Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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zeigt, was man im Lichte sieht, bedarf es dann etwa eines anderen, damit es gesehen werden kann? Das Licht zeigt also sowohl anderes wie sich selbst. Alles, was wir erkennen, erkennen wir durch den Verstand, und den Verstand selbst, wodurch erkennen wir ihn als eben durch den Verstand? Siehst du etwa ebenso mit dem fleischlichen Auge sowohl anderes als es selbst? Denn obwohl die Menschen mit ihren Augen sehen, so sehen sie doch nicht ihre eigenen Augen. Das fleischliche Auge sieht anderes, sich selbst sieht es nicht; der Verstand aber erkennt sowohl anderes wie sich selbst. Wie der Verstand sich selbst sieht, so predigt auch Christus sich selbst. Wenn er sich predigt und dadurch, daß er predigt, zu dir eingeht, so geht er durch sich zu dir ein. Auch zum Vater ist er die Türe, weil es keinen anderen Weg gibt, durch den man zum Vater kommt, als ihn selbst. Denn „ein Gott ist und* ein* Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus“1316. Durch das Wort wird vieles gesagt; gerade das, was ich gesagt habe, habe ich ja durch das Wort gesagt. Wenn ich auch das „Wort“ selbst aussprechen möchte, wodurch soll ich es aussprechen als eben durch das Wort? Und somit wird durch das Wort sowohl anderes gesagt, was nicht das ist, was das Wort ist, als auch kann das Wort selbst nicht ausgesprochen werden als wieder durch das Wort. Mit Hilfe des Herrn hat es uns nicht an Beispielen gefehlt. Behaltet also, wie der Herr Jesus Christus sowohl Türe wie Hirt ist: Türe dadurch, daß er sich auftut, Hirte dadurch, daß er durch sich eintritt. Und zwar, Brüder, daß er Hirt ist, das gab er auch seinen Gliedern; denn auch Petrus ist ein Hirt, auch Paulus ist ein Hirt, auch die übrigen Apostel sind Hirten, auch die guten Bischöfe sind Hirten. Türe aber nennt sich keiner von uns; dies hat er sich selbst als eigen vorbehalten, daß die Schafe nur durch ihn eingehen. Um es kurz zu sagen, Paulus erfüllte das Amt eines guten Hirten, da er Christus predigte, weil er durch die Türe einging. Allein als die zuchtlosen Schafe anfingen, Spaltungen hervorzurufen und andere Türen sich zu setzen, nicht um durch sie einzutreten zur Vereinigung, sondern um abzuirren zur Zerstreuung, indem die einen sagten: „Ich bin des Paulus“, andere: „Ich des Kephas“, andere: „Ich des Apollo“, andere: „Ich Christi“, da erschrak er vor denen, welche sagten: „Ich bin des Paulus“, und den Schafen gleichsam zurufend: Ihr Unglückseligen, wohin geht ihr? sprach er: Ich bin nicht die Türe: „Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden? Oder seid ihr im Namen des Paulus getauft worden?“1317. Die aber sagten: „Ich bin Christi“, haben die Türe gefunden.

       4.

      Von dem* einen* Schafstall aber und dem* einen* Hirten habt ihr zwar schon wiederholt gehört; denn gar sehr haben wir den* einen* Schafstall betont, indem wir die Einheit predigten, damit alle Schafe durch Christus eingehen sollten und keines dem Donatus folgen möchte. Jedoch warum der Herr das eigentlich gesagt hat, ist hinlänglich klar. Denn er redete zu den Juden, gesandt aber war er gerade zu den Juden, nicht wegen einiger, die in teuflischem Hasse widerstrebten und in der Finsternis verharrten, sondern wegen einiger in diesem Volke, die er seine Schafe nennt, von denen er sagt: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“1318. Er kannte sie auch in der Schar der Wütenden und sah sie vorher im Frieden der Glaubenden. Was heißt also: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“, als daß er seine körperliche Gegenwart nur dem Volke Israel zeigte? Zu den Heiden ging er nicht selbst, sondern sandte Boten, zum Volke Israel aber sandte er nicht bloß Boten, sondern kam auch selbst, damit diejenigen, die ihn verachteten, ein um so strengeres Gericht sich zuzögen, da ihnen ja auch seine persönliche Gegenwart zuteil wurde. Der Herr war selbst dort, wählte sich dort eine Mutter; dort wollte er empfangen, dort geboren werden, dort sein Blut vergießen; dort sind seine Fußtapfen1319, jetzt werden sie verehrt an der Stelle, wo er zuletzt gestanden ist, von wo er zum Himmel aufstieg; zu den Heiden aber sandte er Boten.

       5.

