Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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      Aber nunmehr vernehmet, was der Herr sagt: „Ihr“, spricht er, „habt den Teufel zum Vater und wollt die Gelüste eures Vaters tun.“ Siehe, warum ihr seine Söhne seid; weil ihr nämlich solche Gelüste habt, nicht weil ihr von ihm abstammt. Welches sind seine Gelüste? „Er war ein Mörder von Anbeginn.“ Siehe, was es heißt: „Ihr wollt die Gelüste eures Vaters tun; ihr suchet mich zu töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit sagt“. Auch jener beneidete den Menschen und tötete den Menschen. Denn da der Teufel den Menschen beneidete, redete er in der Hülle einer Schlange zum Weibe und mit dem Weibe vergiftete er auch den Mann. Sie starben, weil sie auf den Teufel hörten1189, auf den sie nicht gehört hätten, wenn sie hätten den Herrn hören wollen. Es stand ja der Mensch zwischen dem, der ihn erschuf, und dem, der fiel; er sollte dem Schöpfer gehorchen, nicht dem Betrüger. Also „jener war ein Mörder von Anbeginn“. Betrachtet die Art des Mordes, Brüder! Ein Mörder heißt der Teufel1190; nicht mit dem Schwerte bewaffnet, mit dem scharfen Eisen umgürtet, kam er zum Menschen, ein böses Wort säte er und tötete ihn. Glaube also nicht, du seiest kein Mörder, wenn du deinem Bruder Böses einredest; wenn du deinem Bruder Böses einredest, tötest du ihn. Und damit du wissest, daß du ihn tötest, so höre den Psalmisten: „Die Menschenkinder ― ihre Zähne sind Waffen und Pfeile, und ihre Zunge ein scharfes Schwert“1191. Ihr also „wollt die Gelüste eures Vaters tun“; darum wütet ihr gegen das Fleisch, weil ihr nichts vermöget gegen den Geist. „Jener war ein Mörder von Anbeginn“, nämlich beim ersten Menschen. Seit jener Zeit war er ein Mörder, seitdem ein Mord stattfinden konnte; ein Mord konnte erst von da an stattfinden, als der Mensch geworden war. Denn es könnte kein Mensch ermordet werden, wenn nicht vorher ein Mensch geworden wäre. Also „jener war ein Mörder von Anbeginn“. Und warum ein Mörder? „Und er bestand nicht in der Wahrheit.“ Also er war in der Wahrheit, aber weil er darin nicht bestand, fiel er. Und warum „bestand er nicht in der Wahrheit“? „Weil die Wahrheit nicht in ihm ist.“ Nicht wie in Christus, der die Wahrheit so ist, daß Christus selbst die Wahrheit ist. Wenn er also in der Wahrheit bestanden wäre, so wäre er in Christus bestanden, aber „er bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist“.

       12.

      „Wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater von ihr.“ Was heißt das? Ihr habt die Worte des Evangeliums gehört, ihr habt sie aufmerksam vernommen; siehe, ich wiederhole es, damit ihr erkennet, was ihr erwägen sollt. Vom Teufel hat der Herr das gesagt, was vom Teufel der Herr sagen mußte. „Er war ein Mörder von Anbeginn“; das ist wahr, denn er hat den ersten Menschen gemordet; „und er bestand nicht in der Wahrheit“, denn er fiel von der Wahrheit ab. „Wenn er Lüge redet“ ― natürlich der Teufel ―, „so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater von ihr“1192. Betreffs dieser Worte haben einige gemeint, der Teufel habe einen Vater, und haben gefragt, wer der Vater des Teufels sei. Dieser verabscheuungswürdige Irrtum der Manichäer aber nimmt daraus immer noch einen Anlaß zur Täuschung Unerfahrener. Sie pflegen nämlich zu sagen: Angenommen, der Teufel sei ein Engel gewesen und gefallen (von ihm fing die Sünde an, wie ihr sagt): Wer war sein Vater? Wir dagegen urteilen ganz anders; denn wer von uns hat je gesagt, der Teufel habe einen Vater? Jene erwidern darauf: Der Herr sagt es, das Evangelium verkündet es, vom Teufel redend, spricht er: „Er war ein Mörder von Anbeginn und bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist; wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen, weil ein Lügner ist auch sein Vater“.

       13.

