Erfindern wird gerne ein ungewöhnlicher Charakter zugeschrieben. Und in der Tat finden sich in der vorliegenden Auswahl Personen mit exzentrischen Zügen (Babbage, Tesla), Sonderlinge bzw. in sich gekehrte Einzelgänger (Auer, Drais, Marconi), von ihren Gedanken regelrecht Besessene (Goodyear, Tesla), Sozialromantiker (Diesel), missionarische Vertreter selbst geschaffener Weltanschauungen (Hörbiger) und Schwermütige (Nobel). Im Fall Diesels führten Depressionen wahrscheinlich zum Suizid. Durch Freitod mittels Pistole endeten übrigens auch beispielweise die hier nicht aufgenommenen Erfinder Nicolas Leblanc und der österreichische Erfinder-Offizier Franz von Uchatius, der sich als Metallurg durch die Entwicklung der Stahlbronze einen Namen machte (Schwenk 1998, Neuhold 2004). Das Edison zugesprochene Bonmot, Genialität bestehe nur zu einem Prozent aus Inspiration, aber zu 99 Prozent aus Transpiration, bezeugten gleich mehrere der Geschilderten, denen besonderer Fleiß zugeschrieben wird. (z.B. Arkwright, Daimler, McCormick, Stephenson, Tesla, Wedgwood).
Die hier vorgestellten Erfindungen betreffen ein weites Spektrum technischen Schaffens. Sie reichen von der einfachen Baumwoll-Entkernungsmaschine (Whitney) über komplexe Geräte wie Uhren (Harrison), Handfeuerwaffen (Colt), Näh- (Madersperger, Singer) und Schreibmaschinen (Mitterhofer) bis zur Erfindung ganzer Systeme etwa in der Elektrotechnik (Edison, Tesla). Es geht um die neuartige Verwendung traditioneller Rohstoffe, z.B. von Holz für die Erzeugung von Papier und Möbeln (Keller, Thonet) oder von Porzellan und Steingut (Böttger, Wedgwood), die Erzeugung wichtiger Werkstoffe in großen Mengen (Bessemer), ferner um die Anfänge der technischen Verwendung von Elektrizität zu Zwecken der Kommunikation (Morse) und zur Metallbeschichtung (Elkington), um deren Einsatz zum Antrieb von Motoren (Siemens) und zur Übertragung von Energie über weite Strecken (Tesla). Es finden sich Kraftmaschinen (Fourneyron, Kaplan, Watt), Maschinen zur Herstellung textiler Fäden (Arkwright) und Flächen (Jacquard), zum Zusammenfügen von Textilien (Madersperger, Singer) sowie für die Kälte- und Wärmetechnik (Hörbiger, Linde), Beiträge zur Fahrzeugtechnik zu Wasser (Ressel), zu Lande (Benz, Daimler, Drais, Porsche, Stephenson) und in der Luft (Brüder Wright) und nicht zuletzt die technische Anwendung chemischer Prozesse zu recht unterschiedlichen Zwecken (Baekeland, Daguerre, Goodyear, Nobel, Talbot).
Mehrere Erfinder leisteten auch wesentliche Beiträge zur Organisation der Arbeit. Wedgwood führte unter seinen Beschäftigten eine neue Arbeitsteilung ein, Evans vollzog einen sehr frühen Übergang zur kontinuierlichen Produktion, Whitney tritt als Vordenker der Fertigung austauschbarer Teile auf; diese stellt ein wichtiges Element des später so genannten »American system of mass production« dar. Ihm folgten Colt und McCormick mit der Etablierung von Spezialmaschinen zur Erzeugung genormter Elemente.
Der Übergang von der Handarbeit zur Maschine durch das Neudenken traditioneller Techniken findet sich bei Arkwright und Madersperger bzw. ihren Vorläufern. Whitney gewann angeblich eine Eingebung für seine Baumwoll-Entkernungsmaschine dadurch, dass er einem Arbeiter bei seinen Verrichtungen zusah, möglicherweise auch durch eine Katze, in deren Krallen Vogelfedern hängen blieben. Colt ließ sich eventuell durch ein Schiffs-Schaufelrad oder eine Ankerwinde zu seiner Idee eines drehenden Zylinders inspirieren. Evans erhielt Anregungen zur Beschäftigung mit der Dampfkraft, nachdem er beobachtet hatte, mit welcher Wucht diese einen Pfropfen aus einem erhitzten Gewehrlauf trieb. Eine Eimerkette zum Transport von Wasser könnte ihm als Vorbild für zirkulierende Mehlbehälter gedient haben. Hörbiger schloss möglicherweise vom Orgelventil seines Großvaters auf neue Anwendungen für die Ventiltechnik. Keller kam bei der Betrachtung eines Wespennestes auf die Idee zur Verwendung von Holzfasern als Grundstoff für Papier; solche Anregungen aus der Natur für die Technik werden heute von der Disziplin der Bionik untersucht. Nicht zu vergessen ist die mögliche Bedeutung von Zufällen: eine in einem Schrank gelagerte Quecksilberprobe bei Daguerre, eine auf dem Ofen verkohlende Probe bei Goodyear. Viele dieser Fälle sind aber lediglich als Anekdoten verbürgt, vielleicht handelte es sich überwiegend um ein beliebtes dramatisierendes Element des Erzählens über Erfindungen.
