Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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da sie zum Irrtum verführt und nochmals getauft wurden oder nach dem Anschluß an die Herde des Herrn wiederum in den alten Irrtum zurückfielen, waren sie da Schafe oder nicht? Gewiß waren sie Katholiken. Wenn Katholiken, waren sie Gläubige, waren sie Schafe. Wenn sie Schafe waren, wie konnten sie die Stimme eines Fremden hören, da doch der Herr sagt: „Die Schafe haben sie nicht gehört“?

       12.

      Ihr habt, Brüder, die große Schwierigkeit der Frage vernommen. Ich sage also: „Der Herr kennt die Seinen“1270. Er kennt die Vorhergewußten, er kennt die Vorherbestimmten; von ihm heißt es ja: „Die er aber vorherwußte, die hat er auch vorherbestimmt, gleichförmig zu werden dem Bilde seines Sohnes, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt, die hat er auch berufen, und die er berufen, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt, die hat er auch verherrlicht. Wenn Gott für uns, wer ist wider uns?“ Nimm dazu: „Der seines eigenen Sohnes nicht schonte, sondern ihn für uns alle dahingab, wie sollte er nicht auch mit ihm uns alles geschenkt haben?“ Aber welche sind mit „uns“ gemeint? Die Vorhergewußten, die Vorherbestimmten, die Gerechtfertigten, die Verherrlichten, von welchen es weiter heißt: „Wer wird Klage erheben gegen die Auserwählten Gottes?“1271. Also „der Herr kennt die Seinen“; dies sind die Schafe. Bisweilen kennen sie sich selbst nicht, aber der Hirt kennt sie, gemäß jener Vorherbestimmung, gemäß jenem Vorherwissen Gottes, gemäß der Erwählung der Schafe vor Grundlegung der Welt; denn auch dies sagt der Apostel: „Wie er uns erwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt“1272. Gemäß jenem Vorherwissen und jener Vorherbestimmung Gottes also ― wie viele Schafe sind draußen, wie viele Wölfe drinnen, und wie viele Schafe sind drinnen und wie viele Wölfe draußen! Was soll es heißen, wenn ich gesagt habe: Wie viele Schafe sind draußen? Wie viele führen jetzt ein ausschweifendes Leben, die einst keusch sein werden; wie viele lästern Christus, die einst an Christus glauben werden; wie viele betrinken sich, die einst nüchtern sein werden; wie viele stehlen jetzt fremdes Eigentum, die einst das ihrige verschenken werden! Jedoch jetzt hören sie eine fremde Stimme, sie folgen Fremden. Desgleichen loben drinnen, die einst lästern werden; sind keusch, die einst unkeusch sein werden; sind nüchtern, die sich später dem Weingenuß ergeben werden; stehen, die einst fallen werden! Das sind keine Schafe. (Von den Vorherbestimmten nämlich reden wir; von jenen reden wir, welche der Herr kennt, die ihm angehören.) Und doch hören diese, solange sie an der Wahrheit festhalten, die Stimme Christi. Siehe, diese hören, jene hören nicht, und doch sind, gemäß der Vorherbestimmung, diese keine Schafe, jene aber Schafe.

       13.

      Noch bleibt eine Frage, von der ich glaube, daß sie sich vorläufig jetzt so lösen läßt. Es gibt eine Stimme, es gibt, sag’ ich, eine Stimme des Hirten, in welcher die Schafe die Fremden nicht hören, in welcher jene, die keine Schafe sind, Christus nicht hören. Welches ist diese Stimme? „Wer ausharrt bis ans Ende, der wird selig werden“1273. Diese Stimme läßt der Eigene nicht unbeachtet, hört nicht der Fremde; denn auch jener predigt ihm das, daß er bei ihm ausharre bis zum Ende, aber weil er bei ihm nicht ausharrt bis zum Ende, hört er diese Stimme nicht. Er kam zu Christus, hörte verschiedene Worte, diese und jene Worte, lauter wahre, lauter verständige Worte, und unter all diesen Worten ist auch jene Stimme: „Wer ausharrt bis zum Ende, der wird selig werden“. Wer diese hört, ist ein Schaf. Allein es hört sie irgendeiner und blieb unverständig und kalt, er hörte eine fremde Stimme. Wenn er vorherbestimmt ist, irrte er nur eine Zeitlang, er ging nicht auf ewig verloren; er kehrt zurück, um zu hören, was er unbeachtet ließ, um zu tun, was er gehört hat. Denn wenn er zu denjenigen gehört, welche vorherbestimmt sind, so wußte Gott sowohl seinen Irrtum wie seine künftige Bekehrung vorher; wenn er abgeirrt ist, kehrt er zurück, um jene Stimme des Hirten zu hören und dem zu folgen, der da sagt: „Wer ausharrt bis zum Ende, der wird selig werden“. Eine gute Stimme, Brüder, eine wahre, eine Hirtenstimme, das ist die Stimme des Heiles in den Zelten der Gerechten1274. Denn leicht ist es, Christus zu hören, leicht ist es, das Evangelium zu loben, leicht, dem Prediger Beifall zu spenden; ausharren bis ans Ende, das ist Sache der Schafe, welche die Stimme des Hirten hören. Es kommt eine Versuchung, halte aus bis zum Ende [denn die Versuchung hält nicht aus bis zum Ende]1275. Bis zu welchem Ende sollst du ausharren? Bis du den Weg vollendest. Solange du nämlich Christus nicht hörst, ist dein Gegner auf diesem Wege, d. h. in diesem sterblichen Leben. Aber was sagt er? „Vergleich dich mit deinem Gegner bald, da du mit ihm noch auf dem Wege bist“1276. Du hast gehört, geglaubt, dich verglichen. Wenn du widerstrebtest, vergleiche dich. Wenn dir Gelegenheit gegeben wurde, dich zu vergleichen, so streite nicht länger. Denn du weißt nicht, wann der Weg zu Ende geht, aber er weiß es. Wenn du ein Schaf bist und ausharrst bis zum Ende, wirst du selig werden; und darum lassen die Seinigen diese Stimme nicht unbeachtet, die Fremden hören sie nicht. ― Wie ich konnte, wie er es gab, habe ich euch diese schwierige Frage erklärt oder doch mit euch besprochen. Wenn es einige weniger verstanden haben, so bleibe die ehrfürchtige Gesinnung, und die Wahrheit wird sich enthüllen; die es aber verstanden haben, mögen sich nicht erheben als die Schnelleren über die Langsameren, damit sie nicht durch Überhebung vom Wege abkommen und so die Langsameren leichter zum Ziele gelangen. Alle aber führe der hinaus, zu dem wir sagen: „Geleite mich, o Herr, auf Deinem Wege, und ich werde in Deiner Wahrheit handeln“1277.

