Vom Lügen und vom Träumen. Birgit Müller-Wieland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Birgit Müller-Wieland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783701362837
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das nicht leer ist.

      Seit Hannes in jener Nacht, in der sie „Klemmi“ zu ihm gesagt und gelacht hatte, aus dem Bett aufgesprungen war und in gepresstem Ton verkündet hatte, dass er ihr etwas sagen müsse, und sie nichts gesagt und zugehört und schließlich zu schreien begonnen und ihm Stunden später fassungslos zugesehen hatte, wie er seinen Koffer genommen und mit einem ihr unbekannten stockgeraden Rücken die Tür hinter sich geschlossen hatte, seit damals liegt die Mutter neben ihr.

      Sie sehen einander an, aus dunklen Augen, beide seitlich hingestreckt, mit den Köpfen auf den Armen. Salome spürt unter ihrem Körper den Asphalt, den rauen Boden, sieht einen Zigarettenstummel zwischen ihnen, hat den durchdringend scharfen Geruch von Urin und Blut in der Nase, wie durch Watte dringen Schreie an ihr Ohr, Schüsse.

      „Schätzchen“, sagt die Mutter, und Salome möchte ihr deuten, dass sie nicht so laut und frech sein solle, aber sie kann weder sprechen noch sich bewegen, „Schätzchen, wir haben keine Wahl, töte ihn“.

      Und Salome weiß, dass die Mutter gleich sterben wird, sie könnte sie retten, sie ist Ärztin, sie könnte es, aber sie klebt am Asphalt und hat keine Sprache mehr. Und im Traum weiß Salome nicht, wen sie töten soll, wem dieser letzte Wunsch ihrer Mutter gilt, sie möchte schreien, natürlich kommt kein Laut aus ihr, aber sie braucht diese Information doch, wie soll sie diesen Auftrag ausführen, wenn sie den Namen nicht weiß – wen nur, um Himmels willen, soll sie töten??

      Jon dreht sich seufzend auf die andere Seite, ist nun still, sie hält den Atem an, sieht im Zwielicht seinen Hals, die bleiche Schulter, den Rücken, der nun freiliegt, jetzt kann sie –, sie schafft es, sich aus ihrer starren Position zu lösen, vorsichtig, ganz vorsichtig gleitet sie aus dem Bett heraus, balanciert auf dem Parkett um die knarzenden Stellen herum, schleicht aus dem Raum.

      In der Küche drückt sie den Lichtschalter.

      Ihr Blick wandert über das schmutzige Geschirr im Abwaschbecken, die hellblaue Tasse darunter, das Foto mit den Jungs, die bunten Magnete auf dem summenden Kühlschrank. Auf der Anrichte liegt die silbrige Alufolie mit dem eingedrückten Blister und den verbliebenen Tabletten.

      Sie geht zur alten Kredenz, dem Erbstück, das in einem Dachboden versteckt überlebt hat, öffnet den Unterschrank und betrachtet die Menora, die in ihrer Verbannung glänzt.

      An die Schachtel neben der Menora hat sie lange nicht mehr gedacht. Sie hebt den Deckel auf, da sind sie, in Seidenpapier eingewickelt ruhen die schwarzen Schuhe. Salome befreit sie von der knisternden Hülle, schließt die Tür, richtet sich auf. Wischt die nackten Fußsohlen an den Waden ab und steigt in die genagelten Riemchen-Schuhe mit dem geschwungenen Absatz. Sofort fühlt sie ihre veränderte Körperspannung, das gereckte Kinn, Brust raus!, die ersten Schritte klacken auf dem Parkett, sie kichert. Wie gut sich ihre Hände die Drehungen gemerkt haben, die Arme die graziöse Luftzerteilung! Wie lange hat sie nicht mehr getanzt –

      Und überhaupt: All die gutgemeinten Ratschläge von anderen – „Nimm dir doch eine kleinere Wohnung. Fang ganz von vorne an. Du wirst doch dauernd an ihn erinnert!“ – Sie zieht die Schuhe von den Füßen, drückt sie an sich. Mit dem feinen Ledergeruch aber atmet sie den Schmerz, der sie versengt, wieder ein, natürlich, wie sollte es auch anders sein, Hannes hatte so eine Jacke, ihre Arme fallen herab, ihre Brust hebt und senkt sich, die Schuhe drücken kalt durch den leichten Nachthemdstoff an ihre Schenkel, alles ist vergiftet rundherum, die Luft, die Gegenstände, allesallesalles – nein, Schluss jetzt, beruhige dich, los, geh schlafen.

      Reiß dich zusammen.

      An der Tür gähnt Salome, Tränen laufen über ihre Wangen, sie löscht das Licht.

      Strafft in der Dunkelheit, der Stille erneut ihren Rücken.

      Morgen.

      Morgen wird sie sich hinsetzen und überlegen. Eine Strategie überlegen.

      Diese Wohnung wird nicht aufgegeben.

      Auf keinen Fall.

      Nichts rührt sich, auch von der Straße dringt kein Laut herein.

      Sie tappt blind über den Flur, öffnet die Schlafzimmertür und schleicht zum Bett. Stellt die Schuhe neben sich auf den Boden.

      Salome ist nun so müde, dass sie es gerade schafft, unter die noch warme Decke zu kriechen und sie hochzuziehen.

      Und in den wenigen Sekunden des Wegsinkens in den Schlaf hört sie nicht mehr, ob von der anderen Seite Gute Nacht, Schätzchen geflüstert oder ob es still bleiben wird.

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