In den östlichen Religionen und im New Age wird die Reinkarnation als wiederholte Wiedergeburt der Seele in der „materiellen“ Welt aufgefasst. In der physischen Hülle leidet und lernt die Seele, bis sie einen Zustand der „Vollkommenheit“ erreicht und den Kreislauf von Geburt und Tod hinter sich lassen kann. Ich möchte ausdrücklich für eine andere Sichtweise plädieren. Ein Aufmerksamkeitsbrennpunkt (Geist / Gewahrsein) bleibt so lange in den niederen Äonen gefangen, bis er sich wieder vollständig mit der spirituellen Quelle identifiziert und in einen Gewahrseinszustand eintritt, der die Frequenzmauern der Welt des Demiurgen / Jaldabaoths zu überwinden vermag. Dann erst kann er in die erhabenen Äonen zurückkehren – zum Unendlichen Gewahrsein, das seiner selbst gewahr ist. Die endlose Wiederholung von Erfahrungen, die auf der stets gleichen, simplen Wahrnehmungsprogrammierung beruhen, wird niemanden in die Freiheit führen. Im Gegenteil – die Illusionen und Täuschungen, die die Wahrnehmung (und damit das Frequenzniveau) der Menschheit in Knechtschaft halten, werden dadurch möglicherweise erst recht verfestigt und weiter gestärkt.
Als ich mich während meiner Ayahuasca-Erfahrung, die ich 2003 in Brasilien machte, in einem veränderten Bewusstseinszustand befand, sah ich Menschen aus dem Himmel fallen und auf einem Weg landen, der durch ein Feld führte. Der Weg füllte sich immer mehr, und je mehr Menschen auf ihm liefen, desto ausgetretener wurde er. Immer tiefer grub sich der Weg in den Boden, bis für die Menschen alles dunkel wurde. Bald war ein Graben entstanden, der der Rille einer alten Schallplatte glich. Die Menschen folgten ihm einfach, gleich, wohin er führte. Die Stimme erklärte, dass die Menschen deshalb in jeder Inkarnation erneut so leicht auf die Programmierung hereinfielen, weil sie noch die Programmierungen früherer Leben in sich trügen. Das gelte nicht zuletzt auch für die Ergebenheit gegenüber einer (vermeintlichen) Obrigkeit. Zwar erinnern wir uns für gewöhnlich nicht an unsere früheren Aufenthalte im „Physischen“, doch wirken unsere damaligen Erfahrungen noch immer nach. Vielleicht haben wir eine „unerklärliche“ und „irrationale“ Angst vor Wasser, weil wir in einem früheren Leben eine schlimme Erfahrung damit gemacht haben. Oder wir fürchten das Fliegen, enge Räume, weite Plätze usw. – je nachdem, welche unangenehme Situation wir einst durchleben mussten.
Wer die Vorstellung der Reinkarnation ablehnt, sollte sich mit entsprechenden Büchern oder Fernsehserien wie „The Ghost Inside My Child“ auseinandersetzen, in der sich Kinder detailliert an ihre Erfahrungen in früheren Leben erinnern. Dazu zählen nachprüfbare Ereignisse, von denen die Kinder unmöglich gewusst haben können. In jeder Inkarnation werden Informationen und Programmierungen angehäuft, die im Seelenfeld gespeichert bleiben und dazu führen können, dass sowohl Verhaltensmuster als auch „physische“ Merkmale früherer Leben erneut auftreten. Wie soll uns diese Konstellation jemals aus dem Kreislauf der Wiedergeburt herausführen? Das tut sie nicht. Zwar stimmt es, dass wir aus Erfahrungen lernen und sie dazu benutzen können, aus dem übermächtigen Schlaf aufzuwachen; durch wiederholte schlechte Erfahrungen wird die menschliche Wahrnehmung jedoch immer tiefer in die Bereiche niedriger Schwingungen und einprogrammierter Illusionen gedrückt. Die Vorstellung, dass wir leiden müssten, um „Erlösung“ zu finden, ist wirklich verrückt. Sie würde bedeuten, dass Leid notwendig und sogar normal ist – Gottes Wille, sozusagen. Es ist aber nicht normal, sondern vielmehr das Werk einer hochgradig negativen Macht.