Der rechtliche Schutz von Gedankengut spielt in drei Vierteln dieser Lebensläufe eine Rolle, besonders bei Bessemer, Edison, Singer, Tesla und Watt. Erste Patentbestimmungen waren in der Republik Venedig bereits im späten 15. Jahrhundert erlassen worden, England folgte 1624 mit dem ersten Patentgesetz, seit dem späten 18. Jahrhundert entstanden auch in anderen Ländern moderne Patentgesetze (Kurz 2000). In diesem Zusammenhang sind in vielen Fällen moralisch-ethische Aspekte von Bedeutung, z.B. wenn es um die Priorität einer Erfindung oder um geistigen Diebstahl geht (z.B. bei Arkwright, Auer, Goodyear, Keller, Morse, Ressel, Singer, Talbot, Whitney). Nicht nur mit Patentgesetzen, auch mit anderen Maßnahmen spielte der Staat mitunter eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Erfindern, wie sich hier insbesondere bei französischen Vertretern zeigt (Daguerre, Jacquard).
Viele der hier vorgestellten Erfinder schufen technische Artefakte, beispielsweise in Form von Prototypen, die einen Einblick in den Prozess des Erfindens vermitteln können, oder von technischen Zeichnungen (Leonardo, Ressel). Einige haben größere Briefsammlungen hinterlassen (z.B. Keller, Linde, Nobel, Siemens, Talbot). Manche verfassten autobiografische Texte (Babbage, Bessemer, Keller, Linde, Siemens, Tesla), bisweilen waren dabei aber offenbar Textredakteure im Spiel, welche deren Authentizität wohl verfälschten (Benz, Hahn). Hahn führte Tagebücher, von ihm sind außerdem Werkstattberichte erhalten und ediert. Mitterhofer schilderte seine Erfahrungen in origineller Gedichtform. Mit Rudolf Diesels Leben und Werk setzte sich sein Sohn Eugen auseinander.
In der kollektiven Erinnerung sind die Erfinder recht unterschiedlich präsent. Manche sind durch eine einzige Erfindung bekannt bzw. werden damit in Verbindung gebracht (Arkwright, Colt, Gutenberg, Hörbiger, Jacquard, Kaplan, Madersperger, Mitterhofer, Morse, Singer, Talbot, Thonet und die Wrights). Andere, die ebenfalls nur mit einer oder zwei technischen Neuerungen assoziiert werden, befassten sich bei genauerer Betrachtung mit einer größeren Zahl von Erfindungen (z.B. Bessemer, Drais, Keller, Ressel, Tesla und Watt). Edison, Leonardo und Tesla gelten als Multi-Erfinder. Colt, Singer und Wedgwood wurden aufgrund geschickter Verkaufsstrategien bereits zu ihren Lebzeiten nachgerade zu Markennamen, Morse steht fast sprichwörtlich für eine bestimmte Art der Nachrichtenübermittlung.
Eine Reihe von Erfindern hat eine recht wechselvolle Rezeption erfahren, auf die hier lediglich hingewiesen werden kann (z.B. Babbage, Böttger, Daguerre, Drais, Gutenberg, Hahn, Hörbiger, Leonardo, Madersperger, Mitterhofer, Porsche, Ressel, Talbot, Tesla, die Brüder Wright). Bis heute ist das Bild mancher Erfinder und die Frage, ob ihnen eine bestimmte Innovation wirklich zuzuschreiben ist, heftig umstritten, dies zeigen etwa neuere Studien über Siegfried Marcus und seinen Stellenwert in der Automobilgeschichte (Hardenberg 2000) sowie über Heinrich Göbel, den angeblichen Erfinder der Glühbirne (Rohde 2007). In jedem Fall steht zu erwarten, dass heute wohlbekannte Namen in den Hintergrund treten werden, während andere noch auf ihre Entdeckung oder zumindest auf eine Neuinterpretation ihrer Leistungen warten.
Richard Arkwright (1732-1792)
Über Arkwrights frühen Lebenslauf ist nicht viel bekannt. Er stammte aus Preston im nordenglischen Lancashire und war das jüngste von sieben Kindern eines Schneiders. Arkwright lernte den Beruf eines Perückenmachers und Barbiers und betrieb nebenbei eine Gaststätte. Er reiste viel umher, um Frauenhaar anzukaufen, und erfuhr dabei von den gewerblichen Nöten seiner Heimatregion, in der viel Baumwolle und Flachs verarbeitet wurde. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts machten sich in England vermehrt Engpässe in der vorindustriellen Textilerzeugung bemerkbar: Ein Weber benötigte nämlich die Garne von vier bis zwölf Spinnerinnen, um seinem Gewerbe nachgehen zu können. Dieses Ungleichgewicht nahm noch zu, als um 1733 ein Schafwollweber aus Lancashire den Schnellschützen erfand, der die Produktion der Weber weiter erhöhte. Mit dessen Hilfe wurde das Schiffchen, das den Schussfaden