Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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der ist ein Dieb und Räuber.“ Sie sagten nämlich, daß sie nicht blind seien; sehen aber könnten sie dann, wenn sie Schafe Christi wären. Woher nahmen sie für sich das Licht, die gegen den Tag wüteten? Wegen ihrer eitlen, stolzen und unheilbaren Anmaßung also reihte der Herr dieses an, wodurch er uns, wenn wir es verstehen, auf heilsame Weise eine Mahnung gegeben hat. Es gibt ja viele, die im Sinne einer gewissen Führung des gegenwärtigen Lebens gute Menschen, gute Männer, gute Frauen, unsträflich genannt werden und das, was im Gesetze vorgeschrieben ist, so gut wie beobachten: sie erweisen ihren Eltern Ehre, lassen sich keinen Ehebruch zu Schulden kommen, begehen keinen Totschlag, stehlen nicht, geben kein falsches Zeugnis gegen jemand und erfüllen die übrigen Vorschriften des Gesetzes in ihrer Weise, aber sie sind keine Christen und brüsten sich gemeiniglich wie jene: „Sind etwa auch wir blind?“ Weil sie aber dies alles, was sie tun, ohne zu wissen, auf welches Ziel sie es beziehen sollen, vergebens tun, so hat der Herr in der heutigen Lesung von seiner Herde und von der Türe, durch die man in den Schafstall eingeht, ein Gleichnis vorgelegt. Mögen also die Heiden immerhin sagen: Wir leben gut. Wenn sie nicht durch die Türe eingehen, was nützt ihnen das, dessen sie sich rühmen? Denn dazu soll einem ein gutes Leben nützen, daß ihm das ewige Leben gegeben wird; denn wenn nicht das ewige Leben verliehen wird, was nützt dem ein gutes Leben? Kann man ja nicht einmal von einem guten Leben bei denjenigen reden, die das Ziel eines guten Lebens entweder aus Blindheit nicht kennen oder aus Dünkel verachten. Es gibt aber für niemand eine wahre und sichere Hoffnung auf das ewige Leben, wenn er nicht das Leben, welches Christus ist, erkennt und durch die Türe in den Schafstall eingeht.

       3.

      Es suchen nun gewöhnlich solche Menschen auch andere zu bereden, daß sie gut leben und keine Christen sein sollen. Sie wollen von einer anderen Seite einsteigen, rauben und töten, nicht wie der Hirt bewahren und retten. Es gab also gewisse Philosophen, die über die Tugenden und Laster sorgfältige Untersuchungen in großer Fülle anstellten, einteilten, definierten, die scharfsinnigsten Schlüsse zogen, Bücher schrieben, ihre Weisheit mit rauschenden Backen anpriesen, die auch den Menschen zu sagen sich erkühnten: Folget uns nach, haltet euch zu unserer Schule, wenn ihr gut leben wollt. Aber sie waren nicht durch die Türe eingegangen; sie wollten verderben, schlachten und töten.

       4.

      Was soll ich von diesen sagen? Siehe, selbst die Pharisäer lasen und sprachen bei dem Gelesenen von Christus, hofften auf den kommenden Christus und erkannten den Erschienenen nicht; sie rühmten sich ebenfalls als Sehende d. h. als Weise und verleugneten Christus und gingen nicht durch die Türe ein. Also würden auch sie, wenn sie vielleicht einige verführen würden, dieselben verführen, um sie zu schlachten und zu töten, nicht um sie zu befreien. Auch diese wollen wir außer Spiel lassen; sehen wir jene an, die sich sogar des Namens Christi rühmen, ob sie etwa durch die Türe eintreten.

       5.

      Unzählige nämlich gibt es, welche sich als Sehende nicht bloß rühmen, sondern auch als von Christus Erleuchtete angesehen sein wollen; sie sind aber Häretiker. Sind vielleicht sie durch die Türe eingetreten? Durchaus nicht. Sabellius sagt: Der der Sohn ist, der nämliche ist der Vater; allein wenn er der Sohn ist, dann ist er nicht der Vater. Der geht nicht durch die Türe ein, welcher den Sohn für den Vater hält. Arius sagt: Etwas anderes ist der Vater, etwas anderes der Sohn. Richtig würde er sich ausdrücken, wenn er sagte: ein anderer, nicht : etwas anderes. Denn wenn er sagt: etwas anderes, so widerspricht er dem, von welchem er hört: „Ich und der Vater sind eins“1256. Auch er also geht nicht durch die Türe ein; denn er verkündet Christus so, wie er sich ihn vorstellt, nicht wie die Wahrheit ihn lehrt. Den Namen hast du, die Sache hast du nicht. Christus ist der Name für eine Sache; halte die Sache selbst fest, wenn du willst, daß der Name dir nütze. Ein anderer von irgendwoher, wie Photinus, sagt: Christus ist ein Mensch, er ist nicht Gott. Auch er geht nicht durch die Türe ein, weil Christus sowohl Mensch wie Gott ist. Doch wozu ist es nötig, viele solcher Beispiele anzuführen und viele Verkehrtheiten von Häresien aufzuzählen? Dies haltet fest: Der Schafstall Christi ist die katholische Kirche. Wer immer in den Schafstall eintreten will, der gehe durch die Türe ein, der verkündige den wahren Christus. Nicht bloß den wahren Christus verkündige er, sondern die Ehre Christi suche er, nicht die seinige; denn viele haben, indem sie ihre Ehre suchten, die Schafe Christi mehr zerstreut als gesammelt. Niedrig ist nämlich die Türe, Christus der Herr; wer durch diese Türe eintritt,der muß sich erniedrigen, um mit unverletztem Kopfe eintreten zu können. Wer sich aber nicht erniedrigt, erhebt sich; er will über die Mauer einsteigen; wer aber über die Mauer einsteigt, erhebt sich, um zu fallen.

