Aus der Ferne drang ein fremdes Geräusch an sein Ohr. Er peilte zurück. Drüben, bei der Heroinfabrik, hob der Hubschrauber ab, stieg mit schwirrenden Rotoren in den jetzt klaren Himmel und drehte nach Südosten ab. Das Motorengeräusch wurde rasch schwächer.
Travers sah dem sich nähernden Ding entgegen. Das Mondlicht blitzte einmal in einer Scheibe und verriet, dass sich dort ein Fahrzeug näherte, nein, sich anschlich. Erst als Travers seine Ohren anstrengte und sich ganz auf die herankommende Gefahr einstellte, konnte er das schwache Schnurren eines Benzinmotors vernehmen. Er presste die Hand auf das Feuerzeug in seiner Tasche. Das Ding war ein Sender, über den der Russe Hilfe herbeigeholt hatte. Travers lächelte böse. Der Agent lag immer noch bewegungslos unter ihm in der Mulde. Er würde besser eine Ambulanz rufen, dachte Travers.
Travers hob wieder die Waffe und presste sein Auge gegen die Okularmuschel. Er konnte jetzt Einzelheiten erkennen. Ein Jeep kurvte durch die morastige Landschaft. Der Fahrer war jetzt dahintergekommen, dass das Mondlicht sich in der Windschutzscheibe spiegeln konnte, und er hatte sie heruntergeklappt. Travers erkannte das Gesicht des Fahrers. Er war ein breitschultriger Kerl mit langem blondem Haar und einer Strickmütze auf dem Kopf. Er hatte den Schädel genau im Fadenkreuz, und er brauchte jetzt nur abzudrücken, um dem Kerl das Gehirn mit einer Neunmillimeterkugel aus dem Schädel zu blasen.
Noch hatte der Fahrer die Mulde nicht gefunden, aber er kam immer näher. Travers rutschte den Hang hinab und warf sich neben dem immer noch bewusstlosen Russen in das nasse Moos. Das Dröhnen der Maschine war jetzt deutlich zu hören, aber Travers schien es, als ob der Wagen die Mulde verfehlen würde.
Er sprang wieder auf und lief ein Stück den Hang hinauf. Der Jeep schaukelte in knapp hundert Yard Entfernung vorbei. Travers blieb hoch aufgerichtet stehen, und als der Fahrer den Kopf in seine Richtung wandte, schwenkte er die Arme.
Das Fahrzeug kam zum Stillstand, und der Fahrer sprang heraus. Er rannte auf Travers zu. Travers konnte sehen, dass er ein Gewehr in der Hand hielt und einen Revolvergürtel trug.
Etwa auf halbem Weg zwischen dem Wagen und Travers blieb der Mann stehen. Geduckt, lauernd, starrte er herüber. Travers wartete ruhig ab.
Der Kerl riss das Gewehr an die Schulter. Das große Objektiv eines Zielfernrohrs blinkte Travers an wie das runde feuchte Auge einer Kuh.
Travers schoss aus der Hüfte. Travers sah, wie der Fremde mit dem rechten Bein einknickte, wie er die Arme in die Luft warf und wie das Gewehr davonflog.
Langsam, die Waffe schussbereit unter dem Arm, ging Travers auf das zusammengesunkene Bündel zu. Er hatte den Mann in den Oberschenkel getroffen.
Das Gesicht leuchtete blass. Travers suchte das Gewehr, nahm es auf, und mit einer Hand schleifte er den Bewusstlosen zu der Mulde. Er legte ihn neben Gorjanow. Das Gewehr legte er dazu, nachdem er es entladen und die Patronen weit weggeworfen hatte. Sollte Gorjanow seinen Komplizen versorgen, dachte Travers, ehe er zu dem Jeep ging, sich hinter das Steuer setzte und nach Westen davonfuhr.
Travers stieß irgendwann auf den ausgefahrenen Fahrweg, der das Gehöft, in dem das Heroinlabor untergebracht war, mit der Straße nach Marignane verband. Der Jeep rumpelte heftig, und Travers wurde gehörig durchgeschüttelt. Ohne die Fahrt zu unterbrechen, trank er die Bourbonflasche halb aus und zündete sich dann eine Zigarette an.
Der Wind schmeckte nach Salz und roch nach fauligem Wasser. Travers musste sich anstrengen, um einen klaren Gedanken zu verfolgen. Die ganze Aktion, die so lange und sorgfältige Vorbereitungen erfordert hatte, drohte zu scheitern, wenn die Russen die Sache abbliesen. Travers hoffte, dass Gorjanow den Köder geschluckt hatte und ihn für einen Narcotic-Agenten hielt. Die Burschen vom Federal Bureau of Narcotics arbeiteten in vielen Ländern der Erde. In den meisten mit Billigung der betroffenen Regierungen, in anderen ohne. Die Sache musste den Russen logisch Vorkommen. Sonst war alles umsonst.