In einem gnostischen Text mit dem Titel „Pistis Sophia“ werden die Außengrenzen der vom Demiurgen / Jaldabaoth geschaffenen Realität durch einen Drachen symbolisiert, der seinen eigenen Schwanz verschlingt: „Die äußere Finsternis ist ein großer Drache, dessen Schwanz sich in seinem Munde befindet, außerhalb der ganzen Welt die ganze Welt umgebend.“ Die Beschreibung dieses Symbols, das unter den Bezeichnungen Ouroboros oder Leviathan bekannt ist, klingt sehr nach dem Grenzbereich, der sich den Gnostikern zufolge zwischen den erhabenen und den niederen Äonen befinden soll (Abb. 82 und 83).
Abb. 82: Der Ouroboros: Die Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlingt.
Abb. 83: Neil Hagues Darstellung des gnostischen Leviathans – der Ouroboros, den die „Seelen passieren müssen, um ins Paradies zu gelangen“.
Der äußerste Planet bzw. Archont (der niederen Äonen), so sagen sie, sei der Saturn. Jenseits davon befinde sich Leviathan, den jede Seele überwinden müsse, um ins Paradies zu gelangen (die zu dem Zeitpunkt allerdings keine „Seele“ mehr ist, sondern reiner Geist). Auch das uralte esoterische Konzept des Ringes Überschreite-mich-nicht steht damit in Zusammenhang, das so beschrieben wird:
Ein tiefgründig mystischer und bedeutungsvoller Ausdruck. Er bezeichnet jenen Kreis, jene Schranken oder Grenzen, innerhalb welcher sich das Bewusstsein derer befindet, die noch unter dem Einfluss der Täuschung des Getrenntseins stehen, gleich, ob der Ring groß oder klein ist.
Er bedeutet nicht irgendeine besondere Gegebenheit oder einen besonderen Zustand; vielmehr lässt er sich als allgemeiner Ausdruck auf jeden Zustand anwenden, in dem sich ein Wesen, das in seinem evolutionären Wachstum der Entfaltung des Bewusstseins eine bestimmte Stufe erreicht hat, nicht in der Lage sieht, in einen noch höheren Zustand überzugehen, weil sein Bewusstsein unter mentaler oder spiritueller Täuschung steht.
„Täuschung“ = eine Frequenz, die zu niedrig ist, um die Mauern des „Rings“ bzw. „Drachen“ zu durchdringen und den niederen Äonen zu entkommen. Laut den Schriften von Nag Hammadi haben die erhabenen Äonen am Übergang zu den niederen Ebenen die sogenannte „Grenze“ errichtet, um „Sophia“ von ihrer Schöpfung bzw. „ungeborenen Idee“ – Jaldabaoth – zu separieren: „… die Begierde aber samt der Erregung [wurde] hinausgewiesen, abgegrenzt und vertrieben.“ Diese Abtrennung vom Quell der Schöpferkraft erklärt vermutlich, warum die Gnostiker sagten, der Demiurg / Jaldabaoth und die ihm unterstellten Archonten würden nicht über die Fähigkeit verfügen, etwas Originäres zu erschaffen, und könnten lediglich bereits existente Dinge manipulieren und verfälschen. In einem Text heißt es: „Durch diesen Horos [diese Grenze] ist nach ihrer Lehre die Sophia gereinigt und befestigt […] worden. Nachdem sie so befreit war […], ist sie in dem Pleroma verblieben.“ Anderen Legenden zufolge ist Sophia noch immer mit Jaldabaoth, ihrer Schöpfung, verbunden. In einem unbenannten Text innerhalb des Codex Brucianus wird die Grenze zwischen erhabenen und niederen Äonen wie folgt beschrieben:
Und damals hat das Existierende sich von dem Nichtexistierenden getrennt, und das Nichtexistierende ist das Böse, das sich in der Materie manifestiert hat. Und die Kleiderkraft [umhüllende Kraft] trennte das Existierende von dem Nichtexistierenden und nannte das Existierende „ewig“ und das Nichtexistierende „Materie“, und sie trennte in der Mitte das Existierende von dem Nichtexistierenden und legte zwischen sie Vorhänge.