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UM HEROIN RISIKOLOS von Europa in die USA zu bekommen, hat die Mafia einen todsicheren Plan ausgeklügelt: Sie bietet den Auftrag gleichzeitig zwei rivalisierenden Nachrichtenhändlern an, die ihrerseits das Rauschgift als Bezahlung für Informationen benutzen. Aber sie alle haben bei diesem gefährlichen Spiel nicht mit Cal Travers, dem Spezialagenten einer geheimen amerikanischen Organisation, gerechnet, dem schnell klar wird, dass er bei dieser Aktion zwei Spionageringe auf einmal zerschlagen kann. Knallhart und überaus clever verfolgt Travers einen Plan, um die Kontrahenten gegeneinander auszuspielen. Als Jo Anne von dem skrupellosen Russen Gorjanow entführt wird, gerät seine Kaltblütigkeit allerdings ins Wanken ...
1
Seit Nelson Tolhoek die Papiere aus dem Tresor der Planungsabteilung für strategische Studien im Pentagon gestohlen hatte, war Travers ihm auf den Fersen.
Tolhoek durchquerte die Abflughalle des Dalles International Airport. Die braune Tasche hielt er ängstlich an seine magere Brust gepresst.
Travers sah auch den schlanken, schwarzhaarigen Burschen, der ihm folgte. Jetzt schob der Mann sich an Tolhoek heran, sagte einige Worte zu ihm und wies auf die Umkleidekabinen. Zu zweit drängten sie sich in eine hinein. Die helle Tür schlug zu. Im Schloss erschien das Besetztzeichen.
Die Kabine nebenan war frei. Travers schlüpfte hinein, legte geräuschlos den Riegel um. Dann warf er sich platt auf den Boden. Unter der Trennwand, die nicht ganz bis auf den Boden reichte, sah er zwei Paar Schuhe. Die braunen Schuhe gehörten Nelson Tolhoek. Der andere trug schwarzglänzende.
Travers hörte das Rascheln der Papiere und das zufriedene Grunzen des Schwarzhaarigen.
»Alles in Ordnung«, versicherte Tolhoek nervös. »Alles einwandfrei ...« Mit einem erstickten Schrei brach er ab. Die Füße in den braunen Schuhen standen plötzlich auf den Spitzen. Dann erscholl ein Scharren an der Trennwand.
Im Spalt erschien der Körper Tolhoeks.
Travers blickte in zwei weit aufgerissene Augen, die ihn blicklos anstarrten.
Die Jacke des kleinen Mannes war zurückgerutscht und gab das gelbe Hemd frei.
Unter dem Herzen erkannte Travers den hauchdünnen Einstich, der nur schwach geblutet hatte.
Der Mörder trat über den toten Mann hinweg. Er öffnete die Tür und mischte sich unter die Namenlosen, die die Flughafenhalle füllten.
In der Hand trug er die braune Tasche.
2
Mit dem Zeigefinger malte Travers feuchte Kreise auf die Platte der Theke. Er lächelte abwesend. Er wirkte vollkommen in seine Tätigkeit versunken.
Ein später Zecher in der Cocktail-Lounge des The Top of the Six's an der Fifth Avenue.
Diese Bar wird wegen ihrer intimen Atmosphäre und der schummerigen Beleuchtung von jüngeren Pärchen bevorzugt.
Und aus den gleichen Gründen von Top-Leuten der Mafia und des internationalen Nachrichtenhandels, wie Travers feststellen musste.
Travers beobachtete die drei Männer im Goldspiegel des Flaschenregals. Sie saßen in der kleinen Nische rechts neben dem wandhohen Fenster. Tief unten blinkten die Lichter Manhattans.
Travers hielt den Kopf ein wenig geneigt, wie um besser lauschen zu können. Die Männer in der Nische konnten sich jedoch sicher fühlen, die Entfernung bis zur Theke war zu groß, und ihre Unterhaltung verlief sehr leise.
Dennoch verstand Travers jedes Wort, das an dem schmalen Tisch gesprochen wurde. In seinem Ohr steckte ein erbsengroßer Empfänger, und in seinem Ärmel war das Richtmikrofon untergebracht, dessen enger Parabelausschnitt genau auf die Sprecher gerichtet war.
An der langen Theke saßen außer Travers eine schlanke Blondine mit ältlichem Begleiter und der schlanke, schwarzhaarige Bursche, der Nelson Tolhoek ermordet hatte. Der Killer schien sich nicht für die Männer in der Nische zu interessieren, doch Travers wusste, dass er zu ihnen gehörte. Er war ihr Leibwächter, ihr Schutz. Zumindest der Gorilla des einen, der den beiden anderen gerade sein Angebot unterbreitete.
Dieser Mann hatte ein breites Gesicht mit fleischigen Lippen, die er hin und wieder zu einem Lächeln auseinanderzog. Dabei ließ er vier blinkende Goldzähne sehen.
Seine Gesprächspartner lächelten nie. Sie hörten zu.
Der mit den Goldzähnen war ein großer Mann der Mafia. Rauschgift. Er hieß Joseph Galetta und hatte Nachschubsorgen. Doch er hatte etwas zu bieten, um sein Lager wieder zu füllen.
»... siebenhundert Pfund Rohheroin«, sagte Galetta. »Das ist mein Preis.«
»Das sind«, rechnete einer seiner Gesprächspartner, ein gebeugter Mensch mit eingefallenen Wangen und gelblicher Gesichtshaut, »acht Millionen Dollar!«
»Sechs«, korrigierte Galetta milde. »Das ist ihr Wert frei New York inklusive aller Risikoaufschläge.« Er blinzelte dem anderen Mann zu, der bisher wenig zu der Unterhaltung beigetragen hatte.
Der andere hatte dünnes braunes Haar und schwarze stechende Augen über einer gebogenen Nase.
»Ich habe gehört«, fuhr Galetta fort, »dass Ihr Land seine Anbauflächen in den letzten beiden Jahren stark vergrößert hat. Nur ist davon bisher — leider, muss ich sagen — noch nichts bei uns angekommen.«
Der Angesprochene war Bulgare, Travers kannte seine Akte. Er hieß Simeon Senovec, besaß aber auch einen, allerdings falschen, amerikanischen Pass. Senovec war, genau wie Jovo Bogadcon, Nachrichtenhändler. Und die beiden waren Konkurrenten, erbitterte Feinde auf einem Markt, auf dem die Marktanteile mit Revolvern verteidigt wurden.
Galetta dagegen brauchte Rauschgift, um seine Organisation zusammenhalten zu können. In den letzten Monaten waren mehrere große Lieferungen, zum Teil sogar schon in Europa, abgefangen worden. New York saß auf dem Trockenen. Und Galetta hatte einen Weg gefunden, anderen das Risiko des Transports und der Einfuhr aufzuhalsen. Gar nicht so schlecht, dachte Travers anerkennend.
Jovo Bogadcon verfügte über Verbindungen nach Albanien. Über Albanien wurde das chinesische Heroin in die westlichen Länder geschleust. Nationalchina ist schon jetzt der größte