       14.

      Durch das also, was der Herr ausgelegt hat ― er ist ja die Türe ―, lasset uns eingehen zu dem, was er vorgelegt, aber nicht ausgelegt hat. Wenigstens wer der Hirte ist, hat er zwar nicht in dem Lesestück, das heute verlesen wurde, gesagt, aber er sagt es ganz deutlich im folgenden: „Ich bin der gute Hirt“. Und auch wenn er es nicht sagen würde, wen anders als ihn müßten wir verstehen in den Worten: „Wer durch die Türe eintritt, ist der Hirt der Schafe. Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören seine Stimme, und die eigenen Schafe ruft er mit Namen und führt sie heraus. Und wenn er die eigenen Schafe herausgelassen hat, geht er vor ihnen her; und die Schafe folgen ihm nach, weil sie seine Stimme kennen“. Wer sonst ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie von hier zum ewigen Leben, als der, welcher die Namen der Vorherbestimmten kennt? Darum sagt er zu seinen Jüngern: „Freuet euch, weil eure Namen geschrieben sind im Himmel“1278; deshalb nämlich ruft er sie mit Namen. Und wer sonst läßt sie heraus, als der, welcher ihre Sünden erläßt, damit sie, befreit von harten Banden, ihm nachfolgen können? Und wer ging ihnen dorthin voraus, wohin sie ihm nachfolgen sollen, als der, welcher, auferstanden von den Toten, nicht mehr stirbt und über den der Tod weiter keine Gewalt mehr hat1279, und welcher, da er hier sichtbar im Fleische weilte, sprach: „Vater, ich will, daß auch die, die Du mir gegeben hast, mit mir seien, wo ich bin“1280. Darum sagt er: „Ich bin die Türe; wer durch mich eingeht, wird selig werden, und er wird eingehen und ausgehen, und wird Weide finden“. Damit zeigt er ganz deutlich, daß nicht bloß der Hirt, sondern auch die Schafe durch die Türe eingehen.

       15.

      Aber was heißt das: „Er wird eingehen und ausgehen und Weide finden“? Eingehen nämlich in die Kirche durch Christus, die Türe, ist sehr gut, aber herausgehen aus der Kirche, wie derselbe Johannes, der Evangelist, in seinem Briefe sagt: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht aus uns“1281, ist gewiß nicht gut. Ein solcher Ausgang also könnte vom guten Hirten nicht gelobt werden, daß er sagte: „Er wird eingehen und ausgehen und Weide finden“. Es gibt demnach nicht bloß einen guten Eingang, sondern auch einen guten Ausgang durch die gute Türe, welche Christus ist. Aber welcher ist dieser lobenswerte und selige Ausgang? Ich könnte zwar sagen, wir gehen ein, wenn wir innerlich etwas denken, gehen aber aus, wenn wir äußerlich etwas vollbringen, und weil, wie der Apostel sagt, durch den Glauben Christus in unseren Herzen wohnt1282, so heiße durch Christus eingehen soviel als gemäß dem Glauben denken, durch Christus ausgehen aber gemäß dem Glauben auch draußen d. h. vor den Menschen wirken. Weshalb es im Psalme heißt: „Der Mensch geht aus an sein Werk“1283, und der Herr selbst sagt: „Es sollen eure guten Werke leuchten vor den Menschen“1284. Allein mehr sagt mir zu, was die Wahrheit selbst als der gute Hirt und darum als der gute Lehrer uns