       6.

      Dunkel jedoch spricht noch der Herr Jesus, er wird noch nicht verstanden; er nennt die Türe, er nennt den Schafstall, er nennt die Schafe; er hebt das alles hervor, aber er erklärt es noch nicht. Lesen wir also weiter, denn gleich wird er zu jenen Worten kommen, in welchen er uns etwas von dem Gesagten zu erklären sich würdigte, und aus dessen Erklärung wird er uns vielleicht auch das zu verstehen geben, was er nicht erklärt hat. Er labt nämlich durch das Klare und hält uns in Spannung durch das Dunkle. „Wer nicht durch die Türe in den Schafstall eintritt, sondern anderswoher einsteigt.“ Wehe dem Bedauernswerten, denn er wird zu Fall kommen! Er sei also niedrig, er trete durch die Türe ein; er gehe ebenen Fußes, und er wird nicht anstoßen. „Jener“, sagt er, „ist ein Dieb und Räuber.“ Für* seine* Schafe möchte er die fremden erklären, und zwar deshalb für die seinigen d. h. durch Diebstahl entwendeten, um sie zu töten, nicht um sie zu retten. Er ist also ein Dieb, weil er fremdes Eigentum für das seinige erklärt; ein Räuber, weil er auch das Gestohlene tötet. „Wer aber durch die Türe eintritt, ist der Hirt der Schafe; diesem öffnet der Türhüter.“ Wegen dieses Türhüters wollen wir dann eine Untersuchung anstellen, wenn wir vom Herrn selbst hören werden, was die Türe sei, und wer der Hirt. „Und die Schafe hören seine Stimme, und die eigenen Schafe nennt er mit Namen.“ Denn er hat ihre Namen geschrieben im Buche des Lebens. „Die eigenen Schafe nennt er mit Namen.“ Darum sagt der Apostel: „Der Herr kennt die Seinigen“1257. „Und er führt sie heraus. Und wenn er die eigenen Schafe herausgelassen hat, geht er vor ihnen her; und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen. Einem Fremden aber folgen sie nicht, sondern fliehen vor ihm, denn sie kennen nicht die Stimme des Fremden.“ Dunkel ist dies, voll von Fragen, voll von Geheimnissen. Folgen wir also dem Lehrer und hören wir ihn, wie er von dieser Dunkelheit etwas erschließt und durch das, was er erschließt, uns vielleicht eintreten läßt.

       7.

      „Dieses Gleichnis sprach Jesus zu ihnen; sie aber erkannten nicht, was er ihnen damit sagte.“ Vielleicht erkennen es auch wir nicht. Was für ein Unterschied ist also zwischen jenen und uns, bevor auch wir diese Worte verstehen? Daß* wir* klopfen, damit uns aufgetan werde,* jene* aber durch Verleugnung Christi nicht eintreten wollten, um gerettet zu werden, sondern draußen bleiben, um verloren zu gehen. Daß also* wir* das ehrerbietig hören, daß wir es, bevor wir es verstehen, als wahr und göttlich glauben, dadurch unterscheiden wir uns von ihnen in hohem Grade. Denn wenn zwei die Worte des Evangeliums hören, ein Gottloser und ein Frommer, und die Worte sind so beschaffen1258, daß sie dieselben vielleicht beide nicht verstehen, so sagt der eine: Er hat nichts gesagt, der andere sagt: Er hat wahr gesprochen, und es ist gut, was er gesagt hat, aber wir verstehen es nicht. Der eine klopft bereits, weil er glaubt, und er ist wert, daß ihm aufgetan werde, wenn er zu klopfen fortfährt, der andere aber muß noch hören: „Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht erkennen“1259. Warum hebe ich das hervor? Weil keiner, auch wenn ich diese dunklen Worte nach bestem Können erkläre, an sich zu verzweifeln braucht, weil sie so tiefsinnig sind oder ich sie nicht verstehe oder das Verstandene nicht darzulegen imstande bin oder einer von so langsamer Fassungskraft ist, daß er auch dem Erklärer nicht folgen kann; er verharre im Glauben, wandle auf dem Wege, er höre den Apostel, der da sagt: „Und wenn ihr etwas anders auffaßt, so wird euch Gott auch dieses offenbaren; jedoch, wohin wir gelangt sind, darin lasset uns wandeln“1260.

       8.

      Fangen wir also an, den