In der Ferne erschienen Lichter, huschten über den Horizont und verschwanden wieder. Die Straße, stellte Travers zufrieden fest. Er richtete seine Augen auf die Horizontlinie. Dabei übersah er einen Wasserlauf, der in einer kleinen Rinne dahinfloss.
Mit voller Wucht krachte der Jeep hinein, Travers flog über die Motorhaube und rutschte über den Kühler. Im letzten Moment konnte er sich am Kotflügel festhalten und ein kaltes Schlammbad vermeiden.
Fluchend stieg er über die Motorhaube, sprang auf die vordere Sitzbank und raffte sein Gewehr an sich. Seine linke Schulter hatte etwas mitbekommen, und an den Rippen spürte er jetzt die Schwellungen, die Gorjanows Fußtritte verursacht hatten.
Der Wagen steckte fest, da war nichts mehr zu machen. Travers machte sich zu Fuß auf den Weg. Der Himmel zog wieder zu, es wurde dunkel, und dann begann es zu regnen. Es war einer dieser feinen ausdauernden Nieselregen, die zuerst gar nicht so schlimm erscheinen, einen aber innerhalb weniger Minuten bis auf die Haut durchnässen können.
Travers trank den letzten Bourbon und warf die Flasche dann weg. Er schleppte ohnehin viel zu viel Ausrüstung für einen Fußmarsch mit sich herum. Im Gehen schraubte er den Kolben von der schweren Match-Pistole, zog den Schalldämpfer ab und verstaute alles in seinen Innentaschen. Der Regen rann unablässig über sein Gesicht.
Als er die Landstraße erreichte, graute bereits der Morgen. Travers wandte sich nach links, wo er Marignane vermutete. Er stapfte durch den wassergefüllten Graben, weil er nicht von zufällig vorbeikommenden Autofahrern gesehen werden wollte. Kleinlaster von den umliegenden Bauernhöfen rumpelten vorbei und die ersten Busse mit Arbeitern für die Fischfabriken.
Er hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen und den Kragen hochgeschlagen, obwohl das nichts half. Er war nass bis auf die Haut.
Oben rollte ein Wagen heran, sehr langsam, die Maschine schnurrte leise. Travers blickte auf. Er sah einen schwarzen Citroen, die gelben Kegel der Scheinwerfer schnitten durch den dichten Regenvorhang. Der Himmel war grau.
Es war ein Kombi, und im Zwielicht konnte Travers die Zulassungsnummer ausmachen. Er sprang auf die Straße und hob die Arme.
Der Wagen rollte aus und blieb neben ihm stehen. Die hintere Tür flog auf. Travers warf sich auf die Rückbank und zog die Tür zu.
»Ihr verdammten Bastarde vom CIA schnüffelt auch hinter jedem her, der euch einmal ins Handwerk pfuschen könnte, eh?«, sagte er zu Johnny Parr, der hinter dem Steuer saß.
Neben Parr saß Jo Anne. Sie drehte sich um und lächelte ihn an, während Parr den Wagen wendete.
»Und du falsche Schlange«, fauchte Travers, »machst mit dem Blondschopf gemeinsame Sache ...«
Jo Anne lächelte intensiv. »Wir sind nach Marseille gefahren, als wir hörten, dass Gorjanow abgereist war. Auch nach Marseille.« Travers lehnte sich zurück und schloss die Augen. Jo Annes Stimme erzeugte eine erregende Resonanz direkt in seinem Gehirn, die sich rasch über seinen ganzen Körper ausbreitete. »Da habe ich Johnny alarmiert«, berichtete sie schlicht. Travers grinste flüchtig. Es musste diesem Hundesohn vom CIA ganz schön an die Nieren gehen, nach der Pfeife einer Frau zu tanzen. »Ich habe dann mit unserem Mann in der Botschaft gesprochen und die Adresse von dem Helikopter-Verleih bekommen. Well, Villedary wollte erst nicht mit der Sprache raus, aber dann konnte ich ihn überzeugen.«
Travers öffnete die Augen. »Baby, ich glaube, dass es niemanden auf der Welt gibt, den du nicht überzeugen könntest«, sagte er träge. »Fahrt mich in ein schönes Hotel mit einem großen weichen Bett.« Dann schloss er die Augen und schlief ein.
Er wachte auf, als der Citroen in den Hof eines Motels rollte und vor dem Empfangsgebäude anhielt. Johnny Parr stieg aus.
Travers sagte zu Jo Anne: »Du musst Smith anrufen. Gorjanow überwacht die Heroinlieferung. Er hält mich für einen Narcotic-Agenten, das könnte die Sache retten. Sechs Meilen von der Stelle, an der ihr mich aufgepickt habt, liegt ein Gehöft. Die Narcs sollen der französischen Polizei