wurde in England vor allem durch »Puddeln« erzeugt. Dabei rührten Arbeiter an großen Herden stundenlang ein flüssiges Eisenbad, das dadurch mit Luft in Verbindung kam und einen Teil des Kohlenstoffs abgab. Aufgrund dieser mühseligen und kostspieligen Herstellung wurden große Konstruktionen wie Schiffe und Brücken, aber auch Eisenbahnschienen, Räder und Achsen aus Schmiedeeisen erzeugt. Auf der Suche nach einem neuen Verfahren experimentierte Bessemer nun mit flüssigem Eisen in einem großen Behälter (Konverter). Wurde dieser gewendet und Luft durch das Eisen geblasen, so fand ohne weitere Zufuhr von Brennstoff eine heiße und funkensprühende Reaktion statt, welche das Eisen nicht nur flüssig hielt, sondern es auch binnen kurzer Zeit in Stahl umwandelte. Dieses Verfahren ermöglichte die Massenherstellung von preiswertem Stahl, doch war das in England gewonnene Roheisen wegen seines Phosphoranteils dafür wenig geeignet. Bessemer verwendete daher schwedisches Erz. Da die Eisenhüttenbesitzer zunächst sehr skeptisch blieben, nahm er 1858 in Sheffield mit mehreren Teilhabern selbst den ersten schwenkbaren Konverter in Betrieb. Anfangs machte das Werk noch 729 Pfund Verlust, 1867 wurden aber bereits 28.622 Pfund Gewinn erzielt.
1862 verkaufte Bessemer ein Viertel seiner Patentrechte um 50.000 Pfund an zehn Interessenten. Im gleichen Jahr wurden im Raum London die ersten Eisenbahnschienen aus dem neuen Stahl verlegt. Bessemerstahl erlangte vor allem für den Schiffbau große Bedeutung: Allein von 1863 bis 1865 wurden in England 18 Schiffe daraus gefertigt. Bald verbreitete sich das Verfahren auch in Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweden und vor allem in den USA, wo erstmals im Februar 1865 in Troy im Staat New York ein Konverter in Betrieb ging. Die Produktion dieses Stahls in den USA stieg von 8500 Tonnen (1868) auf über 9,1 Millionen Tonnen (1902). Damals trugen etwa ein Dutzend Gemeinden in den USA Bessemers Namen.
Die Schifffahrt bot ihm einen weiteren Anlass für ein technisches Experiment. Bessemer neigte stark zur Seekrankheit, vor allem bei Überquerungen des Ärmelkanals. Nach einer besonders stürmischen Überfahrt entwickelte er einen Schiffstyp mit einem speziell konstruierten Passagiersalon, der bei Wellengang durch ein hydraulisches Gestänge in waagrechter Position blieb. Im Mai 1875 krachte aber ein nach seinen Vorgaben gebautes Schiff während einer Probefahrt bei günstigen Wetterverhältnissen an die Mole von Calais, was die »Bessemer Saloon Steamboat Company« in den Ruin trieb. Dieses misslungene Experiment kostete ihn 34.000 Pfund.
Zwischen 1838 und 1883 nahm Bessemer 117 Patente, für die er über 10.000 Pfund Gebühren bezahlte. Die meisten betrafen die Erzeugung von Glas bzw. von Eisen und Stahl sowie die Herstellung von Zucker. Nach seinem Misserfolg mit dem Kanalschiff zog er sich aus dem aktiven Geschäft zurück und verbrachte seinen Lebensabend in der prächtigen Villa Denmark Hill. Dort befasste er sich vorrangig mit der Konstruktion eines Observatoriums und Teleskops, tüftelte an einem solarbetriebenen Schmelzofen, richtete für einen Enkel eine technisch innovative Diamantenschleiferei ein und verfasste seine Autobiografie. Bessemer war Mitgründer eines »Iron and Steel Institute« und stiftete eine Goldmedaille für Erfindungen auf dem Gebiet der Eisen- und Stahlerzeugung. 1879 wurde er für seine Verdienste zum Ritter geschlagen. Der Tod seiner Frau 1897 nach über sechzig Jahren Ehe versetzte ihm einen Schlag, von dem er sich nicht mehr erholte.
Johann Friedrich Böttger (1682-1719)
Böttger stammte aus der Grafschaft Schleiz im Vogtland. Die Reichsgrafen von Reuß-Schleiz ließen ihre Münzen von fremden Fachleuten erzeugen, u.a. von Johann Adam Böttger aus Magdeburg, dem Sohn eines Goldschmieds. Dieser hatte mit seiner Frau Ursula Pflug drei Söhne und eine Tochter, Johann Friedrich war das dritte Kind. Im Jahr seiner Geburt zog die Familie wieder nach Magdeburg, bald darauf starb Böttgers Vater. 1685 heiratete Ursula Pflug Jost Friedrich Tiemann, einen Aufsichtsbeamten für Vermessungen und Festungsbau, der zwei weitere Kinder in die Ehe brachte. Von seinem Stiefvater erhielt Böttger Unterricht in Geometrie, Festungsbaukunst und Feuerwerkerei, außerdem lernte er früh schreiben und lesen und besuchte wahrscheinlich eine Lateinschule.
Im Alter von 14 Jahren trat Böttger eine Lehre beim renommierten Berliner Apotheker Friedrich Zorn an. Dort interessierte er sich aber weniger für die Pharmazie, vielmehr studierte er die Werke berühmter Alchemisten und befasste sich mit Goldmacherei und der Suche nach dem »Stein der Weisen«. Deshalb geriet er in Streit mit seinem Lehrherrn und riss zweimal aus, um dann wieder zurückzukehren. Er nahm Kontakt mit Johann Kunckel von Löwenstjern auf, einem bedeutenden Naturforscher, der sich erfolglos als Goldmacher versucht und danach die Leitung einer