Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
Скачать книгу
euch werde ich die Antwort bei dem finden, den ich frage. Es steht fest, es ist ausdrücklich gesagt und bestimmt, als Tag habe der Herr an dieser Stelle sich selbst bezeichnet d. h. als Licht der Welt. „Solange ich in dieser Welt bin“, sagt er, „bin ich das Licht der Welt“. Also er selbst wirkt. Wie lange aber ist er in dieser Welt? War er etwa, Brüder, damals hier, und ist er jetzt nicht hier? Wenn wir das meinen, so ist also nach der Himmelfahrt des Herrn bereits jene furchtbare Nacht eingetreten, wo niemand wirken kann. Wenn nach der Himmelfahrt des Herrn jene Nacht gekommen ist, wie haben dann die Apostel so Großes gewirkt? War etwa diese Nacht, als der Heilige Geist kam und alle an einem Orte Anwesenden erfüllte und ihnen in den Sprachen aller Völker zu reden verlieh1231? War es etwa Nacht, als jener Lahme auf das Wort des Petrus hin gesund gemacht wurde, oder vielmehr auf das Wort des Herrn, der in Petrus wohnte1232? War es etwa Nacht, als beim Erscheinen der Jünger die Kranken mit ihren Betten hingelegt wurden, damit sie wenigstens vom Schatten der Vorübergehenden getroffen würden1233? Der Herr selbst aber hat, als er noch hier weilte, niemand durch seinen Schatten gesund gemacht, er hatte jedoch zu den Jüngern gesagt: „Ihr werdet Größeres tun als das“1234. Der Herr hatte zwar gesagt: „Ihr werdet Größeres tun als das“, allein Fleisch und Blut möge sich nicht erheben, es höre ihn, wie er sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“1235.

       6.

      Also wie? Was werden wir von dieser Nacht sagen? Wann wird die Zeit kommen, da niemand mehr wirken kann? Das wird die Nacht der Gottlosen sein, das wird die Nacht derjenigen sein, zu welchen am Ende gesagt wird: „Gehet hin in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“1236. Aber es heißt doch „Nacht“, nicht Flamme, nicht Feuer. Höre, daß es auch eine Nacht ist. Von einem gewissen Knechte sagt er: „Bindet ihm Hände und Füße, und werfet ihn hinaus in die äußerste Finsternis“1237. Also soll der Mensch wirken, solange er lebt, damit er nicht von jener Nacht überrascht werde, wo niemand mehr wirken kann. Jetzt muß der Glaube durch die Liebe wirken, und wenn wir jetzt wirken, das* ist* der Tag,* das* ist Christus. Höre, was er verspricht, und halte ihn nicht für abwesend. Er hat gesagt: „Siehe, ich bin bei euch“. Wie lange? Ängstigen wir uns nicht, die wir noch leben; wenn es möglich wäre, würden wir mit diesem Worte auch die später lebenden Nachkommen vollständig beruhigen. „Siehe“, sagt er, „ich bin bei euch bis zum Ende der Welt“1238. Dieser Tag, der durch den Umlauf der Sonne bewirkt wird, hat wenige Stunden, jedoch der Tag der Gegenwart Christi erstreckt sich bis zum Ende der Welt. Nach der Auferstehung der Lebendigen und Toten aber, wenn er zu den auf der Rechten Stehenden sagen wird: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, besitzet das Reich“, zu den auf der Linken Stehenden aber: „Gehet hin in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“1239, da wird die Nacht sein, wo niemand mehr wirken, sondern nur in Empfang nehmen kann, was er gewirkt hat. Es ist etwas anderes die Zeit der Wirksamkeit und etwas anderes die Zeit der Vergeltung; denn der Herr wird einem jeden vergelten nach seinen Werken1240. Solange du lebst, wirke, wenn du wirken willst; denn dann wird eine gewaltige Nacht kommen, welche die Gottlosen einhüllt. Indes auch jetzt wird jeder Ungläubige bei seinem Tode von jener Nacht aufgenommen; er hat dort keine Möglichkeit mehr, etwas zu wirken. In jener Nacht war der Reiche in Gluthitze und verlangte nach einem Tropfen Wassers von dem Finger des Armen; er litt Schmerzen, empfand Angst, machte ein Geständnis, und es wurde ihm keine Hilfe gebracht, er versuchte Gutes zu tun. Denn er sprach zu Abraham: „Vater Abraham, schicke den Lazarus zu meinen Brüdern, daß er ihnen sage, was hier vorgeht, damit nicht auch sie in diesen Ort der Qualen kommen“1241. O Unglücklicher! Als du noch am Leben warst, da war die Zeit zu wirken; jetzt bist du bereits in der Nacht, in der niemand mehr wirken kann.

       7.

      „Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde und machte einen Teig aus dem Speichel und strich den Teig auf seine Augen und sagte zu ihm: Geh und wasche dich im Teiche Siloe (was verdolmetscht wird: der Gesandte). Er ging also hin und wusch sich und kam sehend zurück.“ Weil dies klar ist, wollen wir es übergehen.

