Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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und damit Abraham würde, war er vor Abraham.

       18.

      Hierüber nun gerieten sie als über eine ganz offenbare Schmähung Abrahams noch mehr in Entrüstung. Es schien ihnen nämlich, als hätte Christus der Herr eine Lästerung ausgesprochen, da er sagte: „Ehe Abraham wurde, bin ich“. „Sie nahmen also Steine, um auf ihn zu werfen.“ Wohin auch sollte eine solche Härte eilen als zu dem, was ihnen ähnlich war?1222 „Jesus aber“ ― als Mensch, als Träger der Knechtsgestalt, als niedrig, als derjenige, der leiden, sterben, durch sein Blut uns erlösen sollte, nicht als derjenige, der da* ist*, nicht als das Wort Gottes im Anfang und das Wort bei Gott. Denn als sie Steine aufhoben, um auf ihn zu werfen, was wäre es da Großes gewesen, daß sich sogleich die Erde aufgetan und sie verschlungen hätte, und daß sie statt der Steine die Hölle gefunden hätten? Das wäre für Gott nichts Großes gewesen, allein es empfahl sich mehr der Erweis der Geduld als der Gebrauch der Macht. Also „Jesus verbarg sich“ vor ihnen, um nicht gesteinigt zu werden. Als Mensch floh er vor den Steinen, aber wehe denen, vor deren steinernen Herzen Gott flieht!

      44. Vortrag

       Einleitung.

      Vierundvierzigster Vortrag.

      Von da an: „Als er vorüberging, sah er einen Menschen, der blind geboren war“, bis dahin: „Nun aber sagt ihr: Wir sehen, ― eure Sünde bleibt“. Joh. 9, 1―41.

       1.

      Von dem Menschen, den der Herr Jesus sehend machte, der blind geboren war, ist ein ausführliches Lesestück vorgelesen worden. Wollten wir dasselbe ganz abzuhandeln versuchen, gemäß seiner Bedeutung, so gut wir es vermögen, alles einzelne betrachtend, so würde der Tag nicht hinreichen. Darum bitte und ermahne ich eure Liebe, daß ihr für das, was schon klar ist, von uns keine Erläuterung fordert; denn es würde allzu lang sein, bei dem einzelnen zu verweilen. Kurz also lege ich das Geheimnis dieses sehend gewordenen Blinden dar. Das nämlich, was unser Herr Jesus Christus Staunenswertes und Wunderbares getan hat, sind Werke und Worte zugleich: Werke, weil es Taten sind, Worte, weil es Zeichen sind. Wenn wir also erwägen, was das Ereignis bedeutet, so ist dieser Blinde das Menschengeschlecht. Denn diese Blindheit trat im ersten Menschen durch die Sünde ein, von dem wir also nicht bloß den Tod, sondern auch die Sünde geerbt haben. Wenn nämlich Blindheit der Unglaube ist, und Erleuchtung der Glaube, welchen Gläubigen hat dann Christus bei seiner Ankunft gefunden? Sagt ja doch der Apostel, der im Volke der Propheten geboren war: „Auch wir waren einst von Natur Kinder des Zornes, wie auch die übrigen“1223. Wenn „Kinder des Zornes“, dann Kinder der Rache, Kinder der Strafe, Kinder der Hölle. Wie doch „von Natur“, als weil durch die Sünde des ersten Menschen die Sündhaftigkeit wie zur Natur geworden ist?1224 Wenn aber die Sündhaftigkeit wie zur Natur geworden ist, dann ist dem Geiste nach jeder Mensch blind geboren. Denn wenn er sieht, bedarf er keines Führers; wenn er aber einen Führer und Erleuchter nötig hat, nun dann ist er blind von Geburt.

       2.

      Es kam der Herr; was tat er? Ein großes Geheimnis legte er uns ans Herz. „Er spuckte auf die Erde“, machte mit seinem Speichel eine weiche Masse ― denn „das Wort ist Fleisch geworden“1225 ― und salbte die Augen des Blinden. Er war gesalbt und sah noch nicht. Er schickte ihn zum Teich, der Siloe genannt wird. Es lag aber dem Evangelisten daran, uns den Namen dieses Teiches bekannt zu geben, und er sagt darum: „was verdolmetscht heißt: der Gesandte“. Wer gesandt wurde, wißt ihr schon; denn wenn jener nicht gesandt worden wäre, so wäre keiner von uns von der Sünde befreit worden. Er wusch also die Augen in jenem Teiche, der verdolmetscht wird: „der Gesandte“, er wurde getauft in Christus. Wenn er ihn nun, da er ihn in sich selbst gewissermaßen taufte, damals erleuchtete, so hat er ihn, als er ihn salbte, vielleicht zum Katechumenus gemacht. Man kann zwar die Tiefe des so großen Geheimnisses noch auf manche andere Weise erklären und darlegen, doch dies möge eurer Liebe genügen; ihr habt ein großes Geheimnis vernommen. Frage einen Menschen: Bist du ein Christ?1226 Er antwortet dir: Nein, wenn er ein Heide oder Jude ist. Wenn er aber sagt: Ja, so fragst du ihn noch: Bist du ein Katechumenus oder ein Gläubiger? Wenn er aber antwortet: Ein Katechumenus, so ist er gesalbt, noch nicht gewaschen. Allein warum gesalbt? Frage und er antwortet; frage ihn, an wen er glaubt; gerade weil er Katechumenus ist, sagt er: an Christus. Siehe, ich rede jetzt zu Gläubigen und Katechumenen. Was habe ich vom Speichel und der weichen Masse gesagt? Daß das Wort Fleisch geworden ist. Das hören auch die Katechumenen, aber es genügt ihnen nicht für das, wozu sie gesalbt worden sind; sie mögen zur Taufe eilen, wenn sie das Licht suchen.