      Aber vielleicht meint einer, weil Jesus nicht selbst zu uns kam, sondern zu uns Boten sandte, so hätten wir nicht seine Stimme, sondern die Stimme seiner Boten gehört. Das sei ferne; weg mit diesem Gedanken aus euren Herzen; auch in denen, welche er sandte, war er selbst. Höre Paulus, den er sandte; zu den Heiden nämlich sandte er vornehmlich den Apostel Paulus, und eben dieser Paulus, schreckend nicht mit sich, sondern mit jenem, sagt: „Wollt ihr den Erweis haben von dem, der in mir spricht, Christus?“1320. Höret auch den Herrn selbst. „Ich habe noch andere Schafe“, d. h. unter den Heiden, „die nicht aus diesem Schafstalle sind“, d. h. aus dem Volke Israel, „auch diese muß ich herbeiführen“. Also auch durch die Seinigen führt sie nicht ein anderer herbei. Höre weiter: „Sie werden meine Stimme hören“. Siehe, auch durch die Seinigen redet er selbst, und durch seine Boten wird seine Stimme gehört. „Damit* ein* Schafstall und* ein* Hirt sei.“ Für diese zwei Herden ist er wie für zwei Wände der Eckstein geworden1321. Also ist er sowohl Türe wie Eckstein; alles im bildlichen, nichts davon im eigentlichen Sinne.

       6.

      Ich habe ja schon gesagt und nachdrücklich hervorgehoben ― die es fassen, sind verständig, vielmehr, die verständig sind, fassen es1322, und die noch nicht das nötige Verständnis besitzen, mögen im Glauben festhalten, was sie noch nicht verstehen können ―, bildlich ist Christus vieles, was er im eigentlichen Sinne nicht ist. Bildlich ist Christus auch Fels, ist Christus auch Türe, ist Christus auch Eckstein, ist Christus auch Hirt, ist Christus auch Lamm, ist Christus auch Löwe. Wie vieles im bildlichen Sinne, und auch noch manches andere, was aufzuzählen zu lang wäre. Wenn du aber die eigentliche Bedeutung der Dinge in Betracht ziehst, die du zu sehen gewohnt bist, so ist er weder ein Fels, weil er nicht hart und empfindungslos ist, noch eine Türe, weil ihn nicht der Zimmermann gemacht hat, noch ein Eckstein, weil er nicht vom Baumeister hergestellt ist, noch ein Hirt, weil er kein Hüter der vierfüßigen Schafe ist, noch ein Löwe, weil er kein wildes Tier ist, noch ein Lamm, weil er kein Kleinvieh ist. Alles dies also im bildlichen Sinne. Was demnach im eigentlichen Sinne? „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“. Was gilt hinsichtlich des Menschen, der erschien? „Und das Wort ist Fleisch geworden“1323.

       7.

      Höre auch das übrige. „Deshalb liebt mich der Vater“, sagt er, „weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen.“ Was sagt er? „Deshalb liebt mich der Vater“, weil ich sterbe, um aufzuerstehen1324. Es heißt mit großem Nachdruck:* „Ich“*. „Weil ich“, sagt er, „mein Leben hingebe, ich gebe hin“. Was heißt: „Ich gebe hin“? Ich gebe es hin; nicht sollen sich die Juden rühmen; sie konnten wüten, aber die Macht konnten sie nicht haben; sie mögen wüten, so viel sie können; wenn ich meine Seele nicht hingeben will, was werden sie mit ihrer Wut erreichen? Durch eine einzige Antwort sind sie niedergestreckt worden, als zu ihnen gesagt wurde: „Wen suchet ihr?“ Sie sagten: „Jesus“; und er sprach: „Ich bin es; da wichen sie zurück und fielen nieder“1325. Die da niederfielen auf ein Wort des in den Tod gehenden Christus, was werden sie tun unter dem Eindruck der Stimme des kommenden Richters? „Ich, ich“, sage ich, „gebe mein Leben hin, um es wieder zu nehmen.“ Nicht rühmen sollen sich die Juden, als hätten sie ihn überwältigt; er selbst hat sein Leben hingegeben. „Ich bin entschlafen“, sagt er. Ihr kennt den Psalm: „Ich bin entschlafen und in Schlummer gesunken, und bin aufgestanden, weil der Herr mich aufnimmt“1326. Was heißt: „Ich bin entschlafen“? Weil ich wollte, bin ich entschlafen. Was heißt: „Ich bin entschlafen“? Ich bin gestorben. Ist der nicht entschlafen, der, da er wollte, vom Grabe wie vom Bette sich erhob? Aber er liebt es, dem Vater die Ehre zu geben, um uns anzuleiten, daß wir dem Schöpfer die Ehre geben. Denn was den beigefügten Satz betrifft: „Ich bin aufgestanden, weil der Herr mich aufnimmt“, glaubt ihr etwa, hier habe ihm gleichsam die Kraft gemangelt, so daß er zwar durch seine Macht sterben, durch seine Macht aber nicht auferstehen konnte? So nämlich scheinen die Worte zu lauten, wenn man sie nicht genauer versteht. „Ich bin entschlafen“, d. h. weil ich wollte, bin ich entschlafen. „Und ich bin aufgestanden.“ Warum? „Weil der Herr mich aufnimmt.“ Wie denn, wärest Du nicht imstande, aus eigener Kraft aufzuerstehen? Wenn Du nicht imstande wärest, würdest Du nicht sagen: „Ich habe die Macht, mein Leben hinzugeben, und habe die Macht, es wieder zu nehmen“. Höre an einer andern Stelle im Evangelium, daß nicht bloß der Vater den