       8.

      „Die Nachbarn nun und die ihn zuvor beim Betteln gesehen hatten, sagten: Ist dies nicht der, welcher saß und bettelte? Die einen sagten: Er ist es; andere: Keineswegs, sondern er ist ihm nur ähnlich.“ Die geöffneten Augen hatten sein Gesicht verändert. „Jener sagte: Ich bin es.“ Eine dankbare Stimme, damit sie nicht als undankbar verdammt würde. „Da sprachen sie zu ihm: Wie sind deine Augen geöffnet worden? Er antwortete: Jener Mensch, welcher Jesus heißt, machte einen Teig und bestrich meine Augen und sagte zu mir: Gehe zum Teiche Siloe und wasche dich. Und ich ging hin und wusch mich und sah.“ Siehe, er ist ein Verkünder der Gnade geworden; siehe, er bringt frohe Botschaft, er bekennt als ein Sehender. Jener Blinde legte ein Bekenntnis ab, und das Herz der Gottlosen wurde gebrochen1242, weil sie nicht im Herzen hatten, was jener bereits im Gesichte hatte. „Sie sagten zu ihm: Wo ist der, welcher dir die Augen geöffnet hat? Er sprach: Ich weiß es nicht.“ Bei diesen Worten ist sein Geist ähnlich einem erst Gesalbten1243, noch nicht einem Sehenden. Nehmen wir an, Brüder, er habe jene Salbung im Herzen gehabt. Er preist und weiß nicht, wen er preist.

       9.

      „Sie führten den, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat, als Jesus den Teig machte und seine Augen öffnete. Abermals also fragten ihn die Pharisäer, wie er sehend geworden sei. Jener aber sagte zu ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen, und ich wusch mich und sah. Da sagten einige aus den Pharisäern“ ― nicht alle, sondern einige, denn bereits waren einige gesalbt. Was also sagten die weder Sehenden noch Gesalbten? „Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält.“ Richtiger gesagt, hielt gerade er den Sabbat, der da ohne Sünde war. Denn der geistige Sabbat ist dies: keine Sünde zu haben. Um es kurz zu sagen, Brüder, daran erinnert Gott, da er den Sabbat einschärft: „Ihr sollt kein knechtliches Werk tun“1244. Das sind die Worte des den Sabbat einschärfenden Gottes: „Ihr sollt kein knechtliches Werk tun“. Befraget nur die früheren Lesungen, was ein knechtliches Werk sei1245, und höret den Herrn: „Jeder, der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“1246. Aber diese, die, wie ich gesagt, weder sahen noch gesalbt waren, beobachteten den Sabbat fleischlich, verletzten ihn aber geistig. „Die einen sagten: Wie kann ein sündhafter Mensch diese Zeichen tun?“ Siehe, sie sind gesalbt. „Und es war eine Spaltung unter ihnen.“ Jener Tag hatte Licht und Finsternis voneinander geschieden. „Sie sagten also abermals zu dem Blinden: Was sagst* du* von dem, der deine Augen geöffnet hat?“ Was hältst du von ihm? Was meinst du? Was urteilst du? Sie suchten danach, wie sie dem Menschen einen Strick drehen könnten, damit er aus der Synagoge ausgestoßen, aber von Christus gefunden würde. Allein jener blieb fest bei seiner Meinung. Er sprach nämlich: „Ein Prophet ist er“. Vorläufig war gesalbt im Herzen, bekennt er noch nicht den Sohn Gottes und spricht doch nicht die Unwahrheit. Denn der Herr selbst sagt von sich: „Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, außer in seinem Vaterlande“1247.

       10.

      „Die Juden glaubten nun nicht von ihm, daß er blind gewesen und sehend geworden sei, bis sie die Eltern dessen riefen, der sehend geworden“, d. h. der blind gewesen und nunmehr sah. „Und sie fragten diese und sprachen: Ist dies euer Sohn, von dem ihr sagt, daß er blind geboren sei? Wie also sieht er jetzt? Seine Eltern antworteten ihnen und sagten: Wir wissen, daß dies unser Sohn ist, und daß er blind geboren ist; wie er aber jetzt sieht, wissen wir nicht, oder wer seine Augen geöffnet hat, wissen wir nicht. Und sie sagten: Fraget ihn selbst, er ist alt genug; er mag für sich selbst reden.“ Er ist zwar unser Sohn, aber mit Recht würde man uns zwingen für ein Kind zu reden, weil es selbst für sich nicht reden könnte; seit langem redet er, jetzt sieht er auch; als blind geboren kennen wir ihn; daß er redet, wissen wir schon lange; daß er sieht, sehen wir jetzt, fraget ihn selbst, damit ihr Belehrung empfanget; was macht ihr uns Schwierigkeiten? „Das sprachen seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten. Denn bereits waren die Juden übereingekommen, daß einer, wenn er ihn als Christus bekennen würde, aus der Synagoge gestoßen werden sollte.“ Es war schon kein Übel