      Höre, verstehe; ich schicke dich nicht weit fort, in den Worten selbst suche das Verständnis. Den Teufel nennt der Herr den Vater der Lüge. Was heißt das? Höre, was es heißt; betrachte nochmal die Worte und lerne sie verstehen. Nicht jeder nämlich, der lügt, ist der Vater seiner Lüge. Denn wenn du von einem andern eine Lüge vernommen und nachgesprochen hast, so hast du zwar gelogen, da du eine Lüge vorgebracht hast, aber der Vater der Lüge selbst bist du nicht, weil du die Lüge von einem andern übernommen hast. Der Teufel aber war aus sich selbst ein Lügner, er hat seine Lüge selbst erzeugt, er hat sie von niemand gehört. Wie Gott der Vater die Wahrheit als den Sohn erzeugte, so erzeugte der gefallene Teufel gleichsam als Sohn die Lüge. Nach Anhörung des Gesagten bedenke nunmehr und erwäge die Worte des Herrn; katholische Seele, gib acht, was du gehört, merke auf das, was er sagt. „Jener“ ― wer? der Teufel ― „war ein Mörder von Anbeginn.“ Wir verstehen: er hat den Adam gemordet. „Und er bestand nicht in der Wahrheit“. Wir verstehen; er ist ja von der Wahrheit abgefallen. „Denn die Wahrheit ist nicht in ihm.“ Ganz richtig; weil er von der Wahrheit abfiel, hat er die Wahrheit nicht. „Wenn er Lüge redet, redet er aus dem Eigenen.“ Nicht anderswoher nimmt er das, was er redet. „Wenn er Lüge redet, redet er aus dem Eigenen, weil er ein Lügner ist und der Vater von ihr.“ Er ist sowohl ein Lügner wie der Vater der Lüge. Denn du bist vielleicht ein Lügner, weil du Lüge redest, aber du bist nicht ihr Vater. Wenn du nämlich das, was du sagst, vom Teufel vernommen und dem Teufel geglaubt hast, so bist du ein Lügner, aber der Vater der Lüge bist du nicht; jener aber ist, weil er die Lüge, durch die er wie durch ein Gift nach Schlangenart den Menschen tötete, nicht von anderswoher empfangen hat, der Vater der Lüge, wie Gott der Vater der Wahrheit ist. Macht euch los vom Vater der Lüge, eilet hin zum Vater der Wahrheit, schließt euch an die Wahrheit an, damit ihr die Freiheit erlanget.

       14.

      Jene Juden also sahen bei* ihrem* Vater, was sie redeten; was anders als Lüge? Der Herr aber sah bei* seinem* Vater, was er reden sollte; was anders als sich selbst? Was anders als das Wort des Vaters? Was anders als die ewige Wahrheit des Vaters, die mit dem Vater gleichewige Wahrheit? „Jener also war ein Mörder von Anbeginn und bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist; wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen, weil er ein Lügner ist“. Und nicht bloß ein Lügner ist er, sondern „auch der Vater von ihr“, das heißt von eben der Lüge, die er redet, ist er der Vater, weil er selbst seine Lüge erzeugt hat. „Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht. Wer von euch kann mich einer Sünde zeihen?“ wie ich euch und euren Vater zeihe. „Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht?“ Nur weil ihr Söhne des Teufels seid.

       15.

      „Wer aus Gott ist, hört Gottes Wort; deshalb hört ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“ Wiederum sehet nicht auf die Natur, sondern auf die moralische Schuld. So sind diese aus Gott und nicht aus Gott: der Natur nach sind sie aus Gott, der eigenen Verschuldung nach sind sie nicht aus Gott. Ich bitte euch, gebet acht; im Evangelium habt ihr Heilmittel gegen die giftigen und verderblichen Irrtümer der Häretiker. Denn auch bezüglich dieser Worte pflegen die Manichäer zu sagen: Siehe, es gibt zwei Naturen, eine gute und eine böse, der Herr sagt es. Was sagt der Herr? „Deshalb hört ihr nicht (Gottes Wort), weil ihr nicht aus Gott seid.“ Dies sagt der Herr. Was also, sagt er (der Manichäer), antwortest du darauf? Höre, was ich antworte: Sie sind aus Gott, und sie sind nicht aus Gott; der Natur nach sind sie aus Gott, der eigenen Verschuldung nach sind sie nicht aus Gott. Die an sich gute Natur nämlich, die aus Gott ist, sündigte durch den Willen, indem sie glaubte, was der Teufel ihr einredete, und ward so schlecht. Darum verlangt sie nach dem Arzte; denn sie ist nicht gesund. Siehe, das sage ich. Aber es scheint dir unmöglich, daß sie aus Gott sind und nicht aus Gott sind; höre, daß es nicht unmöglich ist. So sind sie aus Gott und nicht aus Gott, wie sie Söhne Abrahams sind und nicht Söhne Abrahams sind. Da habt ihr es, ihr könnet nichts darauf erwidern. Höre den Herrn selbst, er sagte zu ihnen: „Ich weiß, daß ihr Söhne Abrahams seid“1193. Sollte etwa der Herr lügen? Das sei ferne. Ist also wahr, was der Herr gesagt hat? Es ist wahr. Es ist also wahr, daß sie Söhne Abrahams waren? Ja es ist wahr. Höre, wie er es selbst wieder verneint. Der gesagt hat: „Ihr seid Söhne Abrahams“, derselbe stellt in Abrede, daß sie Söhne Abrahams seien. „Wenn ihr Söhne Abrahams seid, so tuet die Werke Abrahams. Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit sage, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters“, d. h. des Teufels. Wie nun waren sie Söhne Abrahams und doch wieder nicht Söhne