Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rosa Luxemburg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833211
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Prozesses, die beiden Seiten der Kapitalakkumulation sind durch die Reproduktionsbedingungen des Kapitals selbst organisch miteinander verknüpft, erst zusammen ergeben sie die geschichtliche Laufbahn des Kapitals. Dieses kommt nicht bloß "von Kopf bis Zeh, aus allen Poren blut- und schmutztriefend" zur Welt, sondern es setzt sich auch so Schritt für Schritt in der Welt durch und bereitet so, unter immer heftigeren konvulsivischen Zuckungen, seinen eigenen Untergang vor.

      Zweiunddreißigstes Kapitel.

       Der Militarismus auf dem Gebiet der Kapitalakkumulation

       Inhaltsverzeichnis

      Der Militarismus übt in der Geschichte des Kapitals eine ganz bestimmte Funktion aus. Er begleitet die Schritte der Akkumulation in allen ihren geschichtlichen Phasen. In der Periode der sogenannten "primitiven Akkumulation", d.h. in den Anfängen des europäischen Kapitals, spielt der Militarismus die entscheidende Rolle bei der Eroberung der Neuen Welt und der Gewürzländer Indiens, später bei der Eroberung der modernen Kolonien, Zerstörung der sozialen Verbände der primitiven Gesellschaften und Aneignung ihrer Produktionsmittel, bei der Erzwingung des Warenhandels in Ländern, deren soziale Struktur der Warenwirtschaft hinderlich ist, bei der gewaltsamen Proletarisierung der Eingeborenen und der Erzwingung der Lohnarbeit in den Kolonien, bei der Bildung und Ausdehnung von Interessensphären des europäischen Kapitals in außereuropäischen Gebieten, bei der Erzwingung von Eisenbahnkonzessionen in rückständigen Ländern und bei der Vollstreckung der Forderungsrechte des europäischen Kapitals aus internationalen Anleihen, endlich als Mittel des Konkurrenzkampfes der kapitalistischen Länder untereinander um Gebiete nichtkapitalistischer Kultur.

      Nehmen wir für einen Augenblick an, der gesamte den Arbeitern abgepreßte Betrag an indirekten Steuern, der einen Abzug an ihrer Konsumtion bedeutet, werde darauf verwendet, den Staatsbeamten Gehälter auszuzahlen und das stehende Heer mit Lebensmitteln zu verproviantieren. Dann wird in der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals keine Verschiebung eintreten. Sowohl die Abteilung der Lebensmittel wie infolgedessen auch die Abteilung der Produktionsmittel bleiben unverändert, denn der Gesamtbedarf der Gesellschaft hat nach Art und Menge keinen Wechsel erlitten. Was jetzt verändert worden, ist bloß das Wertverhältnis zwischen v als Ware Arbeitskraft und den Produkten der Abteilung II, d.h. Lebensmitteln. Dasselbe v, derselbe Geldausdruck der Arbeitskraft wird jetzt mit einer geringeren Menge Lebensmittel ausgetauscht. Was geschieht mit dem so entstehenden Rest an Produkten der Abteilung II? Er wandert statt an die Arbeiter an Staatsbeamte und das Heer. An Stelle der Konsumtion der Arbeiter tritt in demselben Umfang die Konsumtion der Organe des kapitalistischen Staates. Es ist also bei gleichbleibenden Reproduktionsbedingungen eine Änderung in der Verteilung des Gesamtprodukts eingetreten: Eine Portion der früher zur Konsumtion der Arbeiterklasse, zur Deckung des v, bestimmten Produkte der Abteilung II wird nunmehr dem Anhang der Kapitalistenklasse zur Konsumtion zugeteilt. Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Reproduktion läuft diese Verschiebung auf dasselbe hinaus wie wenn von vornherein der relative Mehrwert um den bestimmten Wertbetrag größer, und zwar dieser Zuwachs dem zur Konsumtion der Kapitalistenklasse nebst Anhang bestimmten Teil des Mehrwerts zugewiesen wäre.

      Insofern läuft das Schröpfen der Arbeiterklasse durch den Mechanismus der indirekten Besteuerung, um daraus die Stützen der kapitalistischen Staatsmaschinerie zu erhalten, einfach auf eine Vergrößerung des Mehrwerts, und zwar des konsumierten Teils des Mehrwerts, hinaus; nur daß diese ergänzende Teilung zwischen Mehrwert und variablem Kapital post festum, nach dem vollzogenen Austausch zwischen Kapital und Arbeitskraft geschieht. Haben wir es aber so mit einem nachträglichen Zuwachs des konsumierten Mehrwerts zu tun, dann kommt diese Konsumtion der Organe des kapitalistischen Staates - auch wenn sie auf Kosten der Arbeiterklasse geschieht - als Mittel der Realisierung des kapitalisierten Mehrwerts nicht in Betracht. Umgekehrt kann man sagen: Wenn die Arbeiterklasse nicht die Erhaltungskosten der Staatsbeamten und des "Kriegsknechts" zum größten Teil tragen würde, so müßten die Kapitalisten selbst diese Kosten ganz tragen. Sie müßten der Erhaltung dieser Organe ihrer Klassenherrschaft direkt aus dem Mehrwert eine entsprechende Portion zuweisen, und zwar entweder auf Kosten der eigenen Konsumtion, die sie entsprechend einschränken müßten, oder, was das Wahrscheinlichere, auf Kosten des zur Kapitalisierung bestimmten Teils des Mehrwerts. Sie könnten weniger kapitalisieren, weil sie mehr zur direkten Erhaltung ihrer eigenen Klasse verwenden müßten. Die Abwälzung der Erhaltungskosten ihres Anhangs zum größten Teil auf die Arbeiterklasse (und auf die Vertreter der einfachen Warenproduktion: Bauern, Handwerker) erlaubt es den Kapitalisten, eine größere Portion des Mehrwerts für die Kapitalisierung zu befreien. Sie schafft aber noch vorerst keineswegs die Möglichkeit dieser Kapitalisierung, d.h., sie schafft noch kein neues Absatzgebiet, um mit diesem befreiten Mehrwert auch tatsächlich neue Waren herstellen und sie auch realisieren zu können. Anders wenn die durch das Steuersystem in der Hand des Staates konzentrierten Mittel zur Produktion von Kriegsmitteln verwendet werden.