       3.

      Nun also wollen wir wegen einiger in diesem Lesestück enthaltenen Fragen die Worte des Herrn und des ganzen Lesestückes selbst mehr rasch durchgehen als abhandeln. „Beim Hinweggehen sah er einen blinden Menschen“, nicht einen irgendwie blinden, sondern „von Geburt“. „Und es fragten ihn seine Jünger: Rabbi“ ― ihr wißt, „Rabbi“ ist ein Lehrer. Sie nannten ihn Lehrer, weil sie zu lernen verlangten; sie legten nämlich dem Herrn als dem Lehrer eine Frage vor: „Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, so daß er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern“, so daß er blind geboren wurde. Was hat er da gesagt? Wenn kein Mensch ohne Sünde ist, waren dann etwa die Eltern dieses Blinden ohne Sünde? War etwa er selbst entweder ohne Erbsünde oder hatte er im Leben nichts hinzugefügt? Oder waren etwa, weil seine Augen geschlossen waren, die Begierden gar nicht wach? Wieviel Böses begehen die Blinden? Von welcher Art des Bösen enthält sich ein böses Herz, auch wenn die Augen geschlossen sind? Er konnte nicht sehen, aber er war imstande zu denken und vielleicht etwas zu begehren, was ein Blinder nicht vollbringen, was jedoch im Herzen gerichtet werden kann vom Herzenserforscher. Wenn also sowohl seine Eltern eine Sünde hatten, als auch er selbst eine Sünde hatte, warum sprach der Herr: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern“ als eben wegen der Sache, worüber er gefragt wurde, „daß er blind geboren wurde“? Es hatten nämlich zwar seine Eltern eine Sünde, aber nicht wegen dieser Sünde geschah es, daß er blind geboren wurde. Wenn es nun nicht wegen der Sünde der Eltern geschah, daß er blind geboren wurde, warum ist er dann blind geboren worden? Höre, wie der Meister lehrt; er sucht einen Glaubenden, um ihm das Verständnis beizubringen. „Weder dieser hat gesündigt“, sagt er, „noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbar werden“.

       4.

      Was folgt dann weiter? „Ich muß die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat.“ Siehe, er ist der „Gesandte“, in welchem der Blinde sein Gesicht wusch. Und sehet, was er gesagt hat: „Ich muß die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist“. Erinnert euch, wie er alle Ehre dem gibt, von dem er ist, weil jener einen Sohn hat, der von ihm ist, er selbst aber keinen hat, von dem er ist. Aber warum, o Herr, hast Du gesagt: „Solange es Tag ist“? Höre den Grund. „Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“ Auch Du nicht, o Herr? Wird jene Nacht soviel vermögen, daß auch Du in ihr nicht wirken kannst, dessen Werk die Nacht ist? Denn ich meine, Herr Jesu, ja ich meine nicht, sondern ich glaube und spreche es offen aus, daß Du dabei gewesen, als Gott sagte: „Es werde Licht, und es ward Licht“1227. Denn wenn er es durch das Wort gemacht hat, dann hat er es durch Dich gemacht, und darum heißt es: „Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts geworden“1228. „Gott schied zwischen Licht und Finsternis; das Licht nannte er Tag und die Finsternis nannte er Nacht“1229.

       5.

      Welches ist jene Nacht, bei deren Erscheinen niemand wird wirken können? Höre, was der Tag ist, und dann wirst du erkennen, was die Nacht ist. Er selbst soll es sagen: „Solange ich in dieser Welt bin, bin ich das Licht der Welt“. Siehe, er selbst ist der Tag. Es wasche der Blinde seine Augen am Tage1230, damit er den Tag sehe. „Solange ich in der Welt bin“, sagt er. „bin ich das Licht der Welt.